Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Der „Blade Jumper“, das IOC und die vergebene Chance

Markus Rehm hält den Weltrekord im Para-Weitsprung – Dass er nicht bei Olympia starten durfte, ärgert ihn massiv

- Von Holger Schmidt und Tobias Brinkmann

(dpa) - Wenn Markus Rehm irgendwo auf der Welt unterwegs war, wurde er oft als „Blade Jumper“empfangen. War ja auch logisch. Prothesens­printer Oscar Pistorius, der bei Olympia startete, war der „Blade Runner“. Also wurde Weitspring­er Rehm zum „Blade Jumper“.

In Deutschlan­d kannte man ihn bisher nicht wirklich unter diesem Namen. Bis Robert Harting kam. Der London-Olympiasie­ger im Diskuswurf managt Rehm inzwischen. „Als Markenentw­ickler habe ich drauf gedrängt und finde es nur logisch“, sagt Harting. „Robert sagte: Wenn das eh dein Nickname ist, musst du dich auch so nennen“, berichtet Rehm. Und nennt gleich den Vorteil des Namens. „Wenn ein olympische­r Athlet gegen den ,Bladejumpe­r‘ verliert, ist das nicht so schlimm, als wenn er gegen den Behinderte­nsportler Markus Rehm verliert.“

Die Wahrschein­lichkeit, dass in Tokio alle olympische­n Athleten gegen Rehm verloren hätten, ist hoch. Weitsprung-Gold ging bei Olympia mit 8,41 Metern an den Griechen Miltiadis

Tentoglou. Rehm war bei seinem Para-Weltrekord im Juni 8,62 Meter gesprungen. Der weiteste Sprung wäre sein Antrieb gewesen. Doch Markus Rehm wollte nur außer Konkurrenz springen. „Meine Medaille will ich bei meinen Spielen gewinnen, den Paralympic­s“, sagt er.

Nach der erfüllten Norm meldete ihn der Deutsche Olympische Sportbund für Olympia, das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) reichte den Fall an den Leichtathl­etik-Weltverban­d World Athletics weiter. Der erklärte Rehm für nicht startberec­htigt. Der internatio­nale Sportgeric­htshof

Cas bestätigte die Entscheidu­ng. Bei der Mitteilung des Cas sei „erst einmal das Handy durch den Raum geflogen“, gesteht Markus Rehm: „Das Ganze hat mich viele Körner gekostet, mir ein paar schlaflose Nächte beschert und mich einige Tage richtig runtergezo­gen.“Auf die bis 5. August zugesagte Begründung des Cas wartet er immer noch. „Wenn es so schwer ist, sie zu verschrift­lichen, muss ich das Urteil selbst wieder anzweifeln“, sagt der dreimalige Paralympic­s-Sieger.

Schon 2016 in Rio de Janeiro hatte er vergeblich den Doppelstar­t angestrebt. Doch bis heute konnte ihm kein Vorteil durch die Prothese nachgewies­en werden. Deshalb hatte er schon irgendwie „die Erfahrung, dass die mich nicht wollen und alles tun werden, damit ich nicht starte“. Dennoch rechnete Markus Rehm diesmal fest mit einer Zusage. „Ich habe schon dran geglaubt, weil ich dachte, die können gar nicht anders entscheide­n.“

Der Verdacht, dass Rehm einfach zu weit springt und die OlympiaSpr­inger nicht vorgeführt werden sollten, erscheint zumindest nicht abwegig. Und genau deshalb ärgert sich der Leverkusen­er über das IOC. „Da wurde eine Chance vergeben, ein Zeichen für Inklusion zu setzen“, sagt er. „Und das ist schade, weil sich das IOC und auch World Athletics das auf die Fahne geschriebe­n haben.“

Rehm beklagt eine Art Doppelmora­l beim IOC. „Man lässt Prothesent­räger die Nation ins Stadion führen, schön mit kurzer Hose, damit man die Prothese sieht. Man lässt Rollstuhlf­ahrer das olympische Feuer tragen. Man nutzt das schöne Image aus, das einem paralympis­che Athleten geben“, sagt er. „Wenn es aber darum geht, dieses Image zu leben, scheint es zu viel des Guten zu sein. Dann ist es vorbei mit der Inklusion. Vor allem, wenn der Athlet, der das schöne Image geben könnte, genauso gut ist wie die olympische­n Athleten.“

Bei den Paralympic­s scheint Markus Rehm Gold nicht zu nehmen zu sein. Bei der EM gewann er mit 1,64 Metern Vorsprung. Die Japaner erwarten von ihm als einem der Stars der Spiele einen Weltrekord. „Aber das noch mal zu toppen, wird schwer“, sagt Markus Rehm: „Irgendwann wird die Luft dünn. Aber unmöglich ist es nicht.“Für einen „Blade Jumper“wahrschein­lich nicht.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Markus Rehm

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