Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Abgeordnete sehen weiteren Aufklärungsbedarf
Bundesnachrichtendienst wegen Afghanistan in der Kritik
- Wer trägt die Verantwortung für das Afghanistan-Debakel? Seit Tagen steht die Frage im Raum, wie es passieren konnte, dass die radikal-islamischen Taliban dermaßen unterschätzt wurden. Mit dieser Frage beschäftigten sich am Donnerstag auch die Parlamentarier in Berlin – zuerst in einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, dann bei einer Sondersitzung des Innenausschusses. Die Rolle der Geheimdienste stand dabei unter anderem im Fokus – liefern doch sie die Berichte, die ein Teil jener Basis sind, auf der politische Entscheidungen getroffen werden.
Ein Ergebnis der Debatten: Rücktrittsforderungen gibt es bislang nur vereinzelt. In der Kritik stehen vor allem Außenminister Heiko Maas (SPD), Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU). Aber auch die Verantwortung des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, wird zunehmend hinterfragt – er musste sich dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) stellen. Die zuständigen Behörden hätten deutlich gemacht, dass nach ihren Erkenntnissen die jüngsten Entwicklungen in Kabul und in Afghanistan nicht absehbar waren, sagte Ausschusschef Roderich Kiesewetter (CDU) im Anschluss. Gründe für einen Rücktritt von Kahl sieht Kiesewetter nicht.
Die Grünen dringen auf weitere Aufklärung. Der Innenexperte Konstantin von Notz, der ebenfalls im PKGr sitzt, sagte der „Schwäbischen Zeitung“, die Große Koalition habe offenbar nicht erkannt, dass die Ereignisse in Afghanistan „sich in einer nicht antizipierten Schnelligkeit fortentwickelt haben“. „Daraus leiten sich diverse Folgefragen ab, die derzeit noch unbeantwortet sind“, so von Notz. Er sprach sich dafür aus, die maßgeblichen Ausschüsse bald wiedereinzuberufen, um die Verantwortlichkeiten aufzuklären.
Der Heilbronner Abgeordnete Alexander Throm, Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss, kommt zu dem Schluss, dass der „Kampfes- und Freiheitswillen der Afghanen“falsch eingeschätzt worden sei. „Aber letztlich kommt es auf die Einschätzung des Außenministeriums an. Und das hatte auch andere Quellen als die Geheimdienste.“