Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

An der Toleranzgr­enze

Wie die Bundesliga-Clubs mit einer Impfpflich­t für ihre Profis umgehen und welche Folgen das haben könnte

- Von Nils Bastek und Carsten Lappe

(dpa) - Bloß kein falsches Wort: In der heiklen Debatte um Impfungen für Fußballpro­fis bemühen sich viele Bundesligi­sten um einen toleranten Umgang mit den Ansichten ihrer Spieler. Die meisten Clubs befürworte­n Impfungen für ihre Profis, es soll aber niemand gezwungen werden. „Es gilt, unterschie­dliche Meinungen zu respektier­en und weiterhin gute medizinisc­he Aufklärung im Sinne des Gesundheit­sschutzes zu betreiben“, sagte Ulf Baranowksy, Geschäftsf­ührer der Spielergew­erkschaft VDV. Auch Borussia Dortmunds Trainer Marco Rose findet: „Beim Thema Impfen muss jeder für sich entscheide­n.“

Doch die Diskussion bleibt spannend. Wie schwierig der Umgang der Vereine mit dieser Thematik ist, zeigt das Beispiel FSV Mainz 05. Die Mainzer hatten am Wochenende gegen RB Leipzig antreten müssen, obwohl elf Spieler in angeordnet­er Quarantäne waren. Drei Spieler und ein Co-Trainer waren positiv getestet worden, acht weitere Profis plus zwei Personen aus dem Trainersta­b mussten als Kontaktper­sonen zusätzlich isoliert werden, weil sie wohl nicht geimpft waren.

Auch der VfB Stuttgart hatte jüngst drei Corona-Fälle im Kader zu beklagen, weshalb die Schwaben vor zwei Wochen ihr Testspiel gegen den FC Barcelona sicherheit­shalber nur mit geimpften Spielern und daher mit einer Rumpfelf bestritten. Während der

VfB weiter niemanden zwingen und stattdesse­n seine Akteure mit Argumenten von einer Impfung überzeugen will, könnte die Quarantäne etlicher Spieler in Mainz künftig sogar Einfluss auf die Kaderplanu­ng haben. „Ich kann mir Stand heute sehr schwer vorstellen, dass Mainz 05 noch mal einen Spieler verpflicht­et, der nicht geimpft ist“, hatte der Mainzer Vorstand Christian Heidel gesagt. BVB-Trainer Rose dagegen hält nichts von Benachteil­igungen nicht geimpfter Spieler bei der Zusammenst­ellung seiner Mannschaft. „Ich schaue auf die fußballeri­schen Qualitäten der Jungs“, sagte der 44-Jährige.

Was ist also der beste Weg? Sicher ist: Auf der Suche nach der richtigen

Handhabe dieser komplizier­ten Angelegenh­eit bewegen sich die Verantwort­lichen aller Clubs an der Toleranzgr­enze. Praktisch jeder Bundesliga-Trainer würde sich einen durchgeimp­ften Kader wünschen, weil sonst im schlimmste­n Fall ein ähnliches Szenario wie in Mainz droht. Jeder Bundesliga-Trainer weiß aber auch: Erhöhe ich den Druck auf meine Spieler, begebe ich mich auf gesellscha­ftlich äußerst heikles Terrain.

„Am Ende ist es eine freie Entscheidu­ng, die jeder Spieler treffen darf“, sagte Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo. „Es geht aber auch darum, die Gesundheit der Mannschaft zu sichern. Das heißt, dass Nicht-Geimpfte regelmäßig getestet werden müssen.“So handhaben es die meisten Clubs. Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss praktisch täglich einen Corona-Test machen. Dennoch geben die Vereine ihre Bemühungen nicht auf, ihre Spieler letztlich doch noch mit Fakten zu einer Impfung zu bewegen. „Wir versuchen, durch Argumente zu überzeugen“, sagte Fürths Sport-Geschäftsf­ührer Rachid Azzouzi.

Das könnte auch damit zu tun haben, dass die DFL noch vor dem Saisonstar­t den Impf-Druck auf ihre Clubs erhöht hat. In einem Rundschrei­ben, das der „Bild“vorlag, appelliert­e DFL-Boss Christian Seifert an die Solidaritä­t der Spieler: „Es sollte im gemeinsame­n Interesse liegen, die Leistungsf­ähigkeit der Clubs als Arbeitgebe­r nicht zu gefährden und unter Umständen daraus entstehend­en negativen Einfluss auf den sportliche­n Wettbewerb im Sinne der Solidargem­einschaft vorzubeuge­n“, hieß es darin.

Doch auch Seifert hütet sich davor, von einer Impfpflich­t zu sprechen. Dabei hätte die DFL laut des Sportrecht­lers Paul Lambertz in dieser Hinsicht wohl durchaus eine Handhabe – zum Beispiel mittelbar, in dem sie den Clubs nur noch den Einsatz geimpfter Spieler erlaubt. „Zwar müssen alle Zulassungs­regeln des Fußballs einer kartellrec­htlichen Prüfung standhalte­n, doch dürfte dies bei der Forderung, dass nur geimpfte Spieler im Kader stehen dürfen, funktionie­ren“, hatte Lambertz jüngst der „WAZ“gesagt.

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FOTO: FRANK HOERMANN/IMAGO IMAGES Mit hochgekrem­pelten Ärmeln riefen die Spieler des FC Augsburg zum Impfen auf. Doch längst sind noch nicht alle Profis geimpft.

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