Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
USA halten an Abzugstermin aus Kabul fest
G7-Staaten dringen auf Verschiebung – Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen
US-Präsident Joe Biden hat nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim G7-Gipfel keinen neuen Zeitpunkt für den Abzug der USTruppen aus Afghanistan genannt. „Es sind heute keine neuen Daten über das bekannte Datum des 31.8. (hinaus) genannt worden vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika“, sagte Merkel am Dienstag in Berlin. Was das genau „im Zeitablauf“bedeute, könne sie aber noch nicht sagen. Sprecher des neuen Regimes in Kabul machten am Dienstag ebenfalls deutlich: Eine neuerliche Verschiebung kommt nicht infrage.
Die europäischen Verbündeten in London, Paris und Berlin dringen auf einen späteren Abzugstermin, weil nur so die Evakuierungsaktion in der jetzigen Form fortgesetzt werden kann. Es stehen noch viele Tausende Menschen, die das Land wegen der Machtübernahme der Taliban verlassen wollen, auf den Ausreiselisten. Die Bundeswehr hat in den vergangenen Tagen rund 3800 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen, darunter 351 deutsche Staatsbürger. „Ich gehe nicht davon aus, dass wir alle ausfliegen können, die wir ausfliegen wollen“, sagte am Dienstag Außenminister Heiko Maas (SPD).
Kurz vor dem Krisentreffen der G7-Staaten gab es Berichte über schwerste Menschenrechtsverletzungen nach der Machtübernahme der Taliban. Darunter seien Massenhinrichtungen von Zivilisten und Angehörigen regierungstreuer Sicherheitskräfte, sagte die UN-Kommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, in Genf. Der Bewegungsspielraum von Frauen sei in manchen Regionen eingeschränkt worden, Mädchen dürften teils nicht mehr zur Schule gehen. Friedliche Proteste würden unterdrückt und Minderjährige zum Waffendienst geholt. Die Berichte seien glaubhaft, betonte Bachelet.
Mitarbeiter der Vereinten Nationen sowie von UN-Hilfsorganisationen müssen nach Willen der Taliban das Land offenbar nicht verlassen. „Sie haben klar gemacht, dass die UN bleiben sollen“, sagte Richard Brennan, Regionaldirektor für Nothilfe bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in Kairo.