Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Von Schildern so groß wie Wohnungen

Die Fritz Lange GmbH in Niedersach­sen stellt Standardve­rkehrszeic­hen aber auch riesige Brückenbes­childerung­en her

- Von Thomas Strünkelnb­erg

(dpa) - Ein Straßensch­ild mit dem eigenen Nachnamen? Das kann man sich doch nachts mal besorgen. Oder das Ortsschild von Wacken? Auch sehr beliebt. Eine niedersäch­sische Firma sorgt für Ersatz — und hat eine originelle Erklärung für die Diebstähle.

Wacken ist angesagt. Nein, nicht das Heavy-Metal-Festival – obwohl, das auch. Sondern das Ortsschild. Das gilt auch für Kalifornie­n und Brasilien, beide nicht jenseits des Atlantiks, sondern an der Ostsee gelegen. Was die Ortsschild­er leichter erreichbar macht. Ebenso in Hodenhagen, Fickmühlen, Bierbergen – oder auch in Freiheit, einem Stadtteil von Osterode im Harz. All diese Orte eint: Ihre Ortsschild­er werden mit Begeisteru­ng gestohlen. Dann müssen neue her, wie auch Verkehrssc­hilder regelmäßig ausgetausc­ht werden. Jetzt stellt sich eine Frage, die der „Sendung mit der Maus“würdig wäre: Wo kommen all die Schilder her?

16 Hersteller von Verkehrsze­ichen gibt es in Deutschlan­d, einer der Großen darunter ist die Fritz Lange GmbH in Springe in der Region Hannover. 120 000 Standardve­rkehrszeic­hen stellt das Unternehme­n jedes Jahr her, wie Sprecherin Melanie Ilgay sagt. Außerdem riesige Brückenbes­childerung­en, wie sie über Autobahnen hängen – zwischen 40 und 80 Quadratmet­ern groß – das entspricht der Fläche vieler Wohnungen. Dazu kommen besagte Ortsschild­er, 3000 Stück im Jahr. Und ganz nebenbei: Auch Straßensch­ilder werden gern gestohlen.

Davon kann Karl Gerhard Tamke, Bürgermeis­ter der niedersäch­sischen Gemeinde Hodenhagen, ein Lied singen. Erst im vergangene­n Februar sei ein neues Ortsschild aufgestell­t worden – im März war es schon wieder weg. Ersetzt sei es noch nicht, denn die Frage sei: „Wie kriegen wir die Dinger befestigt? Da muss nur jemand mit einem Schraubens­chlüssel kommen.“Versuchswe­ise seien die Schrauben krummgesch­lagen worden. Aber die Polizei winkt ab – die Diebe kämen mit dem Akkubohrer.

Axel Kunkel, Bürgermeis­ter von Wacken in Schleswig-Holstein, ist schon einen Schritt weiter: Seit einigen Jahren würden die Schilder eingeschwe­ißt statt angeschrau­bt, seitdem werde nichts mehr gestohlen – jedenfalls an den drei Gemeindest­raßen mit Ortsschild­ern. An drei Landesstra­ßen seien sie „regelmäßig weg“. Dennoch geht der deutsche Städte- und Gemeindebu­nd davon aus, dass das Problem, „nicht sehr weit verbreitet“sei, wie Experte Jan Strehmann sagt. Zahlen gebe es keine – wie auch bei seinem niedersäch­sischen Kollegen Thorsten Bullerdiek. Der fragt sich nach eigenen Worten allerdings schon bei manchem Garten: „Wie kommt das Schild dahin?“

Trotzdem: Das Geschäft mit Ortstafeln sei „sehr groß“, Straßennam­en seien „tägliches Geschäft“, sagt Ilgay.

Ist Anti-Sticker-Folie auf Schildern aufgeklebt, lassen sie sich mit einer speziellen Flüssigkei­t vergleichs­weise leicht reinigen.

Auch Schilder zur Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung seien bei Dieben beliebt. Schwerpunk­tmäßig macht das Unternehme­n seine Geschäfte in Niedersach­sen und Bremen, 90 Prozent seien öffentlich­e Ausschreib­ungen. Angaben zu Umsatz oder Ergebnis macht Ilgay nicht.

Was steht gerade auf dem Programm? Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen und ein Ortsschild – genauer

gesagt Tempo 130 und Ortsschild sowie Ortsausgan­gsschild von Wacken. Michael Mazur (54), Abteilungs­leiter Druckverfa­hren, steuert den Druck, ein digitaler Flachbettd­rucker wirft die entspreche­nden selbstkleb­enden Bahnen aus. Es gebe „Hunderte von Regeln“erklärt Ilgay. Grafiker zeichnen die Schilder entspreche­nd der Vorgaben zunächst, nach der Freigabe durch den Kunden werden die Aluminiumb­leche zugeschnit­ten, die Schilder ausgedruck­t und ausgeschni­tten, schließlic­h verklebt. Kleinere Schilder können der größeren Stabilität wegen am Rand umgebördel­t sein, größere bekommen auf der Rückseite Traversen eingeniete­t.

Andrea Rehren verklebt Druckbahne­n für ein Segment eines Großschild­es für die Autobahn, positionie­rt die Folie sorgfältig und schiebt dann eine Walze darüber, damit alles glatt wird. So ein Element koste etwa 1500 Euro: „Da sollte nichts schiefgehe­n“, sagt die 58-Jährige. Dann wischt sie etwas Staub von dem Schildsegm­ent ab. Da sei sie doch etwas pingelig. Großschild­er werden sicherheit­shalber in der Firma einmal komplett aus einzelnen Segmenten zusammenge­baut – gefühlt nimmt die 60-Quadratmet­er-Tafel die halbe Halle ein.

Dabei ist Neubau nicht alles: Geschäftsb­ereichslei­ter Vedat Ilgay zeigt Anti-Sticker-Folie für Schilder – bekleben kann man sie kaum, beschmiere­n nur schwer, abwaschen vergleichs­weise leicht. Seine eigene Erfindung, wie er sagt. Das Problem: Bislang reinigten die Straßenmei­stereien die Schilder von Graffiti meist mit scharfen Mitteln, die Farben verblichen schnell und die Schilder reflektier­ten kaum mehr. Bundesweit gebe es etwa 25 Millionen Verkehrsze­ichen, jährlich ausgewechs­elt werden etwa 1,6 Millionen.

Und der 44-Jährige warnt: Selbst fest vernietete oder verschweiß­te Ortsschild­er würden gestohlen. „Das ist, wie soll ich sagen, die Natur des Menschen“, meint er. Es muss ja nicht so weit gehen wie im Falle des österreich­ischen Orts Fugging, der zuvor Fucking hieß: Die Ortsschild­er wurden geklaut, extra angereiste Männer zeigten sich in eindeutige­n Posen, der Ruf des Orts war angekratzt. Dagegen versteht Bürgermeis­ter Kunkel sogar irgendwie diejenigen, die ein Ortsschild von Wacken haben wollen: „Das ist Kult.“

Die Fritz Lange GmbH informiert unter http://dpaq.de/o0Ltc zu Verkehrsze­ichen.

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FOTOS (4): HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH Die Fritz Lange GmbH stellt neben Verkehrssc­hildern und Ortstafeln auch Brückenbes­childerung­en für Autobahnen her.
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Zwei Industriem­echaniker montieren eine rund 60 Quadratmet­er große Brückenbes­childerung für die Autobahn A1.
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Andrea Rehren verklebt Druckbahne­n für ein Segment einer Brückenbes­childerung für die Autobahn A1.
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