Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die Apotheke vor der Haustür
Auf Wiesen und an Feldwegen gibt es viele Pflanzen, die sich als Heilkräuter eignen
- Ob Insektenstich oder Hustenreiz: „Die Natur hat so viel zu bieten. Viele wissen gar nicht, wie viele Heilpflanzen und -kräuter direkt vor ihrer Nase wachsen und wie vielseitig diese eingesetzt werden können“, sagt Moritz Ott, stellvertretender Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbands im Landkreis Ravensburg. Wie zum Beispiel eine Heilpflanze, die sicherlich jeder schon einmal gesehen hat, sie aber vielleicht nicht mit Namen kennt: die Schafgarbe.
Die Blütenfarbe der meisten Arten ist weiß bis schwach gelblich, auch rosa Färbungen kommen vor. Schafe fressen die Heilpflanze gerne, daher ihr Name. Die Schafgarbe hat eine vielseitige Heilwirkung. „Die blühende Schafgarbe kann als BitterTonikum bei Verdauungsstörungen und Koliken eingesetzt werden“, erklärt Buchautorin und Kräuterexpertin Susanne Fischer-Rizzi. Die Schafgarbe sei früher eine der wichtigsten Wundheilungspflanzen gewesen. Ihre ätherischen Öle sollen zudem schleimlösend wirken.
Ebenfalls eine sehr vielseitig einsetzbare Heilpflanze ist der Spitzwegerich, auch Spießkraut, Lungenblattl oder Schlangenzunge genannt. Er gehört zur Familie der Wegerichgewächse.
„Der Spitzwegerich ist vielerorts zu finden. In Gärten, in kleinen Wiesen oder an Acker- und Feldrändern. Sammeln und ernten kann man ihn am besten von Anfang April bis Ende August“, erklärt Moritz Ott. Der Spitzwegerich sei zum Beispiel hilfreich bei kleinen Wunden, Insektenstichen oder bei Hautkontakt mit Brennnesseln. Die zerriebenen Blätter können auf die betroffene Hautpartie aufgetragen werden, dies wirke kühlend und schmerzlindernd. Der Spitzwegerich sei zudem reizmildernd und leicht hustenlösend, daher könne er gegen Katarrhe der Luftwege und bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum angewendet werden.
„Der wilde Thymian wächst auch in unserer Region und ist eigentlich recht leicht zu finden. Er blüht in etwa bis September und bevorzugt trockene, steinige und sonnige Standorte“, so Ott. Der wilde Thymian, auch Quendel oder Feldkümmel genannt, gehört zur Familie der Lippenblütler und ist ein immergrüner, bodenbedeckender Halbstrauch. Die Hauptanwendung des Thymians liege in der Linderung von Atemwegsbeschwerden. Er wirke unter anderem antibakteriell, entzündungshemmend, verdauungsanregend, hustenstillend und schleimlösend.
„Wichtig ist, dass immer nur Teile der Pflanze geerntet werden sollten, keinesfalls die ganze Pflanze mit Wurzel“, erläutert Moritz Ott nachdrücklich. In Naturschutzgebieten dürfe grundsätzlich nicht gesammelt werden, dies gelte für alle Pflanzen und Kräuter. „Ansonsten ist generell darauf zu achten, dass lediglich kleinere Mengen gesammelt werden, die nur dem Eigengebrauch dienen. Im Idealfall sieht man nach dem Ernten gar nicht, dass etwas gesammelt wurde“, so Ott.
In der Onlineveranstaltung „Die starken Wilden“im Rahmen der Initiative „Blühender Landkreis Ravensburg“geht Susanne Fischer-Rizzi, die zu den bekanntesten Heilpflanzenkennerinnen im deutschsprachigen Raum gehört, auf unterschiedliche Heilpflanzen ein. Der komplette Videomitschnitt ist in der Video-Mediathek auf www.bluehender-landkreis.org zu finden.
„Die Natur ist sehr wertvoll. Leider haben wir uns heutzutage meist von ihr entfernt, obwohl sie eine große Heilwirkung auf uns hat“, sagt Susanne Fischer-Rizzi. Sie erklärt zudem, dass das sogenannte „Waldbaden“, also das bewusste Erleben und Eintauchen in die Natur, in den Wald, als Therapie bei psychischen Störungen, Angstzuständen oder Depressionen eingesetzt werden könne. „Die Natur stabilisiert uns“, so die Fachfrau.
Und wie ist es um die Wälder im Landkreis bestellt? „Wir stellen eine positive Trendwende fest“, sagt Marijan Gogic, Forstamts-Leiter des
Landkreises Ravensburg. In den vergangenen 40 Jahren habe die Diversität an Baumarten im Landkreis deutlich zugenommen. „Man bewegt sich weg von homogenen Fichtenbeständen hin zum gemischten Wald mit unterschiedlichen Baumarten“, erläutert Gogic. Der Anteil der Fichten nehme in den letzten Jahren kontinuierlich ab. Es gebe mittlerweile wieder mehr Nadelhölzer wie Weißtanne, Lärche und Douglasie oder Laubbäume wie Eiche, Erle, Linde, Hainbuche, Berg- und Spitzahorn oder Birke.
Dies treffe sowohl auf öffentliche wie auch auf private Wälder zu. „Gemischte Wälder sind immer beständiger und weniger anfällig als Wälder mit homogenem Baumbestand“, so Gogic.
Es gebe jedoch auch Baumarten, die im Landkreis Ravensburg seltener werden. Bergulme und Feldulme leiden unter dem Ulmensterben. Auch die Eschen werden durch das Eschentriebsterben weniger.
Forstminister Peter Hauk teilte jüngst in einer Pressemitteilung der Landesforstverwaltung mit, dass die nachhaltige und pflegliche Bewirtschaftung der Wälder für die Walderhaltung im Land wichtig sei. Ein Projekt an der Forstlichen Versuchsund Forschungsanstalt Baden-Württemberg beschäftigt sich mit der Suche nach potenziellen Erntebeständen seltener Baumarten.
Ziel des Projekts sei die Erhaltung der Baumarten wie auch die Bereitstellung hochwertigen Pflanzguts für die Forstpraxis. Im Projekt werden qualitativ herausragende Bäume für die seltenen Baumarten gesucht. Diese werden über Saat oder Pfropfung vermehrt, damit Samenplantagen aufgebaut werden können.
So beispielsweise für die Baumart Flatterulme. Flatterulmen könnten dank ihrer Standortansprüche interessant für Flächen sein, auf denen bisher vor allem Eschen standen, die nun dem Eschentriebsterben zum Opfer gefallen sind.
„In unserer Region haben wir noch keine langjährige Erfahrung mit dem Anbau von Flatterulmen. Es ist noch ungewiss, ob die Flatterulme hier erfolgreich wachsen kann“, so Gogic. Die Zeit werde es zeigen.