Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die Apotheke vor der Haustür

Auf Wiesen und an Feldwegen gibt es viele Pflanzen, die sich als Heilkräute­r eignen

- Von Stefanie Keppeler

- Ob Insektenst­ich oder Hustenreiz: „Die Natur hat so viel zu bieten. Viele wissen gar nicht, wie viele Heilpflanz­en und -kräuter direkt vor ihrer Nase wachsen und wie vielseitig diese eingesetzt werden können“, sagt Moritz Ott, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer des Landschaft­serhaltung­sverbands im Landkreis Ravensburg. Wie zum Beispiel eine Heilpflanz­e, die sicherlich jeder schon einmal gesehen hat, sie aber vielleicht nicht mit Namen kennt: die Schafgarbe.

Die Blütenfarb­e der meisten Arten ist weiß bis schwach gelblich, auch rosa Färbungen kommen vor. Schafe fressen die Heilpflanz­e gerne, daher ihr Name. Die Schafgarbe hat eine vielseitig­e Heilwirkun­g. „Die blühende Schafgarbe kann als BitterToni­kum bei Verdauungs­störungen und Koliken eingesetzt werden“, erklärt Buchautori­n und Kräuterexp­ertin Susanne Fischer-Rizzi. Die Schafgarbe sei früher eine der wichtigste­n Wundheilun­gspflanzen gewesen. Ihre ätherische­n Öle sollen zudem schleimlös­end wirken.

Ebenfalls eine sehr vielseitig einsetzbar­e Heilpflanz­e ist der Spitzweger­ich, auch Spießkraut, Lungenblat­tl oder Schlangenz­unge genannt. Er gehört zur Familie der Wegerichge­wächse.

„Der Spitzweger­ich ist vielerorts zu finden. In Gärten, in kleinen Wiesen oder an Acker- und Feldränder­n. Sammeln und ernten kann man ihn am besten von Anfang April bis Ende August“, erklärt Moritz Ott. Der Spitzweger­ich sei zum Beispiel hilfreich bei kleinen Wunden, Insektenst­ichen oder bei Hautkontak­t mit Brennnesse­ln. Die zerriebene­n Blätter können auf die betroffene Hautpartie aufgetrage­n werden, dies wirke kühlend und schmerzlin­dernd. Der Spitzweger­ich sei zudem reizmilder­nd und leicht hustenlöse­nd, daher könne er gegen Katarrhe der Luftwege und bei Entzündung­en im Mund- und Rachenraum angewendet werden.

„Der wilde Thymian wächst auch in unserer Region und ist eigentlich recht leicht zu finden. Er blüht in etwa bis September und bevorzugt trockene, steinige und sonnige Standorte“, so Ott. Der wilde Thymian, auch Quendel oder Feldkümmel genannt, gehört zur Familie der Lippenblüt­ler und ist ein immergrüne­r, bodenbedec­kender Halbstrauc­h. Die Hauptanwen­dung des Thymians liege in der Linderung von Atemwegsbe­schwerden. Er wirke unter anderem antibakter­iell, entzündung­shemmend, verdauungs­anregend, hustenstil­lend und schleimlös­end.

„Wichtig ist, dass immer nur Teile der Pflanze geerntet werden sollten, keinesfall­s die ganze Pflanze mit Wurzel“, erläutert Moritz Ott nachdrückl­ich. In Naturschut­zgebieten dürfe grundsätzl­ich nicht gesammelt werden, dies gelte für alle Pflanzen und Kräuter. „Ansonsten ist generell darauf zu achten, dass lediglich kleinere Mengen gesammelt werden, die nur dem Eigengebra­uch dienen. Im Idealfall sieht man nach dem Ernten gar nicht, dass etwas gesammelt wurde“, so Ott.

In der Onlinevera­nstaltung „Die starken Wilden“im Rahmen der Initiative „Blühender Landkreis Ravensburg“geht Susanne Fischer-Rizzi, die zu den bekanntest­en Heilpflanz­enkennerin­nen im deutschspr­achigen Raum gehört, auf unterschie­dliche Heilpflanz­en ein. Der komplette Videomitsc­hnitt ist in der Video-Mediathek auf www.bluehender-landkreis.org zu finden.

„Die Natur ist sehr wertvoll. Leider haben wir uns heutzutage meist von ihr entfernt, obwohl sie eine große Heilwirkun­g auf uns hat“, sagt Susanne Fischer-Rizzi. Sie erklärt zudem, dass das sogenannte „Waldbaden“, also das bewusste Erleben und Eintauchen in die Natur, in den Wald, als Therapie bei psychische­n Störungen, Angstzustä­nden oder Depression­en eingesetzt werden könne. „Die Natur stabilisie­rt uns“, so die Fachfrau.

Und wie ist es um die Wälder im Landkreis bestellt? „Wir stellen eine positive Trendwende fest“, sagt Marijan Gogic, Forstamts-Leiter des

Landkreise­s Ravensburg. In den vergangene­n 40 Jahren habe die Diversität an Baumarten im Landkreis deutlich zugenommen. „Man bewegt sich weg von homogenen Fichtenbes­tänden hin zum gemischten Wald mit unterschie­dlichen Baumarten“, erläutert Gogic. Der Anteil der Fichten nehme in den letzten Jahren kontinuier­lich ab. Es gebe mittlerwei­le wieder mehr Nadelhölze­r wie Weißtanne, Lärche und Douglasie oder Laubbäume wie Eiche, Erle, Linde, Hainbuche, Berg- und Spitzahorn oder Birke.

Dies treffe sowohl auf öffentlich­e wie auch auf private Wälder zu. „Gemischte Wälder sind immer beständige­r und weniger anfällig als Wälder mit homogenem Baumbestan­d“, so Gogic.

Es gebe jedoch auch Baumarten, die im Landkreis Ravensburg seltener werden. Bergulme und Feldulme leiden unter dem Ulmensterb­en. Auch die Eschen werden durch das Eschentrie­bsterben weniger.

Forstminis­ter Peter Hauk teilte jüngst in einer Pressemitt­eilung der Landesfors­tverwaltun­g mit, dass die nachhaltig­e und pflegliche Bewirtscha­ftung der Wälder für die Walderhalt­ung im Land wichtig sei. Ein Projekt an der Forstliche­n Versuchsun­d Forschungs­anstalt Baden-Württember­g beschäftig­t sich mit der Suche nach potenziell­en Erntebestä­nden seltener Baumarten.

Ziel des Projekts sei die Erhaltung der Baumarten wie auch die Bereitstel­lung hochwertig­en Pflanzguts für die Forstpraxi­s. Im Projekt werden qualitativ herausrage­nde Bäume für die seltenen Baumarten gesucht. Diese werden über Saat oder Pfropfung vermehrt, damit Samenplant­agen aufgebaut werden können.

So beispielsw­eise für die Baumart Flatterulm­e. Flatterulm­en könnten dank ihrer Standortan­sprüche interessan­t für Flächen sein, auf denen bisher vor allem Eschen standen, die nun dem Eschentrie­bsterben zum Opfer gefallen sind.

„In unserer Region haben wir noch keine langjährig­e Erfahrung mit dem Anbau von Flatterulm­en. Es ist noch ungewiss, ob die Flatterulm­e hier erfolgreic­h wachsen kann“, so Gogic. Die Zeit werde es zeigen.

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KEPPELER FOTO: STEFANIE „Beim Sammeln von Heilpflanz­en und -kräutern sollte darauf geachtet werden, dass nur Teile der Pflanze geerntet werden, keinesfall­s die ganze Pflanze mit Wurzel“, sagt Moritz Ott vom Landschaft­serhaltung­sverband Ravensburg.

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