Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
EU will Krise abwenden
„Gemeinsam rein – gemeinsam raus.“Diese auch von der Bundesregierung oft wiederholte Nato-Formel bedeutet im Falle Afghanistans nichts anderes, als dass die Amerikaner abziehen und die Europäer folgen müssen. Denn außer Frage steht, dass die EU oder gar Deutschland schon militärisch-technisch nicht in der Lage wären, eine Mission wie die am Hindukusch ohne die USA zu führen. Ganz zu schweigen vom politischen Willen zu einem erneuten „sehr harten und langen Kampfeinsatz“, wie es Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) formulierte.
Und diese Konstellation wiederholte sich am Flughafen Kabul: Evakuiert wurde im Schutze der Drohnen, der Kampfflieger und der Aufklärung der USA. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat nun die Forderung aufgestellt, dass Europa zumindest künftig in der Lage sein müsse, ein Flughafenszenario wie in Kabul selbst zu stemmen. Es handele sich dabei um „eine langfristige Perspektive, an der Europa jetzt arbeiten muss“, fügte er hinzu. Genau mit diesem Ziel hat die EU vor 20 Jahren ihre gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschlossen – aber eine schlagkräftige EU-Truppe ist weiterhin nicht in Sicht.
„Afghanistan zeigt, wie schwach die EU außen- und sicherheitspolitisch immer noch ist“, kritisiert auch die Europa-Expertin der Grünen Franziska Brantner. Sie fordert daher eine „EU-Sicherheitsunion“und führt aus: „Statt immer mehr Geld in nationale militärische Parallelstrukturen zu leiten, wollen wir die verstärkte Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausbauen. Militärische Fähigkeiten müssten gebündelt und Lücken geschlossen werden sowie eine effizientere Beschaffung erreicht werden.
Aber diese europäische Militärkooperation gibt es doch schon?
Ja – aber mit überschaubarem Erfolg. Noch immer wird über den Großteil europäischer Rüstungsausgaben rein national entschieden, was zu Parallelstrukturen, Ineffizienz und Unvereinbarkeit der Systeme führt.
Ein nach langem und holprigem Anlauf positives Ergebnis der Zusammenarbeit ist der Lufttransporter A400. Jahrelang eines der großen Sorgenkinder der Bundeswehr (Verzögerungen, Mängel und Kostensteigerung), hat sich der Flieger spätestens mit der Luftbrücke zwischen Kabul und Taschkent bewährt.
Die nächsten Projekte sind bereits angeschoben, allerdings laufen auch sie alles andere als reibungslos. So haben Deutschland, Frankreich und Spanien erst am Dienstag mit weiteren Unterschriften das milliardenschwere Großprojekt NGWS/ FCAS vorangetrieben – eine neue Generation von Luftkampfsystemen. Das Programm trage „zur Aufrechterhaltung einer industriellen und technologischen Basis in Europa bei und hilft so, die europäische Souveränität zu stärken“, teilte das Verteidigungsministerium dazu mit. Die erste Flugdemonstration ist allerdings erst für 2027 vorgesehen.
Warum sind wir so abhängig von den Amerikanern?
Selbst engagierte Transatlantiker wie Norbert Röttgen (CDU) sehen die Abhängigkeit von den USA zunehmend kritisch. „Wir können nicht immer nur alles abnicken, was von den USA kommt“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses mit Blick auf den Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan. „Sondern wir müssen mit ihnen klar reden.“Dafür sei erforderlich, dass man ihnen Fähigkeiten anbieten könne. Womit erneut das Problem der Fähigkeitslücken auftaucht.
76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist die EU noch weit von jener „europäischen Autonomie“entfernt, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bereits vor vier Jahren in seiner Rede an der Pariser Universität Sorbonne angemahnt hat. Doch schon allein das schiere Ungleichgewicht der militärischen Kraft zwingt die Nato-Truppen dazu, sich dem stärksten Partner unterzuordnen. Die USA geben im laufenden Jahr mehr als 800 Milliarden Euro allein für Verteidigung aus – fast eineinhalbmal so viel, wie Deutschland für seinen gesamten Staatshaushalt eingeplant hat.
Warum dauert in Europas Außenpolitik immer alles so lange?
Es ist eine Tatsache, dass außenpolitische Entscheidungen sich in Europa immer lange hinziehen. Von der Entscheidung der Außenminister, wegen der Wahlfälschung und des Vorgehens gegen die Opposition Sanktionen gegen Belarus zu verhängen, dauerte es zum Beispiel Monate. Im Fall der Verurteilung Chi
Eine neue Flüchtlingskrise wie 2015 will die Europäische Union abwenden – und setzt dabei vor allem auf die Nachbarstaaten Afghanistans. Diese sollen Finanzhilfen zur Aufnahme von Flüchtlingen bekommen, wie die EU-Innenminister vereinbarten. Ab Donnerstag beraten die EU-Verteidigungs- und Außenminister über Lehren aus dem überstürzten Afghanistan-Abzug. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte nach dem Brüsseler Sondertreffen am Dienstag, die EU-Länder seien sich einig gewesen, dass „man einen neuen Flüchtlingsstrom vermeiden will“. Während des Bürgerkriegs in Syrien waren 2015 mehr als eine Million Menschen alleine nach Deutschland gekommen. Nach Seehofers Worten will die EU-Kommission ein sogenanntes ResettlementProgramm ausarbeiten, durch das „Personen, die besonders bedroht sind“, in der EU Schutz finden könnten. Die Vereinten Nationen rechnen bis Jahresende mit bis zu einer halben Million afghanischer Flüchtlinge. Die Bundesregierung geht von mehreren 10 000 Menschen aus, die nach Deutschland kommen könnten, wenn ein Weg zur Ausreise gefunden wird. (afp)
nas angesichts der Wahlrechtsreform in Hongkong scheiterte eine Verurteilung durch die EU gleich ganz.
Hintergrund ist die schwierige Abstimmung zwischen den 27 EUStaaten. Die EU-Verträge sehen vor, dass außenpolitische Entscheidungen stets einstimmig gefasst werden müssen. Das lähme Europas Außenpolitik, argumentiert der grüne Außenexperte Omid Nouripour. „Die europäische Einigkeit ist ein Pappkamerad.“Sie sei gar nicht immer nötig. Auch einzelne Länder könnten sich zusammenschließen – und die anderen später mitziehen. Bei großen Projekten der EU sei das oft so gewesen, sagt Nouripour. „Das müssen wir in der Außen- und Sicherheitspolitik auch machen.“