Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Das Pfeifen im Walde
Das Trauerspiel Wahlkampf geht in die Endphase – und tatsächlich liegt in den Umfragen die SPD vorn. Jene Partei, die noch vor ein paar Monaten in der Bedeutungslosigkeit zu versinken drohte. Bedanken können sich die Genossen bei den vormaligen Favoriten: Grüne und CDU haben jeweils auf die Falsche oder den Falschen gesetzt. Die Grünen versuchen, es zu retten, indem allerorten mehr Robert Habeck als Annalena Baerbock plakatiert wird. Diese Möglichkeit hat die Union nicht, da Markus Söder auf keinen Fall Teil eines Kabinetts von Armin Laschet sein wird.
Und so präsentiert der in der Beliebtheit fürchterlich abgestürzte CDU-Chef nun ein achtköpfiges Wahlkampfteam. Gute Leute, in puncto Diversität bestens ausgewählt. Laschet spricht von „Vielfalt in der Union“, Beliebigkeit träfe es besser. Das Bemühen, es allen recht machen zu wollen, ist offensichtlich. Doch von Laschet eine klare Linie zu erwarten, wäre wohl zu viel verlangt. So wirkt das Manöver wie das Pfeifen im Walde. Dass sich Wählerinnen und Wähler davon beeindrucken lassen, ist unwahrscheinlich.
Strategisch besser hat es die SPD gemacht. Jedoch ist die Lage dort exakt umgekehrt: Die Genossen haben den beim Wahlvolk am besten vermittelbaren Olaf Scholz auf den Schild gehoben. Jenen Mann, den die eher linke Basis nicht einmal als Parteichef wollte. Wer aber Scholz wählt, stimmt auch für die Vorsitzende Saskia Esken oder ihren auf keinen Fall ministrablen Vize Kevin Kühnert. So kann Scholz aufgrund eines Parteitagsbeschlusses nicht einmal öffentlich eine Koalition mit der Linken ausschließen – auch wenn dies seiner Überzeugung entspräche. Dass er in den Umfragen vorne liegt, ist Schwäche und Fehlern der anderen Bewerber geschuldet.
Was alle drei Kandidaten eint: Sie spielen nicht in der ersten Liga. Dies hat übrigens auch das wenig spannende erste TV-Triell gezeigt. Zwei dieser Fernsehdiskussionen wird es vor der Wahl noch geben. Eigentlich sollten sie ins Vorabendprogramm verlegt werden. Denn die drei Darsteller müssen allesamt erst noch beweisen, dass sie für eine Hauptrolle zur besten Sendezeit geeignet sind.