Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Der ultimative Showman
Am Sonntag wäre Queen-Sänger Freddie Mercury 75 Jahre alt geworden – Der Mythos lebt weiter
(KNA) - Ob er glaube, dass er in den Himmel kommen werde, fragt der Moderator. „Nein, das möchte ich nicht“, antwortet Freddie Mercury mit verschmitztem Lächeln. „Die Hölle ist viel besser. Denken Sie an die interessanten Menschen, die man dort unten treffen wird.“Bloß keine Langeweile – die galt dem Sänger stets als eine Art Krankheit. Vor seinem Tod 1991 soll er den Bandkollegen von Queen gesagt haben, sie könnten musikalisch tun, was sie wollen: „Aber macht mich bloß nicht langweilig.“
Wenn er seinen 75. Geburtstag an diesem Sonntag noch erlebt hätte, kann man sich den Musiker auch in diesem Alter nur so vorstellen: unkonventionell, unerschrocken, extravagant. Dabei war dieser Weg nicht abzusehen, als Farrokh Bulsara am 5. September 1946 als Sohn eines Beamten auf Sansibar geboren wurde. Seine Eltern waren praktizierende Zoroastrier; nach dem alten Ritus dieser Vorgängerreligion des Christentums sollte er später auch eingeäschert werden. Zunächst änderte er als Teenager seinen Vornamen in Freddie.
1964 floh die Familie vor den Unruhen der Revolution nach Großbritannien. Als Grafikdesign-Student lernte Freddie den Gitarristen Brian May und den Schlagzeuger Roger Taylor kennen. 1970 schlossen sie sich unter dem Namen Queen zusammen, ein Jahr später waren sie mit Bassist John Deacon komplett. In dieser Zeit änderte Freddie auch seinen Nachnamen:
Nach Aussagen von Wegbegleitern geht er auf den Götterboten Merkur zurück, und laut May schlüpfte Freddie damit endgültig in eine neue Haut: „Für die Öffentlichkeit wollte er ein Gott sein.“
Ein „Rock-Gott“– so ist Mercury heute vielen in Erinnerung. Dagegen erscheinen die Labels unpassend, die der Musik von Queen bisweilen angeheftet wurden – etwa „Glamrock“oder „Stadionrock“–, arbeiteten sie doch mit Elementen des Gospel, des Funk, der Oper. Wer nur die Hits wie „We Will Rock You“, „We Are The Champions“oder „Bohemian Rhapsody“im Ohr hat, dem entgehen zahlreiche Perlen.
Als „liebenswert jungenhaft“habe sie Mercury erlebt, schreibt seine Biografin Lesley-Ann Jones. Überhaupt berichten viele Zeitgenossen von dem Kontrast zwischen dem Entertainer, der mit seiner grandiosen Stimme, den flamboyanten Bühnenoutfits und der Fähigkeit, die Massen in seinen Bann zu ziehen, überlebensgroß schien – und jenem „Fred“, der im Alltag eher schüchtern gewesen sein soll und anfangs selten lächelte, weil er sich für seinen Überbiss schämte. Sein Idol Jimi Hendrix bewunderte er nicht nur für dessen Virtuosität an der Gitarre, sondern auch für die Bühnenpräsenz. „Er war, wie ich auch sein wollte“, sagte Mercury einmal.
So sollte es kommen. Zählt Hendrix zu den unsterblichen Legenden der 1960er-Jahre, so prägten Mercury und Queen die Siebziger und Achtziger – insbesondere als Liveband. Ihr Auftritt beim Live-Aid-Konzert 1985 zugunsten Afrikas gilt bis heute als einer der besten Gigs aller Zeiten.
Als schillernd nahmen den Frontmann manche auch wegen seiner Homosexualität wahr, aus der er kein Geheimnis machte. Zu seiner Zeit war dies alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Für ein Familienleben sah er sich nicht geschaffen. „Exzess liegt in meiner Natur“, sagte er einmal – und spielte damit nicht nur auf Bühnenshows an. Zu Politik und Religion äußerte er sich dagegen kaum. Sein später Lebensgefährte berichtet jedoch, dass Freddie manchmal im Bett lag und betete.
Es soll ein Wunsch des Sängers gewesen sein, nicht als „prominentes Aids-Opfer“in die Geschichte einzugehen – eine Herausforderung, zumal Aids als Krankheit erst kurz vor seiner Infektion bekannt geworden war. Am Tag vor seinem Tod machte er die Erkrankung öffentlich. „Werft einfach meine Überreste in den See, wenn es mal so weit ist“, soll er einmal gesagt haben. Am Genfersee, an den er damals dachte, steht heute ein riesiges Denkmal; wo sich Mercurys tatsächliche Ruhestätte befindet, ist unklar.
Die Erfolgsgeschichte seiner Band dauert an – dank deren Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern, dank einem Queen-Musical und zuletzt dem oscargekrönten Biopic „Bohemian Rhapsody“.
Langweilig war es bislang nie.