Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Mehr Vertrauen wagen und ruhig etwas verklären
Da war sie wieder, die nicht kleine Zahl der lauten Grantler. Ein unsouveräner Sieg (!) gegen Liechtenstein und schon kamen sie nörgelnd an die Oberfläche. Die Zeitung mit den vier Buchstaben analysierte das „Krampf-Debüt“und sah nur einen Musiala-Lichtblick. Da stellt sich die Frage: Was haben die Betrachter denn erwartet? Der „Messias“Hansi Flick taucht auf, wandelt an der Seitenlinie, deutet magisch mit seinen Fingern und schon schnurrt die Maschine wie zu besten Zeiten? Plötzlich findet jeder bisher verunsicherte Spieler genau den richtigen Weg, hat den Kopf klar, das System verinnerlicht und die Gegner werden reihenweise aus dem Stadion geschossen? Natürlich nicht. Das Spiel war das, was es war, ein Sieg in einer Partie, die eigentlich „kein Fußballspiel“(Kimmich) war, sondern ein durch den Gegner angelegtes Zerstörungsfest. Natürlich dürfte man als große Fußballnation einiges anders lösen, müsste bei 30 Torchancen mehr Zählbares auf dem Torkonto stehen, doch bleibt ein Sieg eben ein Sieg. Und es ist genau das, was vorerst vor allem zählt: Ergebnisse, um das unabdingbare Selbstvertrauen zu tanken. Zur Erinnerung: Drei (!) Tage hatte der Neubundestrainer seine Jungs vorher zusammen. Drei Tage, um Gespräche zu führen, kleine Stellschrauben zu drehen (Musiala hineinzuwerfen), um nun Stück für Stück langsam aus der Senke emporzusteigen, in die das DFB-Team in den vergangenen fünf Jahren abrutschte, in denen es sich immer weiter von der Weltspitze entfernte. Flick ist kein Wundertrainer, doch ein Menschenfänger, ein Sympathikus, ein In-den-Arm-Nehmer, Bessermacher und Spielerfreund. Er sollte die Zeit bekommen, die ihm selbst der ruhmreiche FC Bayern München zugestand, um die vorangegangene (vergleichsweise kleine) Rumpelphase zu überwinden. Als Fan und Beobachter heißt es nun weiter positiv in die Zukunft blicken, sich an Kleinigkeiten erfreuen und das Ergebnis gegen Liechtenstein verklärend als „ausreichend“und „abgezockt“umzudeuten. Denn die Ära Flick hat gerade erst begonnen.