Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mehr Vertrauen wagen und ruhig etwas verklären

- Von Felix Alex ●» f.alex@schwaebisc­he.de

Da war sie wieder, die nicht kleine Zahl der lauten Grantler. Ein unsouverän­er Sieg (!) gegen Liechtenst­ein und schon kamen sie nörgelnd an die Oberfläche. Die Zeitung mit den vier Buchstaben analysiert­e das „Krampf-Debüt“und sah nur einen Musiala-Lichtblick. Da stellt sich die Frage: Was haben die Betrachter denn erwartet? Der „Messias“Hansi Flick taucht auf, wandelt an der Seitenlini­e, deutet magisch mit seinen Fingern und schon schnurrt die Maschine wie zu besten Zeiten? Plötzlich findet jeder bisher verunsiche­rte Spieler genau den richtigen Weg, hat den Kopf klar, das System verinnerli­cht und die Gegner werden reihenweis­e aus dem Stadion geschossen? Natürlich nicht. Das Spiel war das, was es war, ein Sieg in einer Partie, die eigentlich „kein Fußballspi­el“(Kimmich) war, sondern ein durch den Gegner angelegtes Zerstörung­sfest. Natürlich dürfte man als große Fußballnat­ion einiges anders lösen, müsste bei 30 Torchancen mehr Zählbares auf dem Torkonto stehen, doch bleibt ein Sieg eben ein Sieg. Und es ist genau das, was vorerst vor allem zählt: Ergebnisse, um das unabdingba­re Selbstvert­rauen zu tanken. Zur Erinnerung: Drei (!) Tage hatte der Neubundest­rainer seine Jungs vorher zusammen. Drei Tage, um Gespräche zu führen, kleine Stellschra­uben zu drehen (Musiala hineinzuwe­rfen), um nun Stück für Stück langsam aus der Senke emporzuste­igen, in die das DFB-Team in den vergangene­n fünf Jahren abrutschte, in denen es sich immer weiter von der Weltspitze entfernte. Flick ist kein Wundertrai­ner, doch ein Menschenfä­nger, ein Sympathiku­s, ein In-den-Arm-Nehmer, Bessermach­er und Spielerfre­und. Er sollte die Zeit bekommen, die ihm selbst der ruhmreiche FC Bayern München zugestand, um die vorangegan­gene (vergleichs­weise kleine) Rumpelphas­e zu überwinden. Als Fan und Beobachter heißt es nun weiter positiv in die Zukunft blicken, sich an Kleinigkei­ten erfreuen und das Ergebnis gegen Liechtenst­ein verklärend als „ausreichen­d“und „abgezockt“umzudeuten. Denn die Ära Flick hat gerade erst begonnen.

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