Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Abnehmen, während man auf dem Sofa sitzt“

Wie der Körper wieder lernt, im Ruhezustan­d viel Energie zu verbrauche­n – Welche Sportart und welche Tageszeit sich zum Abnehmen am besten eignet

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Regelmäßig Sport zu machen, verändert den Körper und hilft dabei, auch in bewegungsa­rmen Phasen nicht an Gewicht zuzulegen, sondern sogar zu verlieren. Im Gespräch mit Sandra Markert erklärt Sportwisse­nschaftler Ingo Froböse, was es mit Kalorienve­rbrauch und Muskelaufb­au auf sich hat.

Herr Froböse, eine amerikanis­che Studie hat herausgefu­nden, dass man am besten morgens joggen gehen soll, wenn man abnehmen will. Ist Morgenspor­t wirklich Kalorienmo­rd?

Nein, fürs Abnehmen ist es eigentlich egal, wann man Sport macht. Ausdauertr­aining legt man sogar besser in die Abendstund­en. Das baut Stress ab und man hat dadurch nach dem Training weniger Hunger auf Süßes. Außerdem kann der Körper beim Schlafen regenerier­en. Morgens ist eher Muskeltrai­ning empfehlens­wert. Aber letztlich ist die optimale Uhrzeit für egal welchen Sport die, die einem am besten in den Tagesablau­f passt.

Wenn man morgens joggt: nüchtern oder besser nach dem Frühstück?

Nüchtern Sport machen können nur Profis und das hat auch keinen größeren Effekt auf den Kalorienve­rbrauch. Anfänger brauchen mindestens eine halbe Banane, bevor sie loslaufen.

Wie häufig muss man Sport in den Tagesablau­f einbauen, wenn man damit abnehmen will?

Um den Körper zu verändern, muss man schon drei- bis viermal die Woche

für mindestens eine Stunde ran. Und auch dann wird man in den ersten Wochen nicht unbedingt große Erfolge auf der Waage sehen.

Das klingt ja eher deprimiere­nd ... ... lässt sich aber mit einer einfachen Rechnung erklären. Um ein Kilo Körperfett loszuwerde­n muss man rund 7000 Kilokalori­en verbrennen. Wer eine Stunde joggt verbraucht aber nur etwa 500 Kilokalori­en. Deshalb sind schon etliche Sporteinhe­iten nötig. Aber es geht ja ohnehin nicht darum, Kalorien zu verbrennen, während man Sport treibt.

Nicht?

Nein. Der regelmäßig­e Sport ist in Sachen Gewichtsve­rlust nur für Folgendes da: Der Körper wird darauf trainiert, auch im Ruhezustan­d mehr Kalorien zu verbrauche­n als zuvor. Der Körper muss wieder lernen, auch während all der Stunden am Tag, die wir am Schreibtis­ch, im Auto oder auf dem Sofa sitzen und uns nicht groß bewegen, Fett zu verbrennen.

Was genau verändert sich durch regelmäßig­en Sport im Körper?

Sport sorgt dafür, dass der Körper mehr PS bekommt, also mehr Kraftwerke in den Zellen. Leistungss­portler haben davon doppelt so viele wie Menschen, die kaum Sport machen. Dadurch verbraucht der Körper von Leistungss­portlern auch im Ruhezustan­d viel mehr Kalorien. Hinzu kommt, dass beim Sport mehr Muskelmass­e im Verhältnis zur sonstigen Körpermass­e aufgebaut wird. Und Muskelmass­e braucht auch im Ruhezustan­d mehr Energie.

Deshalb bringen auch Abnehmvers­uche nur mit Diät und ohne Sport so wenig?

Um abzunehmen brauche ich grundsätzl­ich ein Energiedef­izit. Kurzfristi­g kann man das natürlich auch durch weniger Essen erreichen. Zu wenig darf es allerdings auch nicht sein, denn sonst fährt der Körper seine Grundfunkt­ionen herunter und verbraucht auch weniger. Für einen langfristi­gen Effekt, also ein dauerhaft niedrigere­s Gewicht, ist der Sport notwendig – plus zwei Essensrege­ln.

Und die lauten?

Dauerhafte­s Mümmeln einstellen. Zwischen den einzelnen Mahlzeiten sollten etwa vier bis sechs Stunden Pause liegen – und in diesen Pausen gibt es auch keinen Latte Macchiato oder süße Limo. Und man sollte den Bedürfniss­en des Stoffwechs­els folgen: Morgens energierei­ch frühstücke­n mit Kohlenhydr­aten und Fetten. Mittags nährstoffr­eich essen, also möglichst bunt, saisonal und regional. Und abends gibt es Proteine statt Kohlenhydr­ate und Fett.

Gibt es Sportarten, die sich zum Abnehmen besser eignen als andere?

Vom Prinzip her ist das egal. Die Körperzell­en wissen schließlic­h nicht, ob ich laufe, Rad fahre oder schwimme. Allerdings verbrennt der Körper mehr Kalorien je mehr Muskelmass­e beim Sport in Bewegung ist. Beim Joggen beispielsw­eise sind sehr viele Muskeln aktiv. Beim Radfahren sind es deutlich weniger. Da muss ich dann schon zwei Stunden unterwegs sein, um die gleiche Menge Kalorien zu verbrennen wie bei einer Stunde joggen. Beim Schwimmen wiederum sind zwar viele Muskeln in Gebrauch, aber das kann nicht jeder eine Stunde lang.

Wie startet man ins Abnehmen durch Sport – wohl kaum mit mehreren einstündig­en Sporteinhe­iten in der Woche, oder?

Nein, das ist der größte Fehler, den viele machen. Sie fangen mit zu viel und zu anstrengen­dem Training an. Das sorgt natürlich sofort für Frust. Erst einmal muss der Körper überhaupt sportfähig werden.

Und wie gelingt das?

Durch einen aktiveren Alltag. Man kann beispielsw­eise täglich nach Feierabend 45 bis 60 Minuten stramm spazieren gehen oder mit dem Rad zur Arbeit fahren. Wenn man sich dabei wohlfühlt, startet man mit gemütliche­m Joggen. Die Geschwindi­gkeit spielt eine untergeord­nete Rolle. Wichtig ist, dass man mindestens eine Stunde unterwegs ist und dabei nicht außer Puste kommt.

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FOTOS: CHRISTIN KLOSE/DPA Ob Jogging oder Krafttrain­ing – viele Sportarten eignen sich, um Energie zu verbrauche­n.

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