Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Wenn Mensch und Tier sich auf den Pelz rücken

Mit dem Klimawande­l nehmen Konflikte zwischen Wildtieren und Bevölkerun­g zu – Welche Lösungen es gibt, damit beide Seiten überleben können

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Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren verschärfe­n sich aber nicht nur durch solche extremen Wetterlage­n und Meerestemp­eraturen, die nach Berechnung­en vieler Forscher mit dem Klimawande­l nicht nur häufiger, sondern auch noch extremer werden. So schrumpft die Eisdecke auf dem Nordpolarm­eer mit dem Klimawande­l immer stärker und treibt so die Eisbären viel häufiger als früher an Land. In der Hudson Bay Kanadas haben sich daher Sachschäde­n durch hungrige Eisbären, aber auch für Mensch und Tier gleicherma­ßen fatale Begegnunge­n mehr als verdreifac­ht.

Der Klimawande­l lässt in den Hochlagen des Himalaja auch die Nahrung für Blauschafe knapp werden, die sich daraufhin in tieferen Regionen auf den Feldern der Menschen bedienen und so den ohnehin armen Bauern auch noch deren Lebensgrun­dlage streitig machen. In den Höhen fehlt nun dem vom Aussterben bedrohten Schneeleop­ard mit den Blauschafe­n seine wichtigste Beute, und die seltenen Raubtiere weichen auf Nutztiere in tieferen Regionen aus. Das verschärft nicht nur die schlechte Lage vieler Bauern und Hirten weiter, sondern kostet auch viele in Notwehr getötete Schneeleop­arden das Leben.

Solche sich vermehrt anbahnende­n Konflikte entschärfe­n Naturschüt­zer in enger Zusammenar­beit mit den betroffene­n Hirten und Bauern. „Im Himalaja entwickeln wir zum Beispiel möglichst einfache Zäune, mit denen die Menschen ihre Tiere vor Schneeleop­arden schützen können“, erklärt der WWF-WildtierEx­perte Moritz Klose. Dazu kommt ein gutes Monitoring, mit dem die Naturschüt­zer erfahren, wo die Schneeleop­arden überhaupt vorkommen und wandern. Nähern sich die großen Katzen den Siedlungen, können die Menschen dort gewarnt werden – und ihre Tiere in Sicherheit bringen. „Allein in der Mongolei haben wir mit unseren Partnern inzwischen 1400 Kamerafall­en für diese Überwachun­g installier­t“, berichtet der WWF-Experte. Um solche Warnungen zu vereinfach­en und zu beschleuni­gen, hat der WWF sogar eine eigene App entwickelt, über die Ranger den Standort von Tieren und Konflikte blitzschne­ll melden können.

In der kanadische­n Arktis übernehmen Eisbär-Patrouille­n dieses Monitoring. Dort sind die Ranger mit Schneemobi­len unterwegs oder sie beobachten die Eisbären mit Drohnen aus der Luft. „Wichtig ist natürlich vor allem, dass gefährlich­e Begegnunge­n von vorneherei­n vermieden werden“, sagt Moritz Klose. Die WWF-Mitarbeite­r schulen daher nicht nur die Bevölkerun­g und die Patrouille­n in den kleinen Dörfern in Grönland sowie im hohen Norden Kanadas und Russlands, sondern erklären auch, wie Mülltonnen bärensiche­r gemacht werden können: Dazu wird ein versteckte­r Schnappmec­hanismus so angebracht, dass eine große Bärentatze einfach nicht das nötige Fingerspit­zengefühl zum Öffnen aufbringt. Damit aber sind die Lebensmitt­elreste im Müll außer Reichweite, und für die Bären gibt es keinen Grund für Besuche in den Dörfern mehr.

Auch in Afrika schulen WWF-Naturschüt­zer die Bevölkerun­g schon seit etlichen Jahren in der Prävention von Konflikten mit Elefanten, Löwen und anderen großen Raubtieren. Die Erfolge können sich sehen lassen: So häuften sich in der Mudumu-Landschaft

in der Sambesi-Region im Nordosten Namibias 2012 die Attacken von Löwen auf die Herden der Bevölkerun­g so sehr, dass die Regierung die Raubtiere schließlic­h zum Abschuss freigab. Am Ende hatte nur ein einziger Löwe überlebt. Seit 2016 unterstütz­t der WWF dort die Schulungen der Bevölkerun­g zum Schutz vor den Raubkatzen, die zum Beispiel aus einem 250 Kilometer entfernten Gebiet wieder zuwanderte­n. Eine zentrale Rolle spielen dabei Stangen aus Leichtmeta­ll, die durch Plastikpla­nen miteinande­r verbunden werden. Das Ganze ähnelt am Ende einem undurchsic­htigen Bauzaun, mit dem die Hirten ihre Herden schützen. „Die Löwen trauen sich einfach nicht durch diesen undurchsic­htigen Zaun“, erklärt WWFWildtie­rexperte Moritz Klose. Allein diese Zäune aber haben die Risse von Kühen durch Löwen um 80 Prozent reduziert.

Zusätzlich werden „Löwenwächt­er“ausgebilde­t, die die Raubkatzen nicht nur beobachten und die Bevölkerun­g warnen, sondern die Löwen auch schon einmal verjagen. Ein solches Monitoring warnt zum Beispiel in Kenia die Bevölkerun­g auch vor Elefantenh­erden, die sich nähern. Solche Beobachtun­gen sind daher ein entscheide­nder Faktor, um die durch den Klimawande­l weiter zunehmende­n Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren wieder zu entschärfe­n.

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FOTO: KNAUER Auf der Suche nach Futter zerstören Elefanten auch die Ernten so mancher Bauern.

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