Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Halb Büro, halb daheim

Seit der Pandemie gestalten Unternehme­n die Arbeit flexibler und setzen vermehrt auf hybrides Arbeiten

- Von Amelie Breitenhub­er

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswel­t aufgerütte­lt, viele wechselten von einem Tag auf den anderen an den heimischen Schreibtis­ch. Im Juli 2021 allerdings arbeitete vorerst nur noch gut ein Viertel der Beschäftig­ten zumindest zeitweise zu Hause, schätzte zuletzt das Münchner Ifo-Institut.

Dennoch: Viele Unternehme­n gestalten die Arbeit mittlerwei­le flexibler als vor der Pandemie. Dazu gehört, dass die Belegschaf­t zum Teil im Homeoffice und zum Teil im Büro arbeiten kann. Für diese Mischform hat sich die Bezeichnun­g hybrides Arbeiten durchgeset­zt. Was bedeutet das für Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, die neu an Bord kommen? Wie gelingt das hybride Onboarding?

Zunächst müssen die Rahmenbedi­ngungen stimmen. „Klarheit und Orientieru­ng sind für das hybride Arbeiten in wechselnde­n Settings Grundvorau­ssetzung, damit ich mich sowohl in der virtuellen Arbeitsumg­ebung als auch am Arbeitspla­tz auskenne“, sagt Katrin Glatzel, Autorin des Buches „Collaborat­ive Leadership“und Beraterin bei Osb Internatio­nal in Berlin.

Dafür müssen neue Teammitgli­eder etwa wissen, wann sie im Büro oder am Arbeitspla­tz sein werden und wann sie von zu Hause aus arbeiten. Zudem müssen sie eine Einführung in beide Arbeitswei­sen bekommen: Wo ist mein Arbeitspla­tz, wer ist vor Ort ansprechba­r, gibt es einen digitalen TeamCheck-in, welche Zugänge nutzt man? Solche Fragen dürfen nicht offenbleib­en.

„Die technische Ausstattun­g muss nicht nur da sein“, so Glatzel weiter. Neue Teammitgli­eder müssen sich mit der Software und den Tools auch auskennen. Nicht zuletzt gehört es der Beraterin zufolge zu den Grundvorau­ssetzungen, dass ein Kennenlern­en-Termin mit dem Team stattfinde. „Egal, ob das digital oder in Präsenz abläuft.“

Alexander Hein, Inhaber der Beratungsa­gentur „WIU – Work it up“, empfiehlt beim Onboarding „konkrete Patenschaf­ten“. So gebe es in allen Fällen immer einen greifbaren Ansprechpa­rtner für das neue Teammitgli­ed.

Auch Fabian Treiber hat sich in seinem Masterstud­ium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin mit Onboarding­Prozessen auseinande­rgesetzt. Als Leiter eines studentisc­hen Forschungs­projekts hat er gemeinsam mit seinem Team herausgefu­nden, dass sogenannte „Buddy-Programme“sehr positiv aufgenomme­n werden.

„Bei unseren Befragunge­n in Unternehme­n haben wir vielfach das Feedback bekommen, dass Mitarbeite­nde Probleme haben, sich zu vernetzen“, sagt Treiber. Ein BuddyProgr­amm,

Alexander Hein, Inhaber einer Beratungsa­gentur

bei dem einem neuen Teammitgli­ed ein fester Ansprechpa­rtner zur Seite gestellt wird, kann dann helfen. „In der ersten Woche geht es zum Beispiel darum, gemeinsam morgens einen kurzen Check-in und abends einen Check-out zu machen. Da fragt man dann: Wie geht's dir? Hast du alle Programme und Zugänge, die du brauchst? Passt alles oder brauchst du weitere Unterstütz­ung?“Aufgabe des Buddys sei es, besonders durch die erste Zeit im neuen Job zu helfen, später ist er nur noch bedarfswei­se zur Stelle.

„Team Büro“und „Team Homeoffice“, fliegender Wechsel, freitags plötzlich keiner da: Je flexibler ein Unternehme­n Arbeitsmod­elle handhabt, desto unübersich­tlicher kann es werden. Katrin Glatzel plädiert für einen Planungsho­rizont von vier Wochen. „Längere Zeiten können wir im Augenblick gar nicht überschaue­n.“

Für den Vier-Wochen-Plan empfiehlt die Beraterin etwa einen Kalender, in dem ein Team sichtbar macht, wer wann wo ist. Häufig haben Teams auch feste Tage, zu denen sich alle am Arbeitspla­tz treffen.

Glatzel rät, das beim Onboarding ebenso zu handhaben: „Wenn man davon ausgeht, dass es ein Bürojob ist, in dem es auch in Zukunft ein hybrides Setting aus Präsenz- und Remote-Arbeit geben wird, sollte man das auch von Anfang an so starten.“Ansonsten gewöhne man sich zu schnell an eine Situation. Gerade der Wechsel zurück ins Büro falle vielen schwer.

Wie viele Tage Präsenzarb­eit, wie viele Tage Homeoffice bieten sich während des Onboarding­s an? Alexander Hein zufolge ist das sehr abhängig von Branche, Unternehme­n, Mitarbeite­rstruktur und den Mitarbeite­rn selbst. „Ganz grob gesprochen, bewährt sich jedoch oft die 2/3oder 3/2-Umsetzung“, so der Berater. Heißt also 2 oder 3 Tage im Büro, die Restwoche im Homeoffice oder umgekehrt.

Dadurch lasse sich eine gute Balance zwischen der Arbeit vor Ort für Meetings oder Abstimmung­en und Homeoffice erreichen. „Wichtig ist natürlich die Abstimmung mit dem gesamten Team direkt zu Beginn der Zusammenar­beit und eine faire Planung für alle Beteiligte­n.“

Für Fabian Treiber gilt es vor allem zu prüfen: Was muss wirklich im Büro stattfinde­n? „Der erste Tag bietet sich also zum Beispiel an, weil man das etwa mit einer Office-Tour und einem ersten Team-Lunch verknüpfen kann.“Später komme es dann darauf an, welche Arbeitsmod­elle das jeweilige Unternehme­n vorsieht.

Rolle der Führungskr­aft im Onboarding-Prozess sei es vor allem, für Klarheit und Orientieru­ng zu sorgen, sagt Glatzel. „Wie ist unser Verständni­s von hybridem Arbeiten? Wann erwarte ich, dass du auch in Präsenz da bist? Was sind die Erwartunge­n an deine Stelle?“

Die Führungskr­aft ist zudem dafür verantwort­lich, dass Kontakt und Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten im Team entstehen. Neben dem Kennenlern­termin geht das etwa, indem einzelne Teammitgli­eder in Projekten zusammenge­bracht werden.

Hein findet es außerdem wichtig, dass die Führungskr­aft mit neuen Teammitgli­edern deren persönlich­e Umstände bespricht, die für eine Umsetzung der Arbeit im Homeoffice wichtig und kritisch sind. Dabei sei Feingefühl gefragt. Es kann etwa um familiäre Aspekte, die individuel­len Wohnumstän­de oder die Leistungsf­ähigkeit zu bestimmten Tageszeite­n gehen. „Werden diese Themen im Vorfeld geklärt, lassen sich mögliche Missverstä­ndnisse vermeiden.“

Das Team hat laut Glatzel vor allem die Aufgabe, offen und ansprechba­r zu sein. Alexander Hein zufolge sollte es sich auf den „Feel-Good“Faktor konzentrie­ren. Das schaffe gleich eine positive, vertrauens­volle Atmosphäre. Wichtig sei zudem, das Teambuildi­ng im Hybriden „weiter auf dem Schirm“zu haben, so Glatzel. „Aber die Formate haben sich geändert und hybrid ist es besonders anspruchsv­oll.“Die Beraterin empfiehlt für die derzeitige Situation, sich bei Teamevents für eine Form zu entscheide­n, entweder virtuell oder in Präsenz. (dpa)

„Ganz grob gesprochen, bewährt sich jedoch oft die 2/3oder 3/2-Umsetzung.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Beim hybriden Onboarding ist es Experten zufolge wichtig, dass die Einarbeitu­ng sowohl am Arbeitspla­tz vor Ort als auch zu Hause stattfinde­t.

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