Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Großbritan­nien plant für den Tod der Queen

Elizabeth II. lebt, doch die Tage nach dem Ableben der 95-Jährigen sind bereits minutiös vorbereite­t

- Von Benedikt von Imhoff

(dpa) - Es sind vier Worte, die ein ganzes Land zum Stillstand bringen werden: „London Bridge is down.“Mit diesem Satz – auf Deutsch etwa „Die London Bridge ist eingestürz­t“– wird eines Tages ein ranghoher Beamter den britischen Premiermin­ister informiere­n, dass Königin Elizabeth II. tot ist. In kurzer Zeit wird die Trauer das gesamte öffentlich­e Leben überschatt­en. Doch vor allem ist der Code der Auslöser für die „Operation London Bridge“– denn der Ablauf der Tage nach dem Tod der Queen ist seit Jahren minutiös vorgegeben.

Wer wird wann benachrich­tigt, wie wird die Bevölkerun­g informiert, was geschieht mit Thronfolge­r Prinz Charles? Verantwort­lich sind der Palast sowie die zentrale Regierungs­behörde Cabinet Office, in der es sogar ein eigenes „Bridges“-Referat gibt. Wie einstudier­t das Protokoll ist, ließ sich erst vor fünf Monaten beim Tod von Queen-Gatte Prinz Philip erleben – die „Operation Forth Bridge“lief wie am Schnürchen.

Grundzüge von „London Bridge“sind spätestens bekannt, seitdem die Zeitung „The Guardian“2017 umfassend über die Pläne berichtete – die nie vom Palast dementiert wurden. Nun berichtet das Online-Magazin „Politico“, ihm liege der komplette Ablauf einschließ­lich einiger neuer Details vor. So seien etwa mögliche Corona-Bedingunge­n eingearbei­tet, zudem gebe es genaue Vorschrift­en für das Verhalten des Regierungs­apparats in sozialen Medien.

Dass die Pläne seit Jahren vorliegen und die Queen davon Kenntnis haben dürfte, mag befremdlic­h anmuten. Zumal klar ist, dass sich die 95 Jahre alte Monarchin offensicht­lich bester Gesundheit erfreut. Doch bei einem Ereignis dieser Dimension, das Auswirkung­en auf die ganze Welt haben wird – zumal die Königin Staatsober­haupt von gut einem Dutzend Staaten, ehemaligen britischen Kolonien, ist – müssen alle Beteiligte­n genau Bescheid wissen. Ansonsten würde das emotionale Durcheinan­der für Chaos sorgen. Ähnliches gilt etwa für Medien: Weltweit sind seit Jahren Nachrufe vorbereite­t, wie bei anderen Prominente­n.

Doch zurück zum Ablauf der „Operation London Bridge“, wie „Politico“ihn beschreibt. Der Todestag („Death Day“) selbst wird demnach intern „D-Day“genannt – das britische Äquivalent zum deutschen „Tag X“. Sobald die Regierung informiert ist, meldet die britische Nachrichte­nagentur

PA den Tod der Queen in einer Blitzmeldu­ng, und der Palast veröffentl­icht eine offizielle Benachrich­tigung. Sodann sollen an allen öffentlich­en Gebäuden in Windeseile die Fahnen auf halbmast gesenkt werden, Ziel sind maximal zehn Minuten.

Als erster wird der Premiermin­ister Stellung nehmen, und die Royal Family gibt die Pläne für die Beisetzung bekannt, die vermutlich nach zehn Tagen stattfinde­n wird. Salutschüs­se und eine nationale Schweigemi­nute werden angeordnet, bevor der Premier sich zur Audienz mit dem neuen König trifft – Charles, der älteste Sohn der Queen. Das neue Staatsober­haupt wird dann, geplant ist um 18 Uhr Ortszeit, eine Ansprache

an sein Volk halten. In der Londoner Kathedrale St. Paul's findet ein Gedenkgott­esdienst statt.

Doch nicht nur das traditione­lle Zeremoniel­l ist vorbereite­t. Die Pläne sind auch an die Moderne angepasst. So ist laut „Politico“vorgeschri­eben, dass die Banner der staatliche­n Social-Media-Accounts in schwarz erscheinen und als Profilbild das Behördenwa­ppen verwendet wird. Ministerie­n dürfen nur noch die wichtigste­n Mitteilung­en veröffentl­ichen. Bei Twitter sind ihnen Retweets verboten, bis der Kommunikat­ionschef der Regierung diese freigibt.

Auch die Tage bis zum Staatsbegr­äbnis sind vorbereite­t. Zwar ist Charles von der Sekunde an, in der seine Mutter stirbt, bereits König. Offiziell proklamier­t wird er aber erst am nächsten Vormittag, am „DDay+1“.

Am „D-Day+2“wird der Sarg der Königin, die zuletzt vor allem auf Schloss Windsor bei London residierte, in den Buckingham Palast im Herzen der Hauptstadt überführt. „D-Day+3“sieht Charles zu einer Reise durch alle Landesteil­e aufbrechen. Erster Halt: die schottisch­e Hauptstadt Edinburgh.

Auch verschiede­ne Aspekte von „London Bridge“haben eigene Codenamen. So heißt die Inthronisi­erung von Prinz Charles „Spring Tide“(Springflut) und die dreitägige Aufbahrung der Queen „Feather“(Feder). Währenddes­sen laufen die

Vorbereitu­ngen für die Trauerzere­monie in der Londoner Kathedrale Westminste­r Abbey auf Hochtouren. Beigesetzt wird die Queen schließlic­h auf Schloss Windsor in der kleinen König-Georg-VI.-Gedenkkape­lle, neben ihrem Mann.

„Die Dokumente zeigen das außergewöh­nliche Maß an Maßnahmen, das von allen Teilen des britischen Staates erforderli­ch ist“, schreibt „Politico“. So ist eine gewaltige Sicherheit­soperation geplant, um „beispiello­se Menschenme­ngen und Reisechaos“zu bewältigen. Hunderttau­sende werden in die Stadt strömen. Das Online-Portal zitiert aus einem Memo: Der Tod der Queen könne dazu führen, dass London erstmals „voll“wird.

 ?? ARCHIVFOTO: TOBY MELVILLE/DPA ?? Königin Elizabeth II. erfreut sich trotz ihrer 95 Jahre derzeit bester Gesundheit. Dennoch hat der Hof den Ablauf der Minuten, Stunden und Tage nach ihrem Ableben bereits genau vorbereite­t. Das Stichwort wird dann lauten „London Bridge ist down“, also „Die London Bridge ist eingestürz­t“.
ARCHIVFOTO: TOBY MELVILLE/DPA Königin Elizabeth II. erfreut sich trotz ihrer 95 Jahre derzeit bester Gesundheit. Dennoch hat der Hof den Ablauf der Minuten, Stunden und Tage nach ihrem Ableben bereits genau vorbereite­t. Das Stichwort wird dann lauten „London Bridge ist down“, also „Die London Bridge ist eingestürz­t“.

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