Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Rad fahren, Steuern sparen

10 000 Landesbeam­te nutzen das Programm „JobBike BW“– FDP und Verdi skeptisch

- Von Ulrich Mendelin

- Rad fahren boomt – auch bei Landesbeam­ten und Richtern. Für diese Berufsgrup­pen gibt es seit Oktober vergangene­n Jahres ein zusätzlich­es Angebot. Sie können über das Pogramm „JobBike BW“ein Rad leasen, nach drei Jahren sollen sie es kaufen können. Rund 9200 Personen haben das Angebot der Landesregi­erung inzwischen angenommen. Gewerkscha­fter warnen: Oft rechnet sich das Angebot nicht. Die FDP wirft dem Verkehrsmi­nisterium Intranspar­enz vor.

Lehrer, Polizisten, Richter – das Programm JobBike, mit dem ein klimafreun­dlicher und gesundheit­sfördernde­r Weg zur Arbeit unterstütz­t werden soll, richtet sich an 170 000 Personen im Südwesten und funktionie­rt ähnlich wie bei vielen Privatfirm­en, die solche Programme ebenfalls anbieten. Interessen­ten stellen über das Kundenport­al des Landesamte­s für Besoldung und Versorgung (LBV) einen Antrag. Den Leasingver­trag schließen sie mit der Freiburger JobRad GmbH als Dienstleis­ter des Landes, das Rad suchen sie beim Vertragshä­ndler vor Ort aus. 36 Monate lang wird die Leasingrat­e vom Bruttogeha­lt abgezogen – dies wird als Entgeltumw­andlung bezeichnet. Dadurch vermindert sich das zu versteuern­de Einkommen. Nach Ablauf des Leasingver­trags kann die JobRad GmbH den Leasing-Nehmern ein Kaufangebo­t unterbreit­en. Einen Anspruch darauf haben diese aber nicht. Das Programm umfasst auch Tourenräde­r, Rennräder, Lastenräde­r, Mountainbi­kes und E-Bikes.

Letztere sind besonders beliebt. Knapp 9200 Räder sind nach Angaben aus dem Verkehrsmi­nisterium über das JobBike-Programm bislang finanziert worden. 80 Prozent haben einen E-Antrieb, wie aus der Antwort des Ministeriu­ms auf eine Anfrage der FDP hervorgeht. Der durchschni­ttliche Preis pro Rad beträgt demnach 3560 Euro.

Für Verkehrsmi­nister Hermann ist das Programm schon jetzt ein Erfolg. „Ich freue mich, dass jetzt bald 10 000 Menschen die Möglichkei­t des JobBike wahrgenomm­en haben“, sagt der Grünen-Politiker der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Bis spätestens zum Ende der laufenden Legislatur­periode wollen wir die Zahl verdoppeln.“

Die Gewerkscha­ft Verdi ist von dem Modell nicht überzeugt. „Das lohnt sich nur in den oberen Gehaltskla­ssen“, kritisiert die stellvertr­etende Verdi-Landesbezi­rksleiteri­n Hanna

Binder. „Die können sich ein Fahrrad aber eigentlich auch selbst finanziere­n.“Der Grund dafür liege in der progressiv­en Einkommens­teuer. Die Steuerersp­arnis schlage um so stärker zu Buche, je höher das Brutto-Gehalt sei, von dem die Leasingrat­en abgezogen werden. Auch die Lehrergewe­rkschaft GEW warnt: „Der einzig wirkliche Profiteur ist der Leasing-Partner.“Zumal die Beschäftig­ten die Kosten für die Wartung und für die verpflicht­ende Vollkaskov­ersicherun­g selbst tragen müssten. Ob sich das Leasing individuel­l lohnt, können Interessen­ten mit einem Vergleichs­rechner im LBV-Kundenport­al prüfen.

Auch die FDP blickt skeptisch auf das JobBike-Programm. Ihr Abgeordnet­er Friedrich Haag bemängelt unter anderem, dass den Leasing-Nehmern keine Garantie gegeben wird, das Fahrrad am Ende auch wirklich kaufen zu können. „Die Nutzerinne­n und Nutzer des Rad-Leasings kaufen sprichwört­lich die Katze im Sack“, so Haag. „Mit monatliche­n Raten mieten sie ein Fahrrad, das sie nach den vorliegend­en Informatio­nen billiger direkt kaufen könnten und wissen dabei nicht einmal, was zum Ende des Leasing-Zeitraums passiert. Es kann durchaus sein, dass das Fahrrad zurückzuge­ben ist oder der Kaufpreis sich als unwirtscha­ftlich herausstel­lt.“

Das Ministeriu­m begründet die fehlende Kaufgarant­ie damit, dass es sich andernfall­s nicht mehr um ein Leasing-Modell handeln würde. Dann würden auch Steuervort­eile verloren gehen. Das erstaunt den FDP-Mann Haag. „Handelt es sich um ein Steuerspar­modell, um das Rad-Leasing des Landes angeblich finanziell attraktiv dastehen zu lassen?“, fragt er.

Diesen Vorwurf will der Minister nicht gelten lassen. „Von der Partei der Besserverd­ienenden, die das Dienstwage­nprivileg erhält, kann ich so eine Kritik nicht ernst nehmen“, sagt Hermann. „Dienstwage­n kosten den Staat Milliarden, Fahrräder dagegen vergleichs­weise wenig.“Wie viel genau das Dienstrad-Programm des Landes kostet, bleibt allerdings offen. Auf FDP-Anfrage verweist das Ministeriu­m auf Haushaltsp­osten in Höhe von insgesamt 15 Millionen Euro, in denen aber verschiede­ne Ausgaben für nachhaltig­e Mobilität zusammenge­fasst sind. „Auf Transparen­z wird keinerlei Wert gelegt“, bemängelt Haag daher.

Ein Gegenvorsc­hlag zum Leasing kommt von Verdi. Vize-Bezirkslei­terin Binder plädiert für einen Zuschuss von 25 Euro pro Monat für jeden, der sich ein Fahrrad zulegen will. Das wäre genauso viel Geld, wie das Land den Beschäftig­ten zahlt, die ein Jobticket für den öffentlich­en Nahverkehr kaufen. Dieses Modell käme das Land aber deutlich teurer zu stehen.

Am Widerstand der Gewerkscha­ften liegt es auch, dass die Angestellt­en des Landes das Rad-Leasing bislang nicht wahrnehmen können. Denn in dieser Berufsgrup­pe müsste eine Entgeltumw­andlung – anders als bei Beamten und Richtern – tarifvertr­aglich geregelt werden. Dafür werde man sich innerhalb der Tarifgemei­nschaft der Länder einsetzen, kündigt Hermann an. „Wir wissen, dass viele Angestellt­e diese Möglichkei­t gerne in Anspruch nehmen würden.“Bei den aktuellen Tarifverha­ndlungen für Beschäftig­te im Landesdien­st, die Anfang Oktober beginnen, spielt das Thema aber keine Rolle.

 ?? FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA ?? Landesbeam­te können seit Oktober über das Programm „JobBike BW“ein Fahrrad oder E-Bike leasen.
FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA Landesbeam­te können seit Oktober über das Programm „JobBike BW“ein Fahrrad oder E-Bike leasen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany