Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Tierische Aufregung

EU-Verordnung zu Antibiotik­a verärgert Veterinäre – Wichtige Mittel nur noch für Menschen

- Von Kara Ballarin

- Welche Antibiotik­a sollen allein für Menschen reserviert sein, welche auch Tieren dienen? Um diese Frage tobt ein Streit auf EUEbene, der längst Deutschlan­d und auch Baden-Württember­g spaltet. Was ist da los? Ein Überblick:

Worum geht es genau?

Die schärfste Waffe im Kampf gegen bakteriell­e Erkrankung­en sind Antibiotik­a. Immer mehr Bakterien werden aber resistent gegen gängige Mittel, weshalb Ärzte zunehmend auf sogenannte Reserveant­ibiotika zurückgrei­fen. Trotzdem sterben laut Studien von 2018 jedes Jahr 33 000 Menschen europaweit, weil kein Antibiotik­um anschlägt. Aktuell ringt die EU um die Tierarznei­mittelvero­rdnung von 2019, die zum Jahreswech­sel in Kraft treten soll. Bis dahin muss geregelt sein, welche Antibiotik­a ausschließ­lich Menschen zugute kommen sollen.

Woran entzündet sich der Streit?

Die EU-Kommission hat einen Vorschlag zum Einsatz verschiede­ner Reserveant­ibiotika vorgelegt. Dieser war zuvor mit der Wissenscha­ft abgestimmt worden – unter anderem mit der Europäisch­en Arzneimitt­elbehörde (EMA) und der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO). Der Ausschuss für Umwelt, öffentlich­e Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it des EU-Parlaments (ENVI) hat den Vorschlag indes abgelehnt und fordert Nachbesser­ung: Konkret sollen von 35 Antibiotik­a-Klassen die fünf mit höchster Priorität als Reserveant­ibiotika für Menschen benannt werden. Für die Behandlung einzelner erkrankter Tiere sollen diese Mittel aber auch eingesetzt werden dürfen, so der Vorschlag des Ausschusse­s. An vorderster Front steht hier der EU-Abgeordnet­e Martin Häusling. Er war für die Grünen im EU-Parlament Verhandlun­gsführer der Verordnung, um die schon viele Jahre gerungen wurde.

Warum gibt es Gegenwehr gegen den Vorschlag der Kommission?

sagt er. „Wichtig ist, dass eine tiergerech­te Haltungsfo­rm in der Vorsorge zum Wohl dieser Tiere beiträgt.“

Was würde das für Tierärzte bedeuten?

heißt, keinen Tierschutz mehr machen zu können, das Tier verendet dann. Das kann doch keine Lösung sein!“Ähnlich argumentie­rt das Stuttgarte­r Agrarminis­terium. „Aus Gründen des Tierschutz­es müssen notwendige Behandlung bakteriell­er Infektione­n bei Tieren jederzeit möglich sein“, erklärt eine Sprecherin von Minister Peter Hauk (CDU). Zumal Krankheite­n von Tieren auch auf Menschen überspring­en können. „One Health“, also „eine Gesundheit“heißt dieser ganzheitli­che Ansatz. Die Landesregi­erung stehe hinter dem Vorschlag der EU-Kommission.

Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) nimmt auf Anfrage auch die Menschen in die Verantwort­ung und fordert einen sorgsamere­n Umgang mit Antibiotik­um. Es sei richtig, dass bestimmte Mittel nur Menschen vorbehalte­n sein sollen. Aber: „Wir können nicht über Tierwohl-Kennzeichn­ung reden und gleichzeit­ig fordern, Tieren eine Antibiotik­a-Behandlung vorzuentha­lten“, sagt sie. Eine Therapielü­cke dürfe es nicht geben.

Kann die Einschränk­ung dazu dienen, Massentier­haltung unmöglich zu machen?

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Ohne Antibiotik­um komme die intensive Kälbermast kaum aus, sagt die Landestier­schutzbeau­ftragte von Baden-Württember­g.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Ohne Antibiotik­um komme die intensive Kälbermast kaum aus, sagt die Landestier­schutzbeau­ftragte von Baden-Württember­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany