Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wer zahlt, schafft an
Das Grundgesetz ist absolut eindeutig. Deutschland ist ein Bundesstaat. Laut Artikel 79 kann das auch nicht geändert werden, auch nicht mit einer Zweidrittelmehrheit. Wer die Gliederung in Bund und Länder abschaffen möchte, muss schon eine neue Verfassung beschließen. Mehr noch, diese Ewigkeitsgarantie erfasst nur noch einen anderen Artikel des Grundgesetzes, nämlich den ersten. Dass die staatliche Gliederung des Landes ebenso fest verankert ist wie „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, zeigt die enorme Bedeutung des Föderalismus für die Mütter und Väter des Grundgesetzes – gerade auch als Vorbeugung vor einer Zentralmacht.
Doch der Föderalismus steckt in der Krise. Von den knapp 550 Gesetzen zum Beispiel, die der Bundestag in den vergangenen vier Jahren verabschiedet hat, landeten nur sieben im Vermittlungsausschuss zwischen dem Parlament und dem Bundesrat – und das, obwohl die Mehrheitsverhältnisse in den Kammern nicht unterschiedlicher hätten sein können.
Daran zeigt sich, wie wenig Wert die Länder derzeit auf ihre konstitutionelle Machtposition legen, und wenn sie es dann doch tun, kommen Beschlüsse heraus, die ihren Einfluss weiter schwächen. Bestes Beispiel dafür ist die Ganztagsbetreuung. Das Thema Bildung fällt in die Zuständigkeit der Länder. Hier könnten sie ihre Kompetenzen ausspielen. Doch erst als der Bund zusagte, sich massiv an der Finanzierung zu beteiligen, stimmten die Länder einer Ganztagsbetreuung zu. Die Begründung: Man habe sonst kein Geld dafür gehabt. Besser müsste es wohl heißen, das Thema war es den Ländern nicht wert, das Geld zu besorgen.
Wer zahlt, schafft an, heißt es so schön, und das wird der Bund auch bei der Ganztagsbetreuung geltend machen, natürlich auf Kosten der Länder. Ihr Einfluss und ihre Bedeutung für die lokale Politik schwindet und schwindet. Wenn das so weitergeht, wird Deutschland zwar immer noch in Bundesländer gegliedert sein, weil es das Grundgesetz so verlangt. Von der ursprünglich gemeinten Machtaufteilung bleibt aber nur noch wenig übrig.