Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Oben Solardach, unten Autos
CDU-Politiker plädiert für Förderung von Photovoltaik-Anlagen über Parkplätzen
- Die Photovoltaikpflicht in Baden-Württemberg kommt – nicht nur für Hausdächer, sondern auch für größere Parkplätze. Die Pflicht greift ab 2022, allerdings nur für neue Bauprojekte. Dem Wangener Abgeordneten Raimund Haser reicht das nicht. Der Sprecher für Energie und Klimaschutz der CDU-Landtagsfraktion plädiert dafür, auch bestehende Parkplätze in den Blick zu nehmen – nicht durch Zwang, sondern mit finanziellen Anreizen. Entsprechendes Geld müsse im Landesetat für das kommende Jahr eingeplant werden. Zahlen des Umweltministeriums zeigen: In dem Vorschlag steckt viel Potenzial.
Im Herbst beschäftigt sich der Landtag mit einer Reform des Klimaschutzgesetzes. Die Zustimmung der grün-schwarzen Mehrheit gilt als sicher. Eine der bevorstehenden Änderung betrifft die PV-Pflicht über Parkplätzen. Schon im aktuellen Klimaschutzgesetz ist diese verankert und soll 2022 starten. Bislang greift sie aber erst ab einer Parkplatzgröße von 75 Stellplätzen. Segnet der Landtag die Reform ab, gilt sie ab einer Größe von 35 Parkbuchten.
Die Pflicht gilt ausschließlich für Neubauten. CDU-Energieexperte Haser lenkt den Fokus nun auf bestehende Parkplätze. Dafür hat er beim Umweltministerium nach dem Potenzial hierfür gefragt. In ihrer Antwort, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, verweist Ministerin Thekla Walker (Grüne) auf ein Gutachten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) im Auftrag des Ministeriums. Das Institut habe dafür den Bestand an nicht überdachten Parkplätzen grob abgeschätzt und dafür den digitalen Kartendienst Openstreetmap genutzt. Im Blick hatten die Gutachter Parkplätze mit mindestens 40 Buchten – was also nicht ganz mit der PVPflicht bei Neubauten ab 35 Stellplätzen übereinstimmt.
Die Gutachter fanden landesweit knapp 17 000 Parkplätze mit Platz für insgesamt mehr als zwei Millionen Fahrzeuge. Zusammen nutzen sie demnach eine Fläche von gut 52 Quadratkilometern. Würde die gesamte Fläche mit Solarpanelen überdacht werden, liegt das Potenzial laut Walker bei zehn Gigawatt. Das scheint allerdings nicht sehr realistisch, weil es Bereiche auf Parkplätzen gibt, die in der Regel nicht überdacht sind – etwa die Fahrwege. Werden weitere Einschränkungen abgezogen, etwa zu schattige Standorte, kommt Walker in ihrer Rechnung auf ein PV-Potenzial
von rund 2,5 Gigawatt. Grob gerechnet entspräche dies einer Jahresleistung von 2500 Gigawattstunden. Zur Einordnung: Nach ersten Berechnungen des Umweltministeriums hat Baden-Württemberg im vergangenen Jahr insgesamt 6365 Gigawattstunden Solarstrom erzeugt. Das entspreche einem Anteil am Bruttostromverbrauch im Land von 9,2 Prozent.
Auch Walker sieht durchaus Chancen, wie sie schreibt. „Das Umweltministerium prüft derzeit, unter welchen Rahmenbedingungen ein Förderprogramm zum Ausbau von Photovoltaikanlagen auf bereits bestehenden Parkplätzen ausgestaltet werden könnte.“Ein solches Förderprogramm sei aber deshalb nicht haushaltsreif, weil verschiedene Sachfragen im Vorfeld ausführlich geprüft werden müssten, ergänzt Walkers Sprecherin auf Nachfrage. Dies werde noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Ein Grund hierfür seien Bestimmungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Das heißt: Noch ist aus Sicht des Ministeriums nicht klar, ob bereits in den nächsten Landesetat Fördergeld für solche PV-Anlagen eingestellt wird.
Manche Pilotprojekte dieser Art gibt es im Südwesten aber bereits oder sie sind auf dem Weg. Mitte April etwa hat Walkers Amtsvorgänger Franz Untersteller (Grüne) zwei Vorhaben verkündet, die das Land mit 300 000 Euro bezuschusse. Denn, so Untersteller damals: „Bislang
sind Parkflächen versiegelte Fläche ohne Mehrwert. Das wollen wir ändern.“Eins der Projekte befindet sich in Berkheim im Landkreis Biberach. Vor der Firmenzentrale des Bau- und Logistikunternehmens Max Wild entstehe ein 685 Quadratmeter großer Parkplatz mit PV-Dach – der erzeugte Strom soll auch zum Laden von E-Autos genutzt werden.
Walker nennt zudem Beispiele, bei denen das Land selbst aktiv wird. Der Landesbetrieb Vermögen und Bau etwa habe Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben für Solar-Überdachung an landeseigenen Parkplätzen in Oberschwaben und im Allgäu. Konkret gehe es um eine PV-Fläche über 87 Stellplätzen auf dem Parkplatz der Hochschule in Sigmaringen sowie um ein Solardach über 60 Parkbuchten am Landwirtschaftlichen Zentrum in Wangen. Realisiert sind indes noch nicht viele solcher Projekte – seit 2018 listet Walker ein halbes Dutzend auf.
„Ich würde mir wünschen, dass wir in Pilotprojekte nochmal Geld reinschieben“, sagt Haser nun – allein schon, um weitere praktische Erfahrungen zu sammeln. Denn auch er sieht viele regulatorische Hürden. „Wir müssen lernen: Wo stehen uns unsere eigenen Regeln im Weg? Man kann einen Parkplatz beispielsweise viel näher an eine Straße bauen als eine PV-Anlage.“Eine Anlage auf einem Unternehmensparkplatz werde wegen des „verfahrenstechnischen Monstrums“, wie er das EEG nennt, ganz anders abgerechnet als auf einem Kundenparkplatz eines Supermarktes. „Deshalb brauchen wir mehr Projekte für eine Verfahrensklarheit“, sagt er. Die Unterkonstruktion der Solardächer sei teuer und daher nicht wirtschaftlich. Um hier voranzukommen – und dabei auch herauszufinden, wie die Stahlkonstruktion möglichst CO2-neutral errichtet werden kann – brauche es Fördergeld.
Haser wünscht sich, dass das Land die Hälfte der Unterkonstruktionskosten mit bis zu 100 000 Euro pro Projekt unterstützt. Im Gegenzug sollen die Bauherren alle Pläne und Unterlagen offenlegen müssen, „damit andere von dem Know-how profitieren können.“„Vielleicht können wir mit einer Million aufgrund der Haushaltslage anfangen“, sagt Haser – das reiche nach seiner Rechnung für zehn Projekte. Dieses Geld solle 2022 zur Verfügung stehen – und in den Landeshaushalt eingestellt werden, der aktuell beraten wird. Noch besser wäre ein Fördervolumen von zehn Millionen Euro, so Haser.