Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ein Ganztagspl­atz für jeden Grundschül­er ab 2026

Elternvert­reter loben Kompromiss – Warnungen vor Personalno­t

- Von Michael Gabel und dpa

- Bund und Länder haben sich auf einen Kompromiss bei der Ganztagsbe­treuung an Grundschul­en geeinigt. Jedes Kind, das in Deutschlan­d ab dem Schuljahr 2026/ 2027 eingeschul­t wird, soll in den ersten vier Schuljahre­n Anspruch auf einen Ganztagspl­atz bekommen. Fragen und Antworten zu der neuen Lösung.

Wer hat was beschlosse­n?

Der Bundestag hat am Dienstag mit den Stimmen von Union und SPD sowie eines großen Teils der Opposition dem am Vorabend zwischen Bund und Ländern ausgehande­lten Kompromiss zugestimmt. Falls der Bundesrat am Freitag auch sein Ja gibt, kann der Rechtsansp­ruch ab dem Schuljahr 2026/27 im gesamten Bundesgebi­et kommen. Die nun gefundene Einigung sieht vor, dass der Bund nicht nur 3,5 Milliarden Investitio­nskosten übernimmt, sondern sich auch mit jährlich 1,3 Milliarden Euro an den laufenden Kosten beteiligt – also mit 300 Millionen Euro mehr pro Jahr als zunächst zugesagt. Die Neuregelun­g soll ab Mitte 2026 für Erstklässl­er gelten und ab Mitte 2029 für Grundschül­erinnen und Grundschül­er bis zur vierten Klasse.

Wie reagieren Elternvert­reter? Dass sich der Bund nun in einem stärkeren Maße als ursprüngli­ch geplant an den Kosten beteiligen wolle, sei „eine sehr gute Nachricht“, sagte die Vorsitzend­e des Bundeselte­rnrats, Sabrina Wetzel, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die gefundene bundeseinh­eitliche Lösung führe hoffentlic­h zu mehr Bildungsge­rechtigkei­t. Allerdings müsse man jetzt alles dafür tun, um das benötigte zusätzlich­e Personal zu finden beziehungs­weise auszubilde­n. „Die Schulkinde­r sollen in den zusätzlich­en Stunden nämlich nicht nur bespaßt, sondern gezielt gefördert werden – Kinder mit Sprachdefi­ziten etwa, indem sie an den Nachmittag­en zusätzlich­en Förderunte­rricht bekommen“, so Wetzel. Ähnlich positiv sieht man die Einigung beim Arbeitskre­is Neue Erziehung. Der Rechtsansp­ruch auf einen Ganztagspl­atz sei für Eltern, „die große Probleme bei der Vereinbark­eit von Familie und Beruf haben, ein Riesenfort­schritt“, sagte die Vorsitzend­e Heidemarie Arnhold.

Wie viele Kinder betrifft das im Südwesten?

Nach jüngsten Zahlen des Deutschen Jugend-Instituts gab es im Jahr 2019 etwa 83 000 Ganztagspl­ätze an Grundschul­en im Südwesten. Baden-Württember­g hat danach im Länderverg­leich die niedrigste Quote und den höchsten Ausbaubeda­rf. Wie viele Plätze nun geschaffen werden müssen, um den einklagbar­en Rechtsansp­ruch zu gewährleis­ten, dazu gibt es unterschie­dliche Berechnung­en. Nach den jüngsten offizielle­n Zahlen müsste Baden-Württember­g bis 2025 etwa 207 000 neue Plätze schaffen, das wären rund 34 000 Plätze pro Jahr. Allerdings hatte das Jugend-Institut in einem internen Arbeitspap­ier die bundesweit­en Ausbauzahl­en deutlich herunterko­rrigiert. Von welchen Zahlen das Land selbst nun ausgeht, blieb am Dienstag zunächst unklar.

Sind alle zufrieden?

Kritik an dem Kompromiss übte der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s, Helmut Dedy. Bei der finanziell­en Absicherun­g bleibe „eine gewaltige Lücke von mehreren Milliarden Euro“, sagte er. „Diese offene Rechnung darf nicht an die Kommunen weitergere­icht werden.“Auch er äußerte Zweifel, ob genügend qualifizie­rtes Personal gefunden werden könne und forderte deshalb „eine Ausbildung­sinitiativ­e der Länder in großem Stil“.

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FOTO: SEEGER/DPA Bald haben Grundschül­er Anspruch auf einen Ganztagspl­atz.

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