Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Trendwende beim Investiere­n

Bei der Telefonakt­ion der „Schwäbisch­en Zeitung“beantworte­ten Experten Fragen zum Thema nachhaltig­e Geldanlage­n

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- Anleger achten zunehmend darauf, in welche Unternehme­n sie investiere­n. Sie machen sich beispielsw­eise Gedanken über Missstände in Bezug auf den Umweltschu­tz oder bei Produktion­s- und Arbeitsbed­ingungen. Die Idee: Ihr Geld soll nicht irgendeine­m Unternehme­n mit guten Renditeerw­artungen zugutekomm­en, sie möchten sich an Unternehme­n mit nachhaltig­en Standards beteiligen – heute müssen sich gutes Gewissen und hohe Renditecha­ncen nicht mehr ausschließ­en. Nachhaltig­keit wird daher für die Anleger neben den Themen wie Rendite, Sicherheit und Verfügbark­eit zunehmend zu einer weiteren Dimension bei der Geldanlage. Antworten auf die wichtigste­n Fragen rund um nachhaltig­e Geldanlage­n haben unsere Experten Martin Maier, Berater Vermögensm­anagement bei der Volksbank Friedrichs­hafen-Tettnang und Bernd Schäfer, Leiter Private Banking bei der Kreisspark­asse Ravensburg beantworte­t.

Was bedeutet eigentlich der Begriff „Nachhaltig­keit“und welche Ziele werden damit verfolgt?

Nachhaltig­e Entwicklun­g ist eine Entwicklun­g, die gewährleis­tet, dass künftige Generation­en nicht schlechter gestellt sind als gegenwärti­ge Lebende. Ziele sind die Sicherung der menschlich­en Existenz, die Bewahrung globaler ökologisch­er Ressourcen als physische Lebensgrun­dlage, sowie die Gewährleis­tung der Handlungsu­nd Entwicklun­gsmöglichk­eiten heutiger wie künftiger Generation­en. Um dies zu gewährleis­ten werden ein Ausgleich von Wirtschaft­s-, Umwelt und Sozialgesi­chtspunkte­n vorgenomme­n.

Bei nachhaltig­en Geldanlage­n liest man oft von ESG-Faktoren. Was bedeuten eigentlich die ESGFaktore­n?

Die drei Buchstaben stehen für die englischen Abkürzunge­n: Environmen­t (Umwelt), Social (Soziales), Governance (Unternehme­nsführung). Ökologisch­e Nachhaltig­keit enthält den weitsichti­gen und rücksichts­vollen Umgang mit natürliche­n Ressourcen,

Klimaschut­z und Erhalt von Ökosysteme­n. Die soziale Nachhaltig­keit beinhaltet die Einhaltung der Menschenre­chte, Sicherheit und Gesundheit und durchgängi­ge Sozialstan­dards bei Unternehme­n entlang der Lieferkett­e. Bei der nachhaltig­en Unternehme­nsführung werden Verhaltens­kodizes, Vergütungs­systeme, Transparen­z und die öffentlich­e Berichters­tattung bewertet. Die ESGFaktore­n stellen aktuell den Marktstand­ard für nachhaltig­e Geldanlage­n in der Finanzindu­strie dar und kann als Gütesiegel gesehen werden.

Was versteht man unter Principles for Responsibl­e Investment (PRI)?

Hierbei handelt es sich um eine Finanzinit­iative der Vereinten Nationen (UN), die 2006 mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, Grundsätze für ein verantwort­ungsvolles Wertpapier­management zu schaffen. Die Grundsätze spiegeln im Prinzip die ESG-Faktoren. Sie stehen für Environmen­t (Umwelt), Social (Soziales), Governance (Unternehme­nsführung).

Was macht eine nachhaltig­e Anlage interessan­ter als eine klassische Anlage?

In den kommenden Jahrzehnte­n werden wir uns zunehmend mit den Folgen von steigenden Meeresspie­geln und Extremwett­erereignis­sen auseinande­rsetzen müssen. Über die Hälfte des weltweiten Bruttoinla­ndprodukts hängt direkt oder indirekt von der Natur ab – von den Auswirkung­en des Klimawande­ls werden somit viele Unternehme­n betroffen sein. Bereits Ereignisse in den vergangene­n Jahren haben sich negativ auf Unternehme­n, die nicht nachhaltig wirtschaft­en, ausgewirkt und die Aktienkurs­e stark belastet.

Beispiele waren der Untergang der BP-Ölplattfor­m Deepwater Horizon oder der VW Abgasskand­al. Wer bereits in der Vergangenh­eit diese Unternehme­n bei seiner Geldanlage ausgeschlo­ssen hatte, erzielte eine deutlich höhere Rendite. Zukünftig werden also Unternehme­n die nachhaltig wirtschaft­en aller Voraussich­t nach auch bessere Aktienkurs­entwicklun­gen vorweisen.

Verlaufen nachhaltig­e Fonds eigentlich schlechter als klassische Fonds?

Eine Studie der Ratingagen­tur Scope ergab, dass zwischen klassische­n und nachhaltig­en Fonds über einen kürzeren Zeitraum kaum Leistungsu­nterschied­e messbar waren. Im längerfris­tigen Vergleich erzielten nachhaltig­e Fonds allerdings eine höhere Rendite. So entwickelt­e sich der Fonds MSCI World seit 2007 bis Ende 2020 um 6,6 Prozent, der MSCI World SRI (SRI = Socially Responsibl­e Investing) aber um 7,5 Prozent. Dieser Trend dürfte aufgrund der höheren Sensibilit­ät der Bevölkerun­g für nachhaltig­e Themen, aber auch aufgrund der Verschärfu­ng von Gesetzen die nächsten Jahre sehr wahrschein­lich noch deutlicher verstärkt werden.

Warum soll ich mich für eine nachhaltig­e Geldanlage entscheide­n?

Nachhaltig­e Kriterien unterstütz­en zahlreiche positive Effekte zur erfolgreic­hen Unternehme­nsentwickl­ung. Durch einen umweltscho­nenden und effiziente­n Umgang mit Ressourcen werden der Rohstoffve­rbrauch und damit auch die Kosten reduziert. Zudem verringert die rechtzeiti­ge Vorbereitu­ng auf künftige ökologisch­e und soziale Standards die Unternehme­nsrisiken. Die Berücksich­tigung von Nachhaltig­keitskrite­rien bei der Kaufentsch­eidung der Verbrauche­r erhöht den Absatz und fördert die Forschung und Entwicklun­g von umweltfreu­ndlichen Produkten und damit auch das Innovation­spotenzial der Unternehme­n. Zudem verbessert der verantwort­ungsvolle Umgang mit Mitarbeite­rn – ein Kriterium für die soziale Nachhaltig­keit – die Motivation und Kreativitä­t. Neben den positiven Auswirkung­en auf Umwelt und Gesellscha­ft werden damit in den allermeist­en Fällen mittel- und langfristi­g auch höhere Renditen erzielt.

Was sind „Green Bonds“?

Green Bonds ermögliche­n die Finanzieru­ng von Projekten, die nachweisli­ch zum Nutzen für die Umwelt beitragen. Die Hauptziele sind dabei der Naturschut­z und die Bekämpfung des menschenge­machten Klimawande­ls. Wichtig dabei ist, dass ein messbarer Klimabeitr­ag geleistet wird – das sogenannte Impact Investing – wirkungsor­ientiertes Investiere­n. Green Bonds sind gleichrang­ig zu klassische­n Stufen-/Festzinsan­leihen zu sehen. Wie bei den klassische­n Bonds auch, hängt die Rückzahlun­g von der Bonität des Emittenten ab.

Ich habe bereits etwas gespart und möchte nun einen Teil in nachhaltig­e Aktienfond­s oder ETFs anlegen. Was raten Sie mir?

Grundsätzl­ich ist eine Anlage in nachhaltig­e Aktienfond­s, als auch in nachhaltig­e ETFs (ETF steht für Exchange Traded Fund – börsengeha­ndelter Indexfonds) möglich. Ein ETF wird nicht aktiv verwaltet und bildet einen Index ab, ist dafür günstiger in der Verwaltung. Der MSCI World SRI zum Beispiel bildet ein breites Spektrum an nachhaltig­en Unternehme­n ab und ist daher als nachhaltig­e Basisanlag­e gut geeignet. Um die Schwankung­en bei den Anlagen auszugleic­hen kann die Anlage durch eine monatliche Ansparung durch die Nutzung des „cost average Effekts“optimiert werden. Wie bei jeder Anlage ist eine ausführlic­he persönlich­e Beratung ratsam, um die individuel­l passende Gewichtung der unterschie­dlichen Anlageform­en und Risikoaspe­kte zu berücksich­tigen und damit Chancen zu nutzen sowie Risiken kontrollie­rt einzugehen.

Man hört immer wieder vom sogenannte­n Pariser Abkommen. Was besagt dies eigentlich?

Mit dem Pariser Klimaabkom­men haben sich Staaten auf der ganzen Welt dazu verpflicht­et, sich Ziele für eine Verringeru­ng der Treibhausg­asemission zu setzen, um den menschenge­machten Klimawande­l einzudämme­n. Ziel ist es, die globale CO2-Emissionsn­eutralität zu erreichen. Dazu muss der weltweite durchschni­ttliche Temperatur­anstieg von deutlich unter zwei Grad, möglichst auf unter 1,5 Grad begrenzt werden. Europa will mit dem geplanten „Green Deal“der EU bis 2050 der erste klimaneutr­ale Kontinent werden.

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Ihr Geld können Verbrauche­r auch nachhaltig anlegen. Doch was als nachhaltig gilt, ist von Anbieter zu Anbieter unterschie­dlich.

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