Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die missglückte Rettung
Vier Jahre nach dem Einstieg eines britischen Investors steht der Küchenbauer Alno endgültig vor dem Aus
Nicht einmal vier Jahre liegen die Tage zurück, in denen die Mitarbeiter des traditionsreichen Küchenbauers Alno schon einmal in derselben Situation steckten. Im November 2017 trat der damalige Insolvenzverwalter Martin Hörmann vor die Belegschaft und verkündete das endgültige Aus des Pfullendorfer Unternehmens. Hohe Schulden, kein Investor, keine Perspektive.
Nun wiederholt sich die Geschichte. Denn nach der völlig überraschenden Rettung, als der britische Investor Riverrock wenige Tage vor der endgültigen Abwicklung kurz vor Weihnachten 2017 doch noch einstieg, ist Alno wieder insolvent. Wieder fehlen die Mittel für die dringend notwendigen Investitionen. Und dieses Mal scheint es unwahrscheinlicher denn je, dass sich wieder ein weißer Ritter, ein Retter, findet, der das unter jahrzehntelanger Misswirtschaft leidende Unternehmen übernimmt.
Ende September geht die Küchenproduktion in Pfullendorf zu Ende, wie die Geschäftsführer Michael Spadinger und Jochen Braun am Dienstag mitteilten. „In enger Abstimmung mit dem Betriebsrat und dem Sachwalter kam die Geschäftsleitung zu dem Ergebnis, den Geschäftsbetrieb der beiden Gesellschaften Ende September einstellen zu müssen“, heißt es in einer Mitteilung. Bis Ende September werden bestehende Aufträge nach Angaben der Geschäftsführung nach entsprechender Planung und in Rücksprache mit den Kunden ausproduziert.
Bereits seit April war das Unternehmen auf der Suche nach einem neuen Investor, weil der bisherige, britische Investor Riverrock angekündigt hatte, das Unternehmen zu verkaufen. Das Ergebnis dieser Suche steht nun fest und ist bitter für die 230 Mitarbeiter des Unternehmens: „Im Ergebnis konnte trotz einer breiten Ansprache möglicher Investoren leider kein Investor gefunden werden, der den operativen Geschäftsbetrieb fortführt“, teilte die Geschäftsführung mit.
Der Küchenhersteller hatte nach Angaben von Geschäftsführer Jochen Braun geplant, in seinem Maschinenpark eine neue Software einzurichten. „Wir hatten schon Anfang des Jahres analysiert gehabt, dass wir nachhaltig die Produktionsabläufe und die Software im Unternehmen verbessern müssen“, sagte Braun im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Das Problem sei nun gewesen, dass sich kein Investor bereit erklärt habe, „die Spanne zwischen den jetzigen Abläufen mit der weitläufigen internen Logistik bis hin zu einem modernen, effizienten Maschinenpark zu finanzieren“, erklärte Braun weiter. Welche
Summe der Investor dazu hätte aufbringen müssen, sagte Braun nicht.
Dabei hätte es „etliche Interessenten“gegeben. Mit mehr als 200 sei man in Kontakt gewesen. „Wir hatten deutlich über zehn potenzielle Investoren, die nachhaltiges Interesse hatten, mit denen wir auch intensive Verhandlungen geführt haben. Und dann hat es sich eben immer wieder herauskristallisiert, dass keiner den Übergang finanzieren möchte“, sagte Braun.
Anfang dieser Woche habe der letzte mögliche Investor abgesagt. „Wir waren dann gezwungen, die Produktionseinstellung anzukündigen.“Am Montag sei der Betriebsrat, am Dienstag die Belegschaft informiert worden. „Diese Tage gehören wirklich nicht zu den Highlights in meinem Berufsleben. Das ist natürlich eine sehr bedrückende Situation“, sagte Braun. „Wir haben ja einen Plan in der Tasche gehabt, und wir haben auch dran geglaubt, dass der Plan klappt. Wenn Sie aber keinen finden, der dann sagt: 'Ja, an den Plan glaube ich', dann ist das kein gutes Gefühl.“
Die Betroffenheit bei den Mitarbeitern sei sehr groß. „Es gibt einige Mitarbeiter
, die sind schon ganz lange dabei, 30 oder 40 Jahre. Für die ist das sehr, sehr schwer“, erklärte Braun. Betriebsratsvorsitzende Waltraud Klaiber ist der Schock an der Stimme anzumerken. „Für uns ist das alles sehr traurig, aber es gab keine andere Möglichkeit mehr“, sagte die Arbeitnehmervertreterin im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Derzeit prüfe das Unternehmen die Möglichkeiten zur Einrichtung einer Transfergesellschaft oder einer Beschäftigungsund Qualifizierungsgesellschaft, die in den kommenden Monaten umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umsetzen soll. Die Finanzierung der Transfergesellschaft müsse aber noch gewährleistet werden, sagt Braun. „Da sind wir noch mitten in den Verhandlungen.“Mehr Informationen könne der Geschäftsführer noch nicht geben.
Hoffnung hat er aber, dass die Alno-Mitarbeiter schnell eine neue Stelle finden: „Gott sei dank ist der Arbeitsmarkt ja momentan nicht so gestaltet, dass Spezialisten lange suchen müssen“, sagt Braun. Fachkräfte würden händeringend gesucht. „Ich glaube und hoffe, dass die meisten Mitarbeiter
relativ schnell wieder eine vernünftige Anstellung finden werden.“
Alno hatte Anfang Juli Insolvenz angemeldet, nachdem die Zahlungsschwierigkeiten wohl auch wegen der Ankündigung Riverrocks im Juni immer größer geworden waren. „Aus der Insolvenz heraus ergibt sich ja, dass noch Finanzierungsbedarf besteht. Wir sind knapp an der Break-EvenSchwelle, aber eben nur knapp davor, deswegen sind wir jetzt auch gezwungen, diesen Schritt zu gehen“, hatte Geschäftsführer Braun vor wenigen Wochen noch gesagt. Sachwalter Holger Leicht, den das Amtsgericht Hechingen bei dem Insolvenzantrag eingesetzt hatte, wollte sich auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht zu den Hintergründen äußern.
Der britische Investor Riverrock, der die Küchenproduktion 2017 aus der Insolvenzmasse des Vorgängerunternehmens, der Alno AG, herauskaufte, muss seine Investition in Höhe von 20 Millionen Euro damit wohl aller Voraussicht komplett abschreiben. Das Management, das Riverrock einsetzte, hat es nicht geschafft, die in den Jahren zuvor nicht mehr zeitgemäße Produktion auf den Stand zu bringen, dass das Unternehmen Küchen in ausreichender Zahl und in der Güte herstellen konnte, die sich die Kunden von dem immer noch für hohe Qualität stehenden Markennamen versprachen.
Die Gründe für die aktuelle Pleite der Neuen Alno GmbH, die Riverrock gründete und so versuchte, die Altlasten endgültig abzuschütteln, liegen in den Problemen der alten Alno AG. Seit der Küchenbauer Mitte der 90erJahre an die Börse ging, kämpfte das Unternehmen gegen Überkapazitäten und um dauerhaft schwarze Zahlen. Trotz zahlreicher Umbauten und Managementwechsel fehlte eine klare Strategie. Schon 2016 war die Produktion veraltet. Seit Jahren schrieb Alno zu diesem Zeitpunkt rote Zahlen; zuletzt schlug ein Nettoverlust von 4,4 Millionen Euro zu Buche bei einem Umsatz von gut 521 Millionen Euro.
In dieser Situation holte der damalige Vorstandschef Max Müller gemeinsam mit seiner Finanzchefin Ipek Demirtas im Sommer 2016 die Unternehmensgruppe des bosnischen Unternehmens Nijaz Hastor aus Bosnien-Herzegowina ins Unternehmen, die zuerst ein Darlehen gab und dann die Mehrheit an Alno übernahm. Die Familie Hastor war zuvor vor allem deswegen bekannt geworden, weil sie mit ihrem Autozulieferer Prevent den Weltkonzern Volkswagen in die Knie gezwungen hatte: Die Hastors stoppten wegen eines Vertragsstreits ihre Lieferungen und ließen 2016 die Bänder in Wolfsburg stillstehen.
Es folgte ein Machtkampf zwischen den Alno-Vorständen auf der einen Seite, die verhindern wollten, dass die Hastors in Pfullendorf durchregierten, und den von den neuen Investoren eingesetzten Aufsichtsräten auf der anderen Seite, die sich von Müller und Demirtas über die desaströse Lage des Küchenbauers getäuscht sahen. Es war ein Machtkampf, der am Ende in die Insolvenz – und zum Einstieg von Riverrock führte.
Die Aufarbeitung der ersten Insolvenz ist noch lange nicht abgeschlossen. Ein Gutachten, das Insolvenzverwalter Martin Hörmann in Auftrag gegeben hatte, ergab im Sommer 2018, dass das Pfullendorfer Traditionsunternehmen nicht erst im Sommer 2017, sondern bereits im Jahr 2013 zahlungsunfähig gewesen ist. Im Zuge der Aufarbeitung der Alno-Pleite reichte Hörmann nun vor gut einem Jahr Klage gegen frühere Vorstände des Küchenbauers ein. Die Verfahren laufen.
Nun kommt die Aufarbeitung einer zweiten Insolvenz hinzu. Auch wenn die Küchenproduktion in Pfullendorf endet. Richter, Anwälte und Insolvenzverwalter werden sich wohl noch auf Jahre mit dem gescheiterten Pfullendorfer Unternehmen beschäftigen müssen.