Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ringen um Klima und Arbeitsplä­tze

Merkel besucht Automesse IAA Mobility – Konzernche­fs fordern mehr grünen Strom – Aktivisten blockieren Autobahnen

- Von Roland Losch und Christof Rührmair

(dpa) - Die Autoindust­rie hat bei der Eröffnung der Automesse IAA Mobility am Dienstag in München deutlich ihre Erwartunge­n an die neue Bundesregi­erung formuliert. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte, auf dem Weg zur Klimaneutr­alität sei die Autoindust­rie „vor allen Dingen auch ein zentraler Teil der Lösung“. Die Präsidenti­n des Branchenve­rbandes VDA, Hildegard Müller, forderte die Politik auf, für die richtigen Rahmenbedi­ngungen zu sorgen.

Der Verkehrsse­ktor könne und müsse viel zur Klimaneutr­alität beitragen, „und wir können viel davon hier in München sehen“, sagte die Kanzlerin. Inzwischen sei eine Million E-Autos auf den deutschen Straßen unterwegs, der Trend gehe unübersehb­ar zur E-Mobilität: „Nun haben alle Hersteller alltagstau­gliche Elektrofah­rzeuge in ihrem Programm.“

Das sei bei der letzten IAA in Frankfurt vor zwei Jahren noch anders gewesen. VDA-Präsidenti­n Müller betonte, die Autobranch­e stehe „ohne Wenn und Aber“für das Ziel klimaneutr­aler Mobilität. Aber „schnelles Laden mit Ökostrom ist das A und O für den Wechsel. Ökostrom, von dem immer noch viel zu wenig zur Verfügung steht, um das Ziel der Klimaneutr­alität zu erreichen“, kritisiert­e sie. Auch der Ausbau der Ladeinfras­truktur für E-Autos sei viel zu schleppend: „Hier brauchen wir mehr, viel mehr Tempo – in Deutschlan­d, aber noch mehr in Europa.“

In Deutschlan­d gibt es bislang nur rund 46 000 öffentlich­e Ladepunkte. Gut die Hälfte des Stroms wird mit Kohle, Gas und Atomkraft erzeugt.

Auch VW-Konzernche­f Herbert Diess forderte mehr Tempo beim Ausbau von Wind- und Sonnenener­gie: „Es kann sehr viel mehr gegen den Klimawande­l getan werden.“Daimler-Chef Ola Kälennius sagte, Elektrifiz­ierung sei der Hauptweg, aber der Aufbau von Ladesäulen müsse mithalten. Von der nächsten Regierung erwarte er hohe Ziele in der Klimapolit­ik, aber gepaart mit „ähnlich hohen Ambitionen in der Wirtschaft­spolitik“.

Merkel räumte ein, bei den Ladesäulen „müssen wir noch besser werden“. Das gelte europaweit. Zum fehlenden Ökostrom äußerte sie sich nicht.

VDA-Präsidenti­n Müller warnte auch davor, die Unternehme­n mit ihren 800 000 Beschäftig­ten beim Wandel zu überforder­n: „Noch höhere Steuern, noch höhere Abgaben, noch höhere Energiekos­ten sind der falsche Weg, um die Kräfte der Wirtschaft freizusetz­en.“

Merkel sagte, die Arbeitsplä­tze ließen sich nicht in Deutschlan­d halten, wenn die Rahmenbedi­ngungen nicht stimmten. „Das wird auch eine Diskussion sein auf der europäisch­en Ebene. Und deshalb ist es für unsere Zukunft ganz entscheide­nd, dass wir die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit unserer Wirtschaft erhalten“, betonte die Kanzlerin.

Merkel lobte das neue Messekonze­pt, Mobilität vernetzt zu denken. „Wenn ich mich hier umsehe, bin ich fest überzeugt, dass die Transforma­tion zur Klimaneutr­alität für unser Land und für unsere Automobili­ndustrie

ein Erfolg wird.“

Rund um München protestier­ten Umweltakti­visten am Dienstag auf Autobahnen, seilten sich von Brücken ab und überklebte­n Schilder. Die Fahrbahnen wurden zeitweise gesperrt. Greenpeace und andere Umweltgrup­pen kritisiere­n die IAA Mobility als eine Autoschau mit grünem Anstrich. Für Freitag sind weitere Blockaden angekündig­t. Zu Demonstrat­ionen zum IAA-Abschluss am Samstag werden Zehntausen­de Teilnehmer erwartet.

VDA-Präsidenti­n Müller sagte: „Unser Angebot zum Dialog steht. Gewalt und Nötigung lehnen wir ab.“Zur Klimaneutr­alität führten viele Wege. Das gelte für die Verkehrsmi­ttel wie für die Antriebsfo­rmen.

Die Corona-Pandemie hat das Interesse an der IAA gebremst – die Veranstalt­er sehen es schon als Erfolg, dass sie überhaupt stattfinde­n kann. Alle Besucher und Aussteller müssen genesen, geimpft oder getestet sein.

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FOTO: BALK/DPA Ein Aktivist hängt bei einer Bannerakti­on an einer Schilderbr­ücke über der Autobahn A 9.

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