Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wenn die Bilder tanzen
Kunststiftung Hohenkarpfen stellt den vergessenen Maler Walter Eberhard Loch vor
- Immer wieder ermöglicht das Kunstmuseum Hohenkarpfen das Wiederentdecken vergessener Malerinnen und Maler. In seiner Herbstausstellung ist es wieder so weit: Walter Eberhard Loch, ein laut Untertitel „akademischer Malergrafiker des Expressionismus“. Eine etwas sperrige Formulierung, aber sie bringt Lochs Vita auf den Punkt – wenngleich man wohl noch ergänzen könnte, dass Loch über die Jahre eher erfolglos und aus verschiedenen Gründen ein lange Unbekannter war.
Walter Eberhard Loch – ein Lebenslauf mit Kurven und Geraden, Haltestellen und Aufbrüchen. Der gebürtige Schlesier lässt sich schon ab dem 16. Lebensjahr akademisch ausbilden, nimmt Meisterkurse bei Hans Poelzig; dem Soldatendasein im Ersten Weltkrieg entgeht er aufgrund einer Behinderung durch einen Schwimmunfall als Kind. Er zieht ins wilde Berlin, erlebt den Expressionismus, hat Kontakt mit Ernst Ludwig Kirchner, lernt Gerhart Hauptmann und Oskar Maria Graf kennen.
Er heiratet die Musiklehrerin Dorothea Roth, findet über ihren Vater Zugang zu Musik- und Künstlerkreisen. 1926 wirft ihn ein schwerer Autounfall zurück – und er verarbeitet ihn mit Bildern über Sport und Autothemen. Eine große Rolle spielt in seinem künstlerischen Wirken der Tanz, der in der Weimarer Zeit zu einer expressiven Blüte gelangt; Loch lernt die großen Ausdruckstänzerinnen Mary Wigman und Gret Palucca kennen. Er arbeitet als freischaffender Künstler, lebt aber auch von Illustrationen und Gebrauchsgrafik.
1933 der Bruch, als die Nazis ihn in die innere Emigration treiben. Loch zieht an den Bodensee, auf die Höri nach Gaienhofen, wo er zunächst im Hause von Hermann Hesse Quartier findet. Mit Kriegsausbruch 1939 geht er nach Salem, wo er und seine Frau im Weiler Leutkirch beim Ortsteil Neufrach ein Haus erwerben.
Immer wieder Ausstellungen, doch kein Durchbruch, auch nicht in der Nachkriegsära. Er schlägt sich durch, indem er etwa für sein neues Heimatdorf eine Chronik verfasst und illustriert. In den 50er-Jahren schreibt er viel, verfasst Hörspiele. 1979 stirbt „WEL“, wie er meist signiert; seine Frau folgt ihm 1985, ebenso hochbetagt, als ihr Haus abbrennt. Dabei gehen auch das Werkverzeichnis ihres Mannes (es wird später zumindest teilweise rekonstruiert), Briefe und Dokumente und wohl auch Teile seines Werks verloren.
Dieses Werk ist heute im Wesentlichen auf drei Besitzer konzentriert, auf die Stadt Salem, auf ein Salemer Hotel, dessen Besitzer er gut kannte, und auf die Familie Muffler, die in der Nähe lebte, mit dem Ehepaar Loch freundschaftlich verbunden war und sich nicht zuletzt rührend um die Witwe kümmerte. Michael Muffler ist heute ein überregional bekannter Architekt, der sich noch gut an den Maler und dessen ähnlich künstlerisch begabte Frau erinnern kann. Aus der Familiensammlung Muffler stammen nun mehrere bedeutende
Leihgaben. Nur drei Quellen für Loch-Bilder insgesamt – das heißt aber auch: In öffentlichen Galerien und Museen kommt er sonst nicht vor.
In der jetzigen Ausstellung auf dem Hohenkarpfen sind mehr als 70 Bilder Lochs aus allen Schaffensperioden zu sehen. Sie zeigt, dass sich der Maler über die Jahrzehnte künstlerisch nicht sehr stark weiterentwickelte, als er einmal seinen Stil gefunden hatte. Dafür bietet sich eine thematisch große Bandbreite von realistischen Tierzeichnungen aus dem Breslauer Zoo, expressionistischen Verkehrsszenen unter dunklem Himmel, dynamischen Sportund Tanzdarstellungen, Selbstportraits. Sein Beharrungsvermögen auf dem einmal erarbeiteten Ausdruck ist übrigens ein reizvoller Kontrast zur vorherigen Hohenkarpfen-Ausstellung mit Hermann Stenner, der in den wenigen Jahren seiner Karriere eine rasante Entwicklung nahm.
Auch skurrile, fast unfreiwillig komische und doch irgendwie anrührende Objekte sind in der Loch-Retrospektive dabei, wie ein mit alter Technik ausgeführter Klappaltar – Außenflügel in Grisaille – über „Maria als Gärtnerin“, auf den Innentafeln farblich und metaphorisch völlig überladen. Man mag es als Reaktion auf die Zeitläufte deuten, wenn düstere, manchmal verrätselte, durchaus politisch-allegorisch erkennbare Sujets der frühen Jahre später unverfänglichen Landschaften aus Schlesien und vom See weichen. Walter Eberhard Loch – ein deutsches Malerschicksal.
Die Ausstellung dauert bis zum 7. November und ist von Mittwoch bis Sonntag und an Feiertagen von 13.30 bis 18.30 Uhr geöffnet.
Es gilt ein Corona-Schutzkonzept mit Registrierung (Luca-App oder Formular) und eine Maskenpflicht. Mehr Infos finden sich unter
kunststiftung-hohenkarpfen.de