Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Seit Montag gibt es keine Erich-Kästner-Schule mehr
Schröter: Bad Saulgau wird für Vorreiterrolle bestraft – Schulamt will Inklusion am Standort stärken
- Das Kultusministerium hat die Erich-Kästner-Schule in Bad Saulgau nun auch offiziell wegen zu geringer Schülerzahlen aufgehoben. Das Regierungspräsidium verweist Eltern von Schülern mit dem klassischen Förderbedarf an Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren in der Umgebung, insbesondere an die Astrid-LindgrenSchule in Mengen.
Trotz zuletzt heftiger Diskussionen und letzten Rettungsversuchen von Seiten der Stadtverwaltung, Gemeinderat, Lehrern und Eltern ist das Ende der Schule besiegelt worden. Das Kultusministerium hat Bürgermeisterin Doris Schröter am Montag über die Aufhebung der Schule zum Schuljahresende informiert. Da das Schuljahr nach dem Gesetz am 31. Juli endet, ist die ErichKästner-Schule mit dem Tag der Information der Stadtverwaltung als Schulträger Geschichte. Vor kurzem war ein Widerspruch der Stadtverwaltung gegen die Aufhebung der Schule abgewiesen worden.
Das Regierungspräsidium in Tübingen hat festgestellt, dass die Schule drei Jahre hintereinander die Mindestschülerzahl von zwölf Schülerinnen und Schülern unterschritten hat. Daraufhin entschied das Kultusministerium, die Schule aufzulösen, bestätigt Stefan Meißner, der für Schulen zuständige Pressesprecher im Regierungspräsidium Tübingen. Zuletzt hatte die Erich-KästnerSchule gar keine Schüler. Der Grund ist, dass an der Berta-Hummel-Schule sehr erfolgreich das Modell der Inklusion umgesetzt wurde. Kinder mit Lernschwierigkeiten lernen gemeinsam mit Kindern ohne Förderbedarf. Dafür bekommen diese Inklusionsklassen zusätzliche Stunden für die Betreuung mit Sonderpädagoginnen
und Sonderpädagogen. Da das Modell bei den Eltern gut ankam, sank die Schülerzahl. Schüler der Inklusionsklassen wurden der BertaHummel-Schule zugeordnet. Schüler dagegen, die eine klassische sonderpädagogische Betreuung an einer sonderpädagogischen Einrichtung brauchten, mussten an die AstridLindgren-Schule nach Mengen fahren. Außerdem standen zuletzt zu wenige Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen für die Inklusionsklassen zur Verfügung. Es konnten nur noch die Mindestanforderungen zusätzlicher Betreuung in Inklusionsklassen bewältigt werden.
Die an der Berta-Hummel-Schule in Bad Saulgau tätigen zwei Sonderpädagoginnen werden nun, so Schulamtsdirektor Gernot Schultheiß, an die Astrid-Lindgren-Schule in Mengen
versetzt. Sie würden aber weiterhin die Inklusionsklassen an der Grundschule in Bad Saulgau betreuen. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“stellt Schultheiß eine Stärkung dieses Angebots in Aussicht. In Zusammenarbeit mit dem Leiter der Astrid-Lindgren-Schule, Jürgen Baur, will das Schulamt nach Nachfolgerinnen oder Nachfolgern für die beiden Sonderpädagoginnen an der Berta-Hummel-Schule sorgen. Sie werden in absehbarer Zeit in Ruhestand gehen. Das Team für die Inklusion in Bad Saulgau soll aber auch ausgebaut werden. Ziel sei es, junge Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen dafür zu gewinnen. Eine jüngste Erhebung an der Schule habe gezeigt, dass es zwischen den Schülern in Inklusionsklassen und regulären Klassen keine Leistungsunterschiede
gebe. „Offenbar leisten die Lehrer in Bad Saulgau sehr gute Arbeit“, so Schultheiß. Ob es ab dem kommenden Schuljahr, wie von der Stadtverwaltung gefordert, zusätzlich eine Außenklasse der AstridLindgren-Schule in Bad Saulgau für die klassische Sonderpädagogische Betreuung gebe, hänge davon ab, ob es für eine solche Außenklasse auf Dauer genügend Schüler gebe und ob eine Außenklasse ausreichend mit Sonderpädagogen versorgt werden könne. „Da muss Frau Schröter auf uns zukommen“, sagt der Leiter des Schulamtes. Bereits im Herbst müsste die Vorbereitung dafür starten.
Die Entscheidung des Kultusministeriums sei „völlig inakzeptabel“, schreibt Bürgermeisterin Doris Schröter in einer Stellungnahme. Sie kritisiert auch den Stil. So habe die Stadt auf ein Schreiben vom 30. April mit Argumenten für einen Weiterbetrieb der Schule bis heute keine Antwort des Ministeriums erhalten. Schröter: „Bad Saulgau wird dafür bestraft, dass es als ,Vorreiter’ in Sachen Inklusion losmarschiert ist und das Land es dann sträflich versäumt hat, die Rahmenbedingungen im Bereich der Sonderpädagogik zu erhalten beziehungsweise zu schaffen. Die Kinder zahlen nun den Preis dafür!“Auf ein Gesprächsangebot von Doris Schröter wird Gernot Schultheiß voraussichtlich dennoch nicht lange warten müssen. Sie werde „unverzüglich“das Gespräch mit dem Schulamt suchen, um über eine Kooperation mit der Astrid-LindgrenSchule zu sprechen, schreibt Doris Schröter in ihrer Stellungnahme.