Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wo die unsterblichen Weine lagern
Im Bremer Ratskeller, dem „Allerheiligsten der deutschen Weinwelt“, erzählen Spitzenweine aus bester Lage Geschichten aus Jahrhunderten
(dpa) - Den Lieblingsjünger Johannes zur Linken, den Fels der Kirche, Petrus, zur Rechten – so tritt der Besucher in die Schatzkammer der Fassweine. Zwölf Fässer, nach den Aposteln Jesu benannt, lagern in dem um 1550 entstandenen Apostelkeller unter dem Bremer Rathaus. „Die Hälfte ist noch gefüllt“, sagt Karl-Josef Krötz. Auch der Ratskellermeister geht mit Ehrfurcht durch das nur von Kerzen erhellte Kreuzgewölbe, in dem im anschließenden Rosekeller Deutschlands ältester Fasswein, der Rüdesheimer Wein von 1653, lagert. „Das darf man nicht entweihen“, sagt der 64-Jährige, der vor über 30 Jahren von der Mosel an die Weser wechselte. Er ist einer von nur zwei Ratskellermeistern in Deutschland.
Seine Assistentin Claudia Staffeldt stellt Apostel- und Rosekeller als das „Allerheiligste der deutschen Weinwelt“vor. Die Entlehnung von liturgisch-kirchlichem Vokabular scheint an diesem Ort nicht unpassend, vor allem wenn die mächtigen Glocken des direkt gegenüberstehenden Bremer Doms das Mittagsgeläut anstimmen, das selbst durch die dicken Kellermauern zu hören ist. „Riechen Sie einfach“, rät Staffeldt kurz vor Betreten. Dann umfangen den Besucher eine tiefe Stille und der intensive, würzig-feine Weinduft der Jahrhunderte. „Angels' Share“– „Anteil der Engel“– so heißt der Teil des Weins oder Whiskys, der bei der Fasslagerung verdunstet und sprichwörtlich für die Engel bestimmt ist.
Warum der Ratskeller unter dem von 1405 bis 1409 erbauten und 2004 zum Unesco-Welterbe erklärten Bremer Rathaus jährlich 12 000 bis 13 000 Besucher in seine Gewölbe zieht, ist klar: „Hier lagert die größte Auswahl deutscher Spitzenweine in der Welt“, sagt Krötz. 5000 Quadratmeter Fläche auf einer Tiefe von vier bis sechs Metern, die Gänge zusammengerechnet etwa ein Kilometer lang. Die Schatzkammer der Flaschenweine dürfen nur zwei Menschen aufschließen: der Ratskellermeister und der amtierende Präsident des Bremer Senats, also der Bürgermeister.
Rund 8000 Flaschen lagern dort teils seit Jahrhunderten, gesichert hinter dicken Gitterstäben in Hochregalen aus Stein, gereiht nach Jahrgängen, eingehüllt in feinster Plastikfolie zum Schutz der Etiketten. Eine feuchte Kühle von etwa acht Grad umgibt die edlen Tropfen. Der älteste Flaschenwein ist der Rüdesheimer Apostelwein, Jahrgang 1727. Und er
Birgitt Rambalski, Protokollchefin des Bremer Senats ist noch käuflich: die 0,35-Liter-Flasche kostet allerdings um die 2500 Euro. Doch nicht das Alter bestimmt die Qualität oder den Preis. Denn für einen Schatzkammer-Wein aus dem Topsommer 1959 – „Joh. Jos. Prüm – Wehlener Sonnenuhr Riesling Trockenbeerenauslese 1959“– werden bei einer Auktion bis zu 20 000 Euro gezahlt.
„Wir stehen auf köstlichem Fundament“, sagt Birgitt Rambalski, die als Protokollchefin des Bremer Senats über den Weinschätzen im Rathaus arbeitet. Sie weiß, wie wichtig der Wein aus dem Ratskeller für das
Renommee und die Repräsentation der Hansestadt ist. Ob Königs- oder Königinnenhäupter, Kanzler oder Kanzlerinnen, Botschafter oder Delegationen aus fernen Ländern: Bei offiziellen Anlässen in Bremen kommt der Wein ausschließlich aus dem Ratskeller.
90 Prozent der Flaschen tragen das Bremer Schlüssel-Wappen. Wie vor 600 Jahren wird auch heute mit dem Wein gehandelt. Mit dem Riesling „Erdener Treppchen“, dem offiziellen „Bremer Senatswein“von einer Spitzensteilhanglage an der Mosel, dem „Bremer Weinberg“, hat die 450 Kilometer vom nächsten Weinberg gelegene norddeutsche Hansestadt sogar einen eigenen Wein.
Zugunsten der Denkmalpflege im Rathaus hat der Ratskeller im Juni drei Flaschen aus der Schatzkammer versteigert. Der 1921er „Niersteiner Pettental Riesling – 2. Terrasse allerfeinste Goldbeerenauslese aus Rheinhessen“wurde für 5000 Euro (zuzüglich Umsatzsteuer) versteigert. „Eine solche Flasche öffnet man zu ganz besonderen Anlässen und meist mit besonderen Menschen“, sagt Krötz. Dem Weingenuss können auch 100 Jahre und mehr nichts anhaben. „Das sind keine x-beliebigen Weine, sondern Spitzenweine, die Talent haben, die im Alter zu wahrer Größe reifen und unsterblich sind.“Zwei weitere Gewächse aus dem Ratskeller aus den Jahren 1971 und 2002 kamen als Paket für 2200 Euro (Brutto) unter den Hammer.
„Wir stehen auf köstlichem Fundament.“
Der Bremer Ratskeller zeigt sein Angebot unter
Die Aktionen zum Unesco-Welterbetag lassen sich unter
Revue passieren.