Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Christen wünschen Pfarrer in die Hölle
Heiko Bräuning wird im Internet angegriffen, weil er sich gegen Covid-19 impfen ließ
Heiko Bräuning ist entsetzt. Der evangelische Pfarrer ist es zwar gewohnt, nach seinen Gottesdiensten auf Bibel TV oder Tele 5 hin und wieder verstörende Zuschriften von Zuschauern zu bekommen. Was aber passierte, nachdem er öffentlich gemacht hatte, dass er sich gegen Covid-19 impfen ließ, hat ihn „wahnsinnig erschreckt“. Vorgeblich fromme Christen prophezeiten ihm, er werde deswegen in der Hölle schmoren. „Sie klagten mich aufs Heftigste an und drohten mir mit Satan.“
Für den 51-Jährigen war es gar keine Frage, dass er sich so schnell wie möglich gegen Corona impfen lassen wollte, sobald es für ihn möglich wäre. Nicht so sehr aus eigenem Schutz, sondern auch, um ältere und vorerkrankte Mitmenschen in seinem Umfeld nicht zu gefährden. Er entschied sich für das Vakzin von „Johnson & Johnson“, das nur einmal verabreicht werden muss. Im Mai bekam er die Impfung und schrieb in seinen Whatsapp-Status: „Johnson & Johnson: Einmal hin, alles drin.“Da begann der Shitstorm. „Das löste die verrücktesten Reaktionen aus und heftige Anklagen“, sagt der Wilhelmsdorfer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Der Grund: In manchen fundamentalistisch-christlichen Kreisen hält sich offenbar hartnäckig das Gerücht, Corona-Impfstoffe würden mit abgetriebenen Föten hergestellt.
In einem Facebook-Post wandte sich der evangelische Theologe, der unter anderem als Fernseh- und Radiopfarrer für Bibel TV sowie Tele 5 und die Radiosender BigFM und Radio 7 tätig ist, Mitte August an die Öffentlichkeit. „Leute, was ist bloß los? Alleine heute drei heftige Diskussionen mit Menschen geführt, die mich dafür verurteilen, dass ich als Christ geimpft bin“, schrieb der vierfache Familienvater. Die vielen Menschen, die ihn verurteilten, würden sich hinter der Autorität Gottes verstecken und erklärten den Fernsehpfarrer als „vom Glauben abgefallen“und nicht mehr „rechtgläubig“, „vom Satan verführt“und so weiter. Bräuning: „Die Endzeit ist für sie angebrochen! Die Nächstenliebe ist futsch, die gnadenlose Verurteilung läuft auf Hochtouren. Leute, was ist los? Wo ist der gesunde Menschenverstand hin, wo ist die Kultur der Wertschätzung und gegenseitigen Hochachtung geblieben?“
Auch auf diesen Post bekam er 136 Kommentare. Manche arg wirr. „Impfung ist Mal des Tieres. Ein wahrer Christ würde sich mit den Zeichen der Zeit befassen. (...) Sorry, aber deine Seele fährt zur Hölle!“, schrieb ihm etwa eine Frau. Eine andere hält die Impfung ebenfalls für Teufelszeug: „Gerade die Geimpften sind hoch ansteckend und selbst sehr gefährdet, schlimme Krankheitsverläufe zu erleiden“, behauptet sie bar jeder wissenschaftlichen Erkenntnis. „Wir sind nicht gezwungen, den Lügen des Widersachers und seinen Komplizen zu glauben.“Eine dritte Frau behauptete, der Impfstoff werde aus abgetriebenen Kindern gewonnen: „So was will kein Mensch in den Adern haben.“Der Pfarrer solle „nicht die anderen dazu verführen, sich diesen Giftcocktail in die Adern zu jagen, sonst macht er sich mitschuldig vor seinem Schöpfer“.
Was hält der Theologe von solchen Kommentaren? „Das sind fromme Leute, aber jemand, der mir mit Satan droht, ist nicht ganz für voll zu nehmen.“Und einige seien so verrückt, dass man sie wohl nur als „austherapiert“bezeichnen könne, meint Bräuning. Daher nimmt sich der 51Jährige die Anwürfe auch nicht allzu sehr zu Herzen. Zumal er auch überwältigenden Zuspruch bekommen hat auf seinen Facebook-Post hin. „Da sind ja viele, die mich verteidigen.“Ein Pfarrer-Kollege habe zum Beispiel mit einem Faktencheck des Bayerischen Rundfunks geantwortet, der klarstellt, dass Covid-19Impfstoffe nicht aus abgetriebenen Föten hergestellt werden. Die neuartigen mRNA-Impfstoffe schon mal gar nicht, und bei Vektor-Impfstoffen wie Astrazeneca oder Johnson & Johnson sei lediglich in der Entwicklungsphase die Zelle eines Fötus, der aus anderen Gründen abgetrieben wurde, zur Vermehrung einer Zelllinie verwendet worden. Der Bayerische Rundfunk zitiert dabei das PaulEhrlich-Institut: „Es wurde jeweils einmalig ein Embryo abgetrieben – aus den persönlichen Gründen der betreffenden Frau – und mit den entsprechenden Zellen eine permanent wachsende Zelllinie etabliert, die eingefroren und immer weiterverwendet werden kann.“Der Impfstoff selbst enthalte keine Bestandteile von Föten oder embryonale Stammzellen.
Abgesehen davon freut sich Bräuning, dass die Impfungen wieder etwas mehr Normalität ins Leben der Menschen zurückgebracht haben. Vor Kurzem war er als begleitender Pfarrer auf einer Donaukreuzfahrt mit 190 Teilnehmern, die allermeisten davon schon vollständig, einige zum ersten Mal geimpft, wenige noch gar nicht. „Wir konnten ohne Masken und ohne Angst beisammensitzen, weil wir alle auch regelmäßig getestet wurden, und nichts ist passiert.“
In der Woche ab Montag, 20. September, will Bräuning das Thema in der Morningshow von Radio 7 aufgreifen. Gegen 6.20 Uhr ist er dort montags bis freitags zu hören, außerdem noch einmal mit Nachtgedanken um 22.45 Uhr.