Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Grüne werben um die heimische Wirtschaft
Rezzo Schlauch und Johannes Kretschmann besuchen die Drahtweberei Spörl
- Es ist der erste Besuch eines Grünen Bundestagskandidaten bei der Drahtweberei Spörl in Sigmaringendorf. Johannes F. Kretschmann ist auf Wahlkampftour durch den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen, mit dabei ist auch Rezzo Schlauch, ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und Beauftragter für den Mittelstand.
Der technische Leiter von Spörl, Richard Balzer, und Geschäftsführer Dieter Ziehler empfingen die Gruppe und begannen direkt damit, ihre Standpunkte in Sachen Politik und Unternehmertum mit den Gästen zu debattieren. Ohne viele Umschweife machten die beiden deutlich, dass Baden-Württemberg und vor allem die Region ihre Stärke aus den Mittelständlern ziehe. „Die Industrie ist nicht das Feindbild, sie sorgt viel eher für den Wohlstand“, betont Balzer im Gespräch. Dem stimmt Schlauch zu, „ich habe immer großen Respekt vor dem Mittelstand gehabt, und das in meiner ganzen politischen Laufbahn“. Die Gesprächsbereitschaft des Grünen-Bundestagskandidaten Kretschmann wurde von Balzer und Ziehler positiv zur Kenntnis genommen, es wäre falsch, nicht miteinander zu kommunizieren.
Kritisch betrachteten die Unternehmer die bürokratischen Hürden, die unter anderem mit einer Photovoltaikanlage einhergehen. So gibt es eine PV-Anlage, einen Speicher für die Solarenergie und viel Papierkram, der nicht zum gewünschten Ziel führte: Die versprochene Förderung wurde am Ende abgelehnt. Kretschmann notierte sich diese Punkte und gab an, sich in seinem Wahlprogramm für einen Abbau der Bürokratie einzusetzen. „Die Menschen verschanzen sich hinter ihren Vorschriften“, so der Grünen-Kandidat. Einen Spielraum samt Fehlertoleranz gebe es nicht, da müsse etwas getan werden. Schlauch erklärte, dass auch er in seiner politischen Laufbahn auf solche Probleme gestoßen sei, was ihm noch jetzt ein Kopfschütteln abrang.
Bei den meisten Kritikpunkten in Bezug auf die Bundesregierung wies Kretschmann daraufhin, dass die Grünen derzeit in der Opposition seien und er nur versuchen könne, es besser zu machen, wenn er gewählt werde. „Wir sind für ein gesundes Klima und eine gesunde Umwelt, aber nicht für das bedingungslose Eindreschen auf die Autoindustrie“, machte Balzer deutlich. Unternehmen wie Spörl arbeiten mit dieser Branche als Zulieferer eng zusammen. Balzer selbst sei es eine „Herzensangelegenheit“, den CO2- Ausstoß zu reduzieren, aber teils dächten die Politiker zu eindimensional. Es sei wichtig, das Ganze im Auge zu haben, denn in Ländern wie China oder Mexiko werde unter anderen Bedingungen produziert.
In Deutschland Emissionen einzusparen und den Schmutz in solche Länder zu verlagern, sei keine Option für ein gutes Klima. Dem stimmte Kretschmann zu und argumentierte, dass es dafür ein Europa brauche, das gemeinsam gegen China und die dortigen Produktionsbedingungen stehe. „China wird immer besser, außer in der Demokratie“, so Kretschmann.
Eingestanden haben Schlauch und Kretschmann aber auch, dass die Politik in den vergangenen Jahren einen Fehler gemacht habe: Es sei nicht deutlich genug kommuniziert worden, dass die Energiewende eine Zumutung sein werde. „Es ist ganz klar eine Belastung“, sagt Kretschmann. Dass diese Umstrukturierung Geld koste, sei Balzer klar gewesen, „aber es geht an die Substanz“. Er ermahnte den Bundestagskandidaten, sollte er aus der Wahl als Gewinner hervorgehen, an mittelständische Unternehmen wie Spörl und die Folgen zu denken, bevor er die Hand hebe. „Ich bin bei Ihnen, um zu hören, wo der Schuh drückt“, die Anliegen und Sorgen nehme er ernst, so Kretschmann.
„Die Industrie ist nicht das Feindbild, sie sorgt viel eher für den Wohlstand“,
Richard Balzer, Technischer Leiter.