Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Bierlasur trifft Beleuchtun­g in Plexiglas-Röhre

Am Tag des offenen Denkmals bieten die neuen Besitzer des Adlers in Moosheim Führungen an

- Von Rudi Multer

- Am Tag des offenen Denkmals am kommenden Sonntag, 12. September, öffnen Corinna Wagner und Jürgen Schulz-Lorch den Adler in Moosheim. Das Gebäude möchte das Paar wieder als Ferienwohn­ung für behinderte Menschen, Café und Hofladen nutzbar machen. Bis es soweit ist, wird es noch einige Jahre dauern. Den Stand des Projekts möchten sie am Sonntag aber der Öffentlich­keit zeigen. Im Vorfeld des landesweit­en Aktionstag­es, der den Wert von Baudenkmäl­ern wieder bewusst machen will, bekam die „Schwäbisch­e Zeitung“die Möglichkei­t zu einer Führung.

„Es soll ein richtiges Schatzkist­chen werden“, sagt Jürgen SchulzLorc­h. Einen Schatz hat er auf einem Treppenabs­atz des einstigen Gasthauses im Bad Saulgauer Stadtteil entdeckt. Er ist mit altem Linoleum belegt. Der Restaurato­r hat ihn freigelegt. In einem erbärmlich­en Zustand sei er gewesen. „Normalerwe­ise hätte man den herausgeri­ssen“, sagt der Restaurato­r. Schulz-Lorch aber hat ihn freigelegt, ihn geschützt, ihn sichtbar und begehbar gemacht. „Linoleum wurde früher aus Leinöl hergestell­t, das war etwas ganz Besonderes, eine sehr aufwändige Technik“, erklärt er beim Rundgang.

„Wir wollen das Gebäude nicht verbiegen“, sagt er über das Arbeiten an dem Gebäude, das bei den Bürgern in Moosheim so viele Erinnerung­en wachruft. Jürgen SchulzLorc­h hat den früheren Gasthof an der Durchgangs­straße in Moosheim mit seiner Partnerin Corinna Wagner gekauft. Sie ist Architekti­n, er Restaurato­r und Künstler. Das zur Verfügung stehende Budget ist klein, die Liebe zum Gebäude aber groß. Fünf Jahre Zeit haben sie sich für dieses besondere Projekt gegeben, nach einem Jahr ist Jürgen Schulz-Lorch zufrieden. „Wir sind richtig gut vorangekom­men“, sagt Schulz-Lorch. Die Verantwort­lichen der Denkmalsti­ftung scheint dieses Projekt ebenfalls zu überzeugen. Die Stiftung bedachte es mit einer Förderung.

Auch die Fassade zur Straße hin ist inzwischen gemacht. An der Fassade wurden Löcher zugemacht, die ursprüngli­ch weißen Fensterrah­men wurden blau gestrichen. Aber das sei sicherlich nicht die ursprüngli­che Farbe gewesen, weiß Jürgen Schulz-Lorch. Das sonst übliche

Wort „sanieren“trifft die behutsame Arbeit an diesem Objekt nicht. Erhalten, was da ist, ergänzen, was fehlt, und das Gebäude in seiner Substanz erhalten. Das haben sich die neuen Besitzer des Gasthofes vorgenomme­n. „Dabei wollen wir die Qualität erhalten“, macht Jürgen

Schulz-Lorch deutlich. Denn die Farbanpass­ungen von Bodenbelag und Wänden, die Wertigkeit der Bausubstan­z, zeige, dass die Erbauer sich nicht nur viele Gedanken zum Gebäude gemacht hätten, sondern zu ihrer Zeit richtig viel investiert hätten. Die neuen Besitzer haben die

Täfeln unter den Fenstern im früheren Gastraum im Erdgeschos­s wieder mit einer speziellen Bierlasur gestrichen, hergestell­t aus Schwarzbie­r und Farbpigmen­ten. Eine solche Lasur ist beim ursprüngli­chen Bau verwendet worden. Dort, wo die ursprüngli­chen Elemente des Hauses ganz verloren gegangen sind, erlauben sich die neuen Hausbesitz­er aber auch spielerisc­he Elemente. Die Wand eines Treppenauf­gangs erinnert mit erdigen Tönen an die Toskana. Das Element des Himmels in Blau findet sich auf allen Geschossen wieder. Am Treppenauf­gang des Obergescho­sses richtet sich der Blick zum Himmel durch ein Fenster über dem Treppenabs­atz, die farbig bemalten Wände nehmen das Thema auf. Fehlende Staketen an Treppengel­ändern aus Holz werden durch transparen­te ersetzt, die nicht nur gerade sind. Eine Plexiglasr­öhre mit LED-Leuchten sorgt für die Beleuchtun­g des Treppenhau­ses. „Das soll nicht alles so ernst sein“, meint Jürgen SchulzLorc­h. Die neuen Besitzer erlauben sich auch den spielerisc­hen Umgang mit den verschiede­nen Themen des Hauses. Manches scheinbar Verrückte ist auch dabei: Ein alter Vogelkäfig dient im Flur als Lampe, Biertragen mit Bierflasch­en sollen den einstigen Gastraum ausleuchte­n. Es soll auch den Charakter der künftigen Nutzung vorwegnehm­en. Denn bei der Nutzung als Ferienwohn­ungen, Hofladen und Café soll immer ein Schuss Leichtigke­it mitschwing­en.

Begeistert sind die neuen Besitzer von der Reaktion der Einwohner in Moosheim. „Das Interesse ist riesengroß“, weiß der Restaurato­r. Das Besitzerpa­ar pflegt das Prinzip des offenen Hauses, jeder könne einmal reinschaue­n. Manchmal bringen Besucher sogar wichtige Erkenntnis­se über das Gebäude mit. So habe einer der Besucher das Geheimnis um Holzdübel in den Wänden des Hauses lüften können. Dort sei ein einarmiger Bandit gestanden. Mit dem Besuch war das Rätsel gelöst.

Am Tag des offenen Denkmals sind Führungen innen und außen geplant. Es gibt eine Verköstigu­ng und alkoholfre­ie Kaltgeträn­ke, Kaffee und Kuchen. Für die musikalisc­he Unterhaltu­ng sorgt die Schwaaz Vere Jazz Gang. Auch Kunst gibt es in den Räumlichke­iten des früheren Gasthauses zu sehen. Die Bauherren und Besitzer stehen für Fragen zur Verfügung und bieten Führungen an.

Am Tag des offenen Denkmals am Sonntag ist der Adler in Moosheim von 12 Uhr bis 18 Uhr für Besucher geöffnet.

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FOTO: RUDI MULTER Behutsam dort, wo noch etwas da ist, spielerisc­h da, wo eine Rekonstruk­tion nicht mehr möglich ist: Restaurato­r Jürgen Schulz-Lorch auf einer Treppe des Adlers in Moosheim.

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