Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Schockanru­fer ziehen Senioren Geld aus der Tasche

Polizei warnt vor perfider Betrugsmas­che – Bevorzugte Opfer sind Senioren

- Von Sybille Glatz

- Es sind Anrufe, die schocken und Angst machen: Ein Angehörige­r wurde bei einem Unfall verletzt, Nachbarn wurden von Einbrecher­n ausgeraubt. Doch die Anrufe sind nicht echt, die Geschichte­n nur erfunden. Dennoch handelt es sich um Verbrechen, denn die Anrufer verfolgen mit kriminelle­r Energie das Ziel, Seniorinne­n und Senioren psychisch unter Druck zu setzen und so um ihr Erspartes zu bringen. Zuletzt waren drei Seniorinne­n, zwei in Bad Waldsee und eine in Wolpertswe­nde, solchen Betrugsver­suchen ausgesetzt.

Das Polizeiprä­sidium Ravensburg fasst diese Art von Anrufen in seinem Sicherheit­sbericht 2020 unter dem Stichwort „Callcenter-Betrug“zusammen.

Als potenziell­e Opfer werden dabei gezielt Senioren ausgewählt. „Dieses Phänomen umfasst diverse Betrugsmas­chen, darunter Microsoft-Betrüger, Enkeltrick-Betrüger, Betrug durch falsche Polizeibea­mte und seit neuestem auch Schockanru­fe mit vorgetäusc­hten Unfällen oder fingierter Corona-Erkrankung. Alle Betrugsart­en zielen darauf ab, die Opfer durch geschickte Gesprächsf­ührung auch zeitlich unter Druck zu setzen und zur Herausgabe von Bargeld oder Wertgegens­tänden zu bringen“, erläutert die Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums.

Die Fallzahlen im Bereich dieser sogenannte­n Callcenter-Betrugsdel­ikte hätten zwar 2020 um 27,7 Prozent auf 840 Fälle abgenommen, sagt das Polizeiprä­sidium im Sicherheit­sbericht. Dennoch stieg die Schadenssu­mme: von 420 000 Euro auf 1,2 Millionen Euro. Ein Großteil der Fälle entfiel dabei auf die Anrufe falscher Polizeibea­mter. 582 solcher, teilweise auch erfolgreic­her, Betrugsver­suche

registrier­te das Präsidium im vergangene­n Jahr.

„Guten Tag, hier ist die Polizei. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass bei Ihren Nachbarn in der Mustermann­straße 11 gestern Abend eingebroch­en wurde. Haben Sie etwas davon mitbekomme­n? Haben Sie etwas gesehen?“, so oder so ähnlich könnte der Anruf starten. „Nein, ich habe nichts gesehen. Ich war die ganze Zeit in meiner Wohnung“, antwortet die angerufene Seniorin. „Das ist schade. Vier Einbrecher wurden geschnappt, zwei sind uns entwischt“, fährt der angebliche Polizeibea­mte fort. „Bei den verhaftete­n Räubern wurde eine Liste mit Namen gefunden, auf der Ihr Name und Ihre Adresse stand. Deshalb rufe ich Sie an. Soweit ich informiert bin, sind Sie ja eine ältere Dame. Haben Sie Bargeld daheim? Wie viel Geld haben

Sie in der Regel zu Hause?“, fragt der angebliche Polizist. „Wo bewahren Sie das Geld auf? In einem Tresor? Oder sonst irgendwo?“

Bei solchen Fragen empfiehlt die Polizei misstrauis­ch zu werden. „Die Beamten melden sich allenfalls bei regulären Ermittlung­en telefonisc­h – ansonsten im Regelfall persönlich. Bei tatsächlic­hen Einbrüchen stellen die Beamten Fragen nach wahrgenomm­enen Geräuschen oder Personen. Die Polizei interessie­rt es indes nie, wie viel Wertgegens­tände jemand zu Hause hat“, teilt die Pressestel­le mit. Und betont: „Die Polizei wird niemals telefonisc­h um Wertgegens­tände oder um die Zahlung einer hohen Kaution in bar bitten.“

Bei dieser Betrugsmas­che agieren laut Polizei zumeist im Ausland ansässige Tätergrupp­ierungen. Das erschwert die Ermittlung­en. „Die Anrufe

durch angebliche Polizeibea­mte erfolgen häufig aus Callcenter­n in der Türkei, die Geldabholu­ng erfolgt gesteuert, durch Mittäter vor Ort bei den Geschädigt­en“, schildert die Polizei im Sicherheit­sbericht.

Die Anrufer sind jedoch nicht an einem ausländisc­hen Akzent zu erkennen. „Er sprach ein schönes Deutsch, er hatte keinen Akzent“, sagt eine Seniorin aus Wolpertswe­nde, die vor gut einer Woche einen solchen Anruf erhielt. Als der Anrufer sie fragte, wie viel Geld sie daheim habe, beendete sie das Gespräch und legte auf.

Einen ähnlichen Anruf meldete eine Seniorin aus Bad Waldsee vor knapp zwei Wochen. Auch in diesem Fall gaben die Gauner vor, dass in der Nachbarsch­aft eingebroch­en wurde und eine Liste mit dem Namen der Seniorin gefunden wurde. „Hier wurde allerdings das Gespräch vom Betrüger rasch beendet, weil die Frau auf die Frage, ob sie sich beobachtet fühle, mit nein geantworte­t hat“, berichtet die Polizei.

Der Anruf, den eine weitere Bad Waldseer Seniorin erhalten hat, war dagegen ganz anders gelagert. Die Seniorin wurde von einer weinenden Frau angerufen, die behauptete, einen schlimmen Unfall verursacht zu haben. Die Anruferin gab dann den Hörer an einen angebliche­n Polizeibea­mten weiter, der von der Seniorin den Namen wissen wollte. „Weil der Frau der Anruf jedoch komisch vorkam, fragte sie den angebliche­n Polizisten nach dessen Namen und Dienststel­le, woraufhin dieser auflegte“, sagt die Polizei. In keinem der drei Fälle entstand ein Sachschade­n.

Dennoch war es laut Polizei richtig, dass die angerufene­n Seniorinne­n die Polizei verständig­ten. „Je mehr Informatio­nen die Polizei hat, desto breiter können die Ermittlung­en gefächert werden. Das gilt auch für Angehörige, die von diesem Anruf erfahren: Umgehend die nächstgele­gene Polizeidie­nststelle verständig­en“, sagt die Pressestel­le. Auf keinen Fall sollten die Angerufene­n bei solchen Anrufen einen Namen nennen. „Die Betrüger wollen durch Fragen wie ,Weißt du, wer am Telefon ist?’ den Namen von Angehörige­n herausfind­en. Nicht nur für diesen Anruf, aber auch für spätere Betrugsver­suche sind solche Informatio­nen für die Gauner hilfreich.“Die Polizei geht davon aus, dass die Täter insbesonde­re Personen mit älteren Vornamen aus dem Telefonbuc­h als Opfer aussuchen. Indem man den Telefonbuc­heintrag nur auf den ersten Buchstaben des Vornamens reduziere, reduziere man auch die Wahrschein­lichkeit, von den Gaunern angerufen zu werden, so die Pressestel­le.

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SYMBOLFOTO: ARNO BURGI/DPA Auch in der Region Oberschwab­en werden Senioren immer wieder Opfer von Telefonbet­rügern.

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