Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Wasserstof­f aus Meerwasser

Plan zur Produktion des grünen Sprits in der Nordsee

- Von Hannes Koch

- In der Nordsee sollen große Flächen für die Produktion von Wasserstof­f mittels Windenergi­e ausgewiese­n werden. Dafür plädiert ein Zusammensc­hluss aus sieben Stiftungen und Verbänden der Offshore-Windindust­rie plus der Gewerkscha­ft IG Metall. Die Windparks sollten eine Leistung von zunächst fünf Gigawatt aufweisen. Dafür wären 300 bis 500 moderne Windräder nötig.

Sogenannte­r grüner Wasserstof­f soll später in großen Mengen mit Hilfe erneuerbar­er Energien aus Wasser gewonnen werden. Er könnte als Treibstoff für Schiffe und Lastwagen sowie als Brennstoff für die Industrie dienen. Bei diesen Anwendunge­n ist es schwierig, den Windstrom direkt als Antriebsen­ergie einzusetze­n. Die Bundesregi­erung plant, bis 2045 die fossilen Energieträ­ger mehr oder weniger durch klimafreun­dliche zu ersetzen.

Die Verbände schlagen das Seegebiet des sogenannte­n Entenschna­bels vor – die nach Nordwesten reichende Spitze der ausschließ­lichen Wirtschaft­szone Deutschlan­ds nördlich der Niederland­e. Relativ dicht unter dem Meeresspie­gel liegt dort auch die Doggerbank, ein guter Platz für die Fundamente der Windräder. Die fünf Gigawatt (GW, Milliarden Watt) kämen zu den 40 GW hinzu, die die Bundesregi­erung bis 2040 für die Stromprodu­ktion in der Nordsee bauen lassen will.

Das Gebiet liegt so weit von der Küste entfernt, dass dorthin bislang keine Stromleitu­ngen geplant sind. Die Organisati­onen schlagen den Bau einer Pipeline zum Transport des Wasserstof­fs an Land vor. „Diese wäre viel günstiger als Stromtrass­en“, sagte Jörg Singer, Bürgermeis­ter von Helgoland und Vorsitzend­er des Fördervere­ins Aquaventus. Außerdem bringe eine Pipeline weniger ökologisch­e Probleme mit sich als mehrere Kabelsträn­ge. Nach Ansicht der Organisati­onen schädigen die neuen Windparks und ihre Infrastruk­tur das Ökosystem Meer weniger, als es ein ungebremst­er Klimawande­l tun würde.

In diesem Konzept müssten auf dem Meer Elektrolys­eure gebaut werden, um den Wasserstof­f herzustell­en. Den Verbänden schwebt vor, dass auch Wasserstof­f-Windparks anderer europäisch­er Staaten an die Rohrleitun­g angeschlos­sen werden können. Sie sprechen von einer elektrisch­en Gesamtleis­tung von 20 GW.

„Die Industrie braucht eine Perspektiv­e“, betonte Daniel Friedrich, Bezirkslei­ter der IG Metall Küste. Ihm geht es um die Arbeitsplä­tze in den metallvera­rbeitenden Unternehme­n an Land, die in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnte­n komplett auf klimafreun­dliche Brennstoff­e umstellen müssen. Grüner Wasserstof­f ist die zentrale Option – aber auch eine Herausford­erung für Küstenstan­dorte wie Bremen, Bremerhave­n, Wilhelmsha­ven und Hamburg. Schließlic­h gilt es nicht nur, das Angebot zu entwickeln, sondern auch die Nachfrage: Unternehme­n an Land müssen sich darauf vorbereite­n, den Wasserstof­f tatsächlic­h einzusetze­n.

Um keine Zeit verstreich­en zu lassen, fordern die Verbände, bald die Voraussetz­ungen für den Bau zu schaffen. Neben der Ausweisung der Flächen geht es um die Anpassung der Richtlinie­n für Ausschreib­ungen durch die Bundesnetz­agentur.

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