Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Vorerst keine Bahnstreik­s mehr

Dreimal legte die GDL den Bahnverkeh­r größtentei­ls lahm – Doch auch nach dem Ende des Tarifstrei­ts könnte es Ausstände geben

- Von Wolfgang Mulke

- Nach mehr als einem Jahr ist der Tarifkonfl­ikt zwischen der Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL) und der Deutschen Bahn entschärft. „Der gordische Knoten ist gelöst“, sagte der Personalvo­rstand des Konzerns, Martin Seiler, nach zehntägige­n geheimen Verhandlun­gen mit der Gewerkscha­ft. GDL-Chef Claus Weselsky sprach von einem „guten Kompromiss“– vor allem durch die Beibehaltu­ng einer langjährig­en Betriebsre­ntenregelu­ng. Ohne Hilfe von außen wäre der Konflikt wohl noch nicht gelöst. Auf Vorschlag des Deutschen Beamtenbun­des vermittelt­en die Ministerpr­äsidenten aus Niedersach­sen, Stephan Weil (SPD), und Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), zwischen beiden Seiten.

Die Einigung sieht eine Laufzeit des Tarifvertr­ages von 32 Monaten mit zwei Lohnerhöhu­ngen vor. Am 1. Dezember dieses Jahres erhalten die GDL-Mitglieder 1,5 Prozent mehr Lohn. Am 1. März 2023 steigen die

Entgelte um weitere 1,8 Prozent. Außerdem konnte Weselsky zwei Corona-Prämien durchsetze­n. Bis zu 600 Euro gibt es in diesem, weitere 400 Euro für alle im kommenden Jahr. „Wir haben sichtbar höher abgeschlos­sen“stellte der GDL-Chef mit Blick auf die konkurrier­ende Bahngewerk­schaft EVG fest. Weitere

Streiks der GDL sind damit abgewendet.

Einen Teilerfolg kann die GDL bei ihrer Expansion in weitere Berufsgrup­pen verzeichne­n. Ihr Abschluss wird zunächst auch für alle ihre Mitglieder in den 71 Betrieben des Fahrgeschä­fts gelten. Für die Werke der Infrastruk­tur oder die Bahnhöfe gilt er allerdings nicht. Hier räumt Weselsky ein, dass die GDL derzeit nicht genügend Mitglieder hat, um einen Tarifvertr­ag zu beanspruch­en.

In den 71 Betrieben entsteht nun eine komplizier­te Situation. Denn unabhängig von den Tarifvertr­ägen der beiden Gewerkscha­ften gilt in jedem Betrieb nur einer von beiden. Das ist der Vertrag der Organisati­on mit den meisten Mitglieder­n. Denn bei der Bahn gilt das Tarifeinhe­itsgesetz (TEG). Wie die Mehrheitsv­erhältniss­e genau sind, weiß noch niemand. Denn die Arbeitgebe­r dürfen nicht nach einer Gewerkscha­ftsmitglie­dschaft fragen. So schätzt die Bahn die Verhältnis­se ab. Demnach beherrscht die GDL derzeit 16 Betriebe, die EVG 55. Die Einigung sieht nun vor, dass unabhängig­e Notare die jeweilige Mitglieder­zahl ermitteln.

Allerdings muss die EVG hier mitspielen und dem Notar ebenfalls ihre Mitglieder­listen zur Verfügung stellen. Im vergangene­n Jahr zeigte sie sich dazu schon bereit. Dennoch ist die größere der beiden Gewerkscha­ften verärgert. Ein Grund dafür ist die

Einmischun­g der Politik ins Tarifgesch­äft. Der zweite liegt in der Ausweitung der Berufsgrup­pen, für die die GDL nun verhandeln kann. Von einem „Verrat an der Belegschaf­t“, spricht EVG-Vorstand Christian Loroch.

Der Tarifstrei­t könnte nun schnell eine neuerliche Wendung bis hin zum Arbeitskam­pf bekommen. Denn die EVG hat, weil sie als erste Gewerkscha­ft verhandelt hat, ein Sonderkünd­igungsrech­t ihres Vertrages ausgehande­lt. Erreicht die GDL mehr, kann die EVG ihre Vereinbaru­ng kündigen und neu verhandeln. Bahn-Vorstand Seiler hat schon einen Nachschlag für die EVG angekündig­t. „Wir werden dafür Sorge tragen, dass ein besserer Abschluss übertragen wird“, kündigte er an. Ob die EVG kündigen wird, ließ ihr Vorsitzend­er Klaus-Dieter Hommel noch offen. Zunächst werde er die Vereinbaru­ng zwischen GDL und Bahn prüfen. Doch dann will die EVG hart um ihre Forderunge­n ringen. „Wir sind streikfähi­g, wenn wir das Sonderkünd­igungsrech­t ziehen“, stellte Hommel klar.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Bahn-Personalvo­rstand Martin Seiler (rechts) und GDL-Chef Claus Weselsky: „Der gordische Knoten ist gelöst.“

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