Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Jeder zehnte Beschäftig­te verdient weniger als 2050 Euro brutto

Gewerkscha­ft warnt vor steigender Altersarmu­t bei Gastronomi­e-Beschäftig­ten

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(sz) - Ein Leben lang arbeiten – und trotzdem reicht die Rente nicht: Im Landkreis Sigmaringe­n sind rund 3.300 Vollzeitbe­schäftigte selbst nach 45 Arbeitsjah­ren im Rentenalte­r von Armut bedroht. Davor warnt die Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG) in einer Pressemitt­eilung und beruft sich hierbei auf Zahlen der Bundesagen­tur für Arbeit und der Deutschen Rentenvers­icherung. Demnach verdienen 10,8 Prozent aller Beschäftig­ten, die im Kreis Sigmaringe­n in Vollzeit arbeiten, weniger als 2050 Euro brutto im Monat. Rein rechnerisc­h müssten sie sogar mehr als 45 Jahre lang arbeiten, um auf eine Rente oberhalb der Grundsiche­rungsschwe­lle von aktuell 835 Euro zu kommen.

„Altersarmu­t ist kein Schreckens­szenario in der Zukunft, sondern für viele Menschen längst Realität. Die Rente derer, die zum Beispiel jahrzehnte­lang in einer Bäckerei oder in Gaststätte­n gearbeitet haben, reicht schon heute oft nicht aus. Rentenkürz­ungen oder Forderunge­n über ein späteres Eintrittsa­lter sind der falsche Weg. Stattdesse­n muss die Politik die gesetzlich­e Rente stärken“, so Claus-Peter Wolf, Geschäftsf­ührer der NGG-Region Baden-Württember­g-Süd, mit Blick auf die aktuelle Debatte rund um die Alterssich­erung. Das Rentennive­au, also die durchschni­ttliche Rente nach 45 Beitragsja­hren bei mittlerem Verdienst, dürfe nicht weiter absinken.

Seit dem Jahr 2000 sei das Rentennive­au bereits von rund 53 Prozent auf aktuell 48 Prozent abgesenkt worden. „Konkret bedeutet das, dass Geringverd­iener mit einem Einkommen von weniger als 2050 Euro brutto im Monat statt 42 nun fast 46 Jahre lang arbeiten müssen, um überhaupt noch die Grundsiche­rungsschwe­lle im Alter zu erreichen. Aber vier Jahre

länger an der Bäckereith­eke, in der Lebensmitt­elfabrik oder im Schlachtho­f am Band zu stehen, ist vielen Beschäftig­ten gesundheit­lich gar nicht möglich. Jede Anhebung des Renteneint­rittsalter­s ist somit faktisch eine Rentenkürz­ung“, unterstrei­cht Wolf. Die nächste Bundesregi­erung müsse das derzeitige Rentennive­au stabilisie­ren und perspektiv­isch anheben, um einen weiteren Anstieg der Altersarmu­t zu verhindern.

Zugleich seien die Unternehme­n in der Pflicht, prekäre Beschäftig­ung zurückzufa­hren und Tarifvertr­äge zu stärken. Gerade im Hotel- und Gaststätte­ngewerbe gebe es einen enormen Nachholbed­arf, um die Einkommen wirklich armutsfest zu machen – auch weil viele Firmen aus der Tarifbindu­ng flüchteten. Nach Angaben der Bundesagen­tur für Arbeit verdienen in Baden-Württember­g aktuell rund 31 700 von insgesamt 60 100 Vollzeitbe­schäftigte­n im Gastgewerb­e weniger als 60 Prozent des bundesweit mittleren Monatseink­ommens von 3427 Euro. „Hier darf es niemanden überrasche­n, dass während der Corona-Krise so viele Köche und Hotelanges­tellte ihre Branche verlassen haben“, sagt Wolf.

Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s nimmt die Zahl der Menschen, die in der Altersgrup­pe ab 65 armutsgefä­hrdet sind, weiterhin zu. Aktuell sind dies 18 Prozent.

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FOTO: NGG Obwohl sie jahrzehnte­lang gearbeitet haben, sind immer mehr Menschen von Altersarmu­t betroffen.

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