Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Putins Macht ist nicht in Gefahr
In Russland liegt mal wieder Betrug in der Luft. In Sibirien wechselt man halbwegs faire Leiter regionaler Wahlkommissionen aus. Die Wählerrechtsgruppe „Golos“beklagt, nur in der Hälfte der 96 000 Abstimmungslokale werde es objektive Beobachter geben. Die Wahl jedoch läuft – und in Moskau fragen sich viele: Wie will die Staatsmacht das Resultat der Kremlpartei Geeintes Russland retten? Nach letzten Prognosen will nicht einmal ein Drittel der 108 Millionen Wähler für Wladimir Putins Partei stimmen. 2016 holte sie noch über 54 Prozent und hatte mit 343 der 450 Sitze eine satte Verfassungsmehrheit.
Dieses Polster will verteidigt sein. Die Opposition befürchtet, die Behörden würden der Staatspartei, deren Zustimmungsrate sich seit 2015 fast halbiert hat, mit den üblichen Manipulationen unter die Arme greifen. Etwa mit administrativem Druck auf Wähler, die im öffentlichen Dienst oder in Großbetrieben arbeiten. Oder mit banal gefälschten Auszählungen. Auch die Resultate der Online-Wahlen, zu denen zehn Millionen Wähler Zugang haben, sind nicht öffentlich kontrollierbar.
Ob es am Ende für eine neue Zweidrittelmehrheit reicht? Der Kreml steht vor der Wahl: Entweder er organisiert diese Mehrheit auf Teufel komm raus oder er bescheidet sich mit einem schmaleren Sieg, um die Stimmung im Volk nicht weiter zu verschlechtern. Russische Medien zitieren Quellen aus der Präsidialverwaltung, man könne auch mit 40 bis 45 Prozent der Stimmen und 270 Duma-Sitzen leben. Das wäre noch immer die absolute Mehrheit.
Allerdings gibt es da noch die Kommunisten. Angesichts wachsender Verarmung wählen viele Russen wieder links. Und Alexej Nawalnys Restteam veranstaltet wieder die „kluge Abstimmung“, um die Kandidaten der Putin-Partei zu verhindern. Empfohlen wird, 137 Direktkandidaten der Kommunisten zu wählen. Tatsächlich kuscht aber auch KP-Chef Gennadi Sjuganow, wenn der Kreml es befiehlt. Zudem wird auch für 69 rechtsgerichtete Bewerber geworben. Die „kluge Abstimmung“droht sich selbst ad absurdum zu führen. Am Ende ist Putins Macht ohnehin nicht in Gefahr.