Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Eurozonen-Inflation auf Zehnjahreshoch
(dpa) - Die Inflation im Euroraum hat im August deutlich zugelegt und den höchsten Stand seit fast zehn Jahren erreicht. Die Verbraucherpreise seien gegenüber dem Vorjahr um 3,0 Prozent gestiegen, teilte das Statistikamt Eurostat am Freitag in Luxemburg laut einer zweiten Schätzung mit. Damit wurde eine erste Schätzung bestätigt. Es ist die höchste Inflationsrate seit November 2011. Im Juli hatte die Rate noch bei 2,2 Prozent gelegen.
Besonders stark verteuerte sich im August erneut Energie, die 15,4 Prozent teurer war als ein Jahr zuvor. Preise für Industriegüter stiegen um 2,6 Prozent. Lebens- und Genussmittel kosteten 2,0 Prozent mehr als vor einem Jahr. Dienstleistungen waren 1,1 Prozent teurer. Die Kernteuerungsrate ohne Energie und Lebensmittel stieg ebenfalls deutlich. Sie erhöhte sich von 0,7 Prozent auf 1,6 Prozent. Die Kerninflation gilt vielen Ökonomen als zuverlässigere Messgröße für die Teuerung, da sie in der Regel weniger stark schwankt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an. Diese Rate wird gegenwärtig klar überschritten. Allerdings will die EZB nicht gegensteuern, weil sie den Inflationsanstieg als temporär erachtet. Sie verweist auf zahlreiche Sondereffekte, die überwiegend auf die Corona-Krise zurückgehen.
Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält die Sorgen angesichts steigender Inflationsraten für unbegründet.
- Die Wirtschaftsmacht von nebenan – mit diesem Slogan wirbt das Handwerk für sich. Doch die Wirtschaftsmacht von nebenan hat trotz glänzender Perspektiven ein Nachwuchsproblem. Zum Tag des Handwerks – ein jährlicher Aktionstag der Branche, der jeweils am dritten Samstag im September stattfindet – erklärt Joachim Krimmer, oberster Handwerker der 19 500 Betriebe zwischen Jagst und Bodensee, warum der Beginn einer Handwerkslehre kein Scheitern, sondern genau die richtige Entscheidung ist.
Herr Krimmer, im Gebiet der Handwerkskammer Ulm haben zum 1. September 2622 Auszubildende neue Lehrverträge abgeschlossen. Das sind 17 mehr als im Vorjahr. Sind Sie zufrieden?
Wir sind im Plus. Das war schwierig und nicht selbstverständlich in diesem herausfordernden Jahr. Von daher sind wir sehr froh, dass wir das Corona-Jahr hinter uns lassen und wieder unseren Wachstumstrend aufnehmen konnten. Es sind aber auch noch 712 Ausbildungsplätze im Kammergebiet unbesetzt.
Durch den Bauboom sind Handwerker aktuell gefragt wie nie, die Perspektiven waren selten besser. Warum fällt es der Branche so schwer, ausreichend Nachwuchs zu rekrutieren?
Das hat unter anderem mit der noch immer fehlenden Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu tun. Ein Geselle, der sich entschließt, auf die Hochschule zu gehen, bekommt die Ausbildung dort mitsamt den Prüfungen kostenlos. Obendrauf gibts noch ein Studententicket für den öffentlichen Nahverkehr. Der gleiche Geselle, der sich entschließt, den Meister zu machen, zahlt dafür bis zu 10 000 Euro – ohne Nahverkehrsticket. Zwar konnte das Handwerk in zähem Ringen mit der Politik die Auszahlung einer Meisterprämie von 1500 Euro durchsetzen, mit der Kurs und Prüfung zumindest teilweise bezahlt werden können. Doch bleibt nach wie vor eine erhebliche Lücke. Ich sage: Es muss sich auch finanziell zeigen, was uns berufliche Bildung wert ist.
Bleiben wir beim Geld. Ist es nicht auch so, dass die Verdienstperspektiven im Handwerk hinter denen in der Industrie zurückbleiben?
die Vorstellung, dass Karriere und sozialer Aufstieg nur mit einem Hochschulstudium gelingen. Doch das ist Unfug. Eine Handwerkslehre ist kein Scheitern, sondern oftmals die richtige Entscheidung. Handwerker werden in den nächsten fünf Jahren doppelt so stark gefragt sein, wie Akademiker. Wer ordentliche Arbeit leistet, dem stehen Tür und Tor offen. Das hat sich aber noch längst nicht bei allen Eltern herumgesprochen. Ich kann nur jedem jungen Menschen raten, eine Ausbildung im Handwerk zu machen. Die Berufsfelder sind vielfältig und interessant – es ist für jeden etwas dabei.
Warum verfangen diese Argumente nicht?
zubildenden, der inzwischen bei gut 15 Prozent liegt. Früher haben wir an Gymnasien keinen Fuß in die Tür bekommen. hohen, wahrscheinlich sogar höheren Nachfrage nach Handwerksleistungen. Umso wichtiger ist es, auch ältere Mitarbeiter permanent weiterzubilden und mitzunehmen, damit diese sich im verändernden Berufsalltag nicht abgehängt fühlen. Denn die Anforderungen in den verschiedenen Handwerksberufen haben nicht mehr viel gemein mit denen vergangener Jahre. In diesenmPunkt sind noch längst nicht alle unsere Wünsche erfüllt.
Was wünscht sich das Handwerk denn?
Energiewende gelingen sollen und auch ältere Mitarbeiter mit den Entwicklungen der Technik Schritt halten können. Ich habe vor 45 Jahren eine Ausbildung zum Heizungsbauer gemacht, habe geschweißt und Rohre gebogen. Heute muss man Komponenten miteinander verbinden, aufeinander abstimmen, gewerkeübergreifend denken und arbeiten. Die Heizung kommuniziert mit der Regeltechnik vom Elektriker, und die schaltet in einem Zimmer die Wärme ab, wenn die Fenster geöffnet werden. Was ich damit sagen will: Die Berufsprofile im Handwerk von damals sind mit denen von heute nicht mehr zu vergleichen. Ohne Smartphone und Tablet geht auf den Baustellen von heute nichts mehr. Das heißt, dass wir unsere Berufsbildungsstätten auf modernstem Niveau halten müssen. Das geht nur mit mehr Geld.
Wissen die zuständigen Stellen in Stuttgart und Berlin um die Probleme?
Bei Herrn Kretschmann und Frau Hoffmeister-Kraut stoßen wir auf offene Ohren. Vieles steht aber unter Finanzierungsvorbehalt. Wenn es Spitz auf Knopf steht, hoffen wir, dass das Handwerk nicht vergessen wird und anstatt einer neuen Straße beispielsweise unsere Bildungsakademie in Ulm bedacht wird. Es wird schon viel gemacht, aber, um es wie beim Metzger zu sagen: Es darf ruhig noch a bissle mehr sein.
Höhere Materialpreise, steigende Handwerkerkosten, endlose Wartezeiten – sind am Ende die Kunden die Gekniffenen?
Der Markt hat sich gedreht. Der Vernichtungswettbewerb im Handwerk, der noch vor zehn Jahren an der Tagesordnung war, ist definitiv passé. Und das ist auch gut so. Leider sind Wartezeiten wegen des Baubooms und des Materialmangels und Fachkräftebedarfs an der Tagesordnung. Das ist nicht nur für die Kunden, sondern auch für die Handwerksbetriebe nicht schön. Die würden Aufträge viel lieber umgehend ausführen. An dieser Situation dürfte sich so schnell aber auch nichts ändern. Kunden kann ich nur raten, sich frühzeitig zu kümmern und Geduld mitzubringen. Das waren viele bisher nicht gewohnt.
Wer kann sich angesichts dieser Rahmenbedingungen perspektivisch denn noch Wohneigentum leisten?
Zunächst einmal: Höhere Handwerkerkosten sind für den Preisanstieg im Wohnungsbau nur in sehr geringem Maße verantwortlich. Preistreiber sind die immer schärferen gesetzlichen Anforderungen, beispielsweise für Brandschutz, Schallschutz oder Umweltschutz. Das mag für sich allein betrachtet alles sinnvoll sein – in der Summe sprengt es jedoch Maß und Mitte, und birgt sozialen Sprengstoff. Schließlich wollen sich auch künftig noch Menschen ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen, die keine Gehaltsmillionäre sind. In vielen Bereichen gibt es zwar üppige staatliche Förderungen, etwa beim Austausch alter Heizungen. Doch das ist für mich eine Milchmädchenrechnung. Wenn der Staat kein Geld mehr hat, gibt es auch keine Zuschüsse mehr.