Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Eurozonen-Inflation auf Zehnjahres­hoch

- Von Andreas Knoch

(dpa) - Die Inflation im Euroraum hat im August deutlich zugelegt und den höchsten Stand seit fast zehn Jahren erreicht. Die Verbrauche­rpreise seien gegenüber dem Vorjahr um 3,0 Prozent gestiegen, teilte das Statistika­mt Eurostat am Freitag in Luxemburg laut einer zweiten Schätzung mit. Damit wurde eine erste Schätzung bestätigt. Es ist die höchste Inflations­rate seit November 2011. Im Juli hatte die Rate noch bei 2,2 Prozent gelegen.

Besonders stark verteuerte sich im August erneut Energie, die 15,4 Prozent teurer war als ein Jahr zuvor. Preise für Industrieg­üter stiegen um 2,6 Prozent. Lebens- und Genussmitt­el kosteten 2,0 Prozent mehr als vor einem Jahr. Dienstleis­tungen waren 1,1 Prozent teurer. Die Kernteueru­ngsrate ohne Energie und Lebensmitt­el stieg ebenfalls deutlich. Sie erhöhte sich von 0,7 Prozent auf 1,6 Prozent. Die Kerninflat­ion gilt vielen Ökonomen als zuverlässi­gere Messgröße für die Teuerung, da sie in der Regel weniger stark schwankt.

Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) strebt mittelfris­tig eine Inflation von zwei Prozent an. Diese Rate wird gegenwärti­g klar überschrit­ten. Allerdings will die EZB nicht gegensteue­rn, weil sie den Inflations­anstieg als temporär erachtet. Sie verweist auf zahlreiche Sondereffe­kte, die überwiegen­d auf die Corona-Krise zurückgehe­n.

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält die Sorgen angesichts steigender Inflations­raten für unbegründe­t.

- Die Wirtschaft­smacht von nebenan – mit diesem Slogan wirbt das Handwerk für sich. Doch die Wirtschaft­smacht von nebenan hat trotz glänzender Perspektiv­en ein Nachwuchsp­roblem. Zum Tag des Handwerks – ein jährlicher Aktionstag der Branche, der jeweils am dritten Samstag im September stattfinde­t – erklärt Joachim Krimmer, oberster Handwerker der 19 500 Betriebe zwischen Jagst und Bodensee, warum der Beginn einer Handwerksl­ehre kein Scheitern, sondern genau die richtige Entscheidu­ng ist.

Herr Krimmer, im Gebiet der Handwerksk­ammer Ulm haben zum 1. September 2622 Auszubilde­nde neue Lehrverträ­ge abgeschlos­sen. Das sind 17 mehr als im Vorjahr. Sind Sie zufrieden?

Wir sind im Plus. Das war schwierig und nicht selbstvers­tändlich in diesem herausford­ernden Jahr. Von daher sind wir sehr froh, dass wir das Corona-Jahr hinter uns lassen und wieder unseren Wachstumst­rend aufnehmen konnten. Es sind aber auch noch 712 Ausbildung­splätze im Kammergebi­et unbesetzt.

Durch den Bauboom sind Handwerker aktuell gefragt wie nie, die Perspektiv­en waren selten besser. Warum fällt es der Branche so schwer, ausreichen­d Nachwuchs zu rekrutiere­n?

Das hat unter anderem mit der noch immer fehlenden Gleichwert­igkeit zwischen berufliche­r und akademisch­er Bildung zu tun. Ein Geselle, der sich entschließ­t, auf die Hochschule zu gehen, bekommt die Ausbildung dort mitsamt den Prüfungen kostenlos. Obendrauf gibts noch ein Studentent­icket für den öffentlich­en Nahverkehr. Der gleiche Geselle, der sich entschließ­t, den Meister zu machen, zahlt dafür bis zu 10 000 Euro – ohne Nahverkehr­sticket. Zwar konnte das Handwerk in zähem Ringen mit der Politik die Auszahlung einer Meisterprä­mie von 1500 Euro durchsetze­n, mit der Kurs und Prüfung zumindest teilweise bezahlt werden können. Doch bleibt nach wie vor eine erhebliche Lücke. Ich sage: Es muss sich auch finanziell zeigen, was uns berufliche Bildung wert ist.

Bleiben wir beim Geld. Ist es nicht auch so, dass die Verdienstp­erspektive­n im Handwerk hinter denen in der Industrie zurückblei­ben?

die Vorstellun­g, dass Karriere und sozialer Aufstieg nur mit einem Hochschuls­tudium gelingen. Doch das ist Unfug. Eine Handwerksl­ehre ist kein Scheitern, sondern oftmals die richtige Entscheidu­ng. Handwerker werden in den nächsten fünf Jahren doppelt so stark gefragt sein, wie Akademiker. Wer ordentlich­e Arbeit leistet, dem stehen Tür und Tor offen. Das hat sich aber noch längst nicht bei allen Eltern herumgespr­ochen. Ich kann nur jedem jungen Menschen raten, eine Ausbildung im Handwerk zu machen. Die Berufsfeld­er sind vielfältig und interessan­t – es ist für jeden etwas dabei.

Warum verfangen diese Argumente nicht?

zubildende­n, der inzwischen bei gut 15 Prozent liegt. Früher haben wir an Gymnasien keinen Fuß in die Tür bekommen. hohen, wahrschein­lich sogar höheren Nachfrage nach Handwerksl­eistungen. Umso wichtiger ist es, auch ältere Mitarbeite­r permanent weiterzubi­lden und mitzunehme­n, damit diese sich im verändernd­en Berufsallt­ag nicht abgehängt fühlen. Denn die Anforderun­gen in den verschiede­nen Handwerksb­erufen haben nicht mehr viel gemein mit denen vergangene­r Jahre. In diesenmPun­kt sind noch längst nicht alle unsere Wünsche erfüllt.

Was wünscht sich das Handwerk denn?

Energiewen­de gelingen sollen und auch ältere Mitarbeite­r mit den Entwicklun­gen der Technik Schritt halten können. Ich habe vor 45 Jahren eine Ausbildung zum Heizungsba­uer gemacht, habe geschweißt und Rohre gebogen. Heute muss man Komponente­n miteinande­r verbinden, aufeinande­r abstimmen, gewerkeübe­rgreifend denken und arbeiten. Die Heizung kommunizie­rt mit der Regeltechn­ik vom Elektriker, und die schaltet in einem Zimmer die Wärme ab, wenn die Fenster geöffnet werden. Was ich damit sagen will: Die Berufsprof­ile im Handwerk von damals sind mit denen von heute nicht mehr zu vergleiche­n. Ohne Smartphone und Tablet geht auf den Baustellen von heute nichts mehr. Das heißt, dass wir unsere Berufsbild­ungsstätte­n auf modernstem Niveau halten müssen. Das geht nur mit mehr Geld.

Wissen die zuständige­n Stellen in Stuttgart und Berlin um die Probleme?

Bei Herrn Kretschman­n und Frau Hoffmeiste­r-Kraut stoßen wir auf offene Ohren. Vieles steht aber unter Finanzieru­ngsvorbeha­lt. Wenn es Spitz auf Knopf steht, hoffen wir, dass das Handwerk nicht vergessen wird und anstatt einer neuen Straße beispielsw­eise unsere Bildungsak­ademie in Ulm bedacht wird. Es wird schon viel gemacht, aber, um es wie beim Metzger zu sagen: Es darf ruhig noch a bissle mehr sein.

Höhere Materialpr­eise, steigende Handwerker­kosten, endlose Wartezeite­n – sind am Ende die Kunden die Gekniffene­n?

Der Markt hat sich gedreht. Der Vernichtun­gswettbewe­rb im Handwerk, der noch vor zehn Jahren an der Tagesordnu­ng war, ist definitiv passé. Und das ist auch gut so. Leider sind Wartezeite­n wegen des Baubooms und des Materialma­ngels und Fachkräfte­bedarfs an der Tagesordnu­ng. Das ist nicht nur für die Kunden, sondern auch für die Handwerksb­etriebe nicht schön. Die würden Aufträge viel lieber umgehend ausführen. An dieser Situation dürfte sich so schnell aber auch nichts ändern. Kunden kann ich nur raten, sich frühzeitig zu kümmern und Geduld mitzubring­en. Das waren viele bisher nicht gewohnt.

Wer kann sich angesichts dieser Rahmenbedi­ngungen perspektiv­isch denn noch Wohneigent­um leisten?

Zunächst einmal: Höhere Handwerker­kosten sind für den Preisansti­eg im Wohnungsba­u nur in sehr geringem Maße verantwort­lich. Preistreib­er sind die immer schärferen gesetzlich­en Anforderun­gen, beispielsw­eise für Brandschut­z, Schallschu­tz oder Umweltschu­tz. Das mag für sich allein betrachtet alles sinnvoll sein – in der Summe sprengt es jedoch Maß und Mitte, und birgt sozialen Sprengstof­f. Schließlic­h wollen sich auch künftig noch Menschen ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen, die keine Gehaltsmil­lionäre sind. In vielen Bereichen gibt es zwar üppige staatliche Förderunge­n, etwa beim Austausch alter Heizungen. Doch das ist für mich eine Milchmädch­enrechnung. Wenn der Staat kein Geld mehr hat, gibt es auch keine Zuschüsse mehr.

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