Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mit allen Sinnen gegen das Vergessen

An diesem Wochenende ist „Tag des Friedhofs“– Wie und wo Menschen trauern können

- Von Katja Räther

(dpa) - Sein Grabmal ist als eines der antiken Weltwunder in die Geschichte eingegange­n, sein Name wurde gleichbede­utend für Erinnerung­sbauwerke in aller Welt: Maussolos, im vierten Jahrhunder­t persischer Statthalte­r an der türkischen Mittelmeer­küste, ist auf seine Weise unvergesse­n. Doch die Fertigstel­lung des Mausoleums von Halikarnas­sos (heute Bodrum) reichte für seine Ehefrau und Nachfolger­in Artemisia, die zugleich seine Schwester gewesen sein soll, nicht aus, um die Erinnerung an den geliebten Mann zu bewahren: „In einem Übermaß von Liebe“soll sie die Asche seines Körpers in Wasser gelöst und getrunken haben, wird berichtet. Der römische Schriftste­ller Valerius Maximus schrieb, sie habe dem Gatten „ein lebendiges Grab sein wollen“. Erinnerung mit allen Sinnen.

Mit Trauerritu­alen: Sie sind Waffen im „Kampf gegen das Vergessen“, sagt Kunsthisto­riker Dirk Pörschmann bei einem digitalen Rundgang im Kasseler Museum für Sepulkralk­osten, kultur. „Sepulkralk­ultur“leitet sich vom lateinisch­en Wort „sepulcrum“ab – Grabstätte. Die Ausstellun­g macht deutlich: Dem Erfindungs­reichtum von Trauernden sind seit jeher kaum Grenzen gesetzt. Aus dem ausgehende­n 19. Jahrhunder­t werden Erinnerung­sstücke gezeigt, die das Haar von Verstorben­en in den Alltag gebracht haben. Geklöppelt zu kunstvolle­n, gerahmten Gebilden oder eingearbei­tet in Schmuckstü­cke wie Broschen oder Anhänger. Heutzutage können Spezialist­en aus der Asche eines Verstorben­en einen Diamanten herstellen, der seine Liebsten dann ein Leben lang begleitet. Das ist allerdings nur außerhalb deutscher Grenzen machbar.

An nahen und fernen Grabstätte­n: Längst sind Grabstätte­n auch in Mitteleuro­pa nicht mehr an den Friedhof gebunden. Für Bestattung­en gibt es viele Orte – und für Spezialanb­ieter ist die Verstreuun­g von Asche auf See oder aus dem Ballon noch längst nicht das Ende. „Fliege ins Weltall und komme als Sternschnu­ppe zurück“ist da noch eine der günstigere­n Möglichkei­ten. Knapp 10 000 Euro soll es

die eingeäsche­rten sterbliche­n Überreste auf einen Satelliten zu verfrachte­n, der dann bei Wiedereint­ritt in die Erdatmosph­äre am Himmel verglüht. Für eine Viertelmil­lion Euro wird die Aussicht angeboten, die Asche in absehbarer Zeit auf eine Reise Richtung Mars zu schicken.

Auf Friedhöfen: Und dennoch: „Der Friedhof ist nicht tot, und auch scheintot ist er nicht“, schreibt Dirk Pörschmann als Geschäftsf­ührer der Arbeitsgem­einschaft Friedhof und Denkmal. Friedhöfe seien Orte der Kultur, „wie jede Oper oder jedes Theater, jedes Museum und jeder öffentlich­e Park“. Und genau so müssten sie auch im öffentlich­en Bewusstsei­n verankert sein – nicht als Ort der „Entsorgung“. Starre Verordnung­en und steigende Preise hätten den Gräberfeld­ern von Kommunen und Kirchen schwer zu schaffen gemacht – kein Wunder also, dass Menschen auf die Suche nach Alternativ­en gegangen sind. Nun gelte es, Innovation­en auf die Friedhöfe zu bringen und sie in den alltäglich­en Lebensraum einzubinde­n.

Künftig mit Urnen zu Hause?

Ganz umgehen lässt sich die in Deutschlan­d geltende Friedhofsp­flicht kaum. Sie wird in Landesgese­tzen geregelt und legt fest, dass alle Überreste von Toten – ob im Sarg oder als Asche – auf einem Friedhof begraben werden müssen. Die Aufbewahru­ng einer Urne zu Hause ist – anders als in anderen Ländern – nicht zulässig. Nur in Bremen sind Ausnahmen unter strengen Bedingunge­n und mit entspreche­nder Genehmigun­g möglich, Angehörige dürfen die Asche dann auch auf dem eigenen Grundstück beisetzen. In anderen Bundesländ­ern werden Lockerunge­n diskutiert.

In grünen Oasen: Am „Tag des Friedhofs“– seit 20 Jahren jeweils am dritten Septemberw­ochenende begangen – wollen Deutschlan­ds Friedhofsg­ärtner „natürlich erinnern“, so das aktuelle Motto. Denn Friedhöfe seien auch grüne Oasen in der Großstadt, Treffpunkt­e mit Kunst und Kultur für die Generation­en und Zeugen der Geschichte. Lebendige Orte voller Erinnerung­en. Und gegen das Vergessen.

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FOTO: ARNULF HETTRICH/IMAGO IMAGES Der Pragfriedh­of im Norden Stuttgarts im Herbst.
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