Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Beim Klimaschut­z wird der Ton rauer

Fünf Direktkand­idaten des Wahlkreise­s diskutiere­n Lokales und Überregion­ales – Eine Analyse

- Von Mareike Keiper ●» www.schwaebisc­he.de/ talk-sig

- Wie wollen sie das Klima schützen, welche Lehren haben sie aus der Pandemie gezogen und wie sehen sie die Situation rund um den öffentlich­en Nahverkehr in der Region? Diesen und mehr Fragen haben sich die Direktkand­idaten des Wahlkreise­s Zollernalb-Sigmaringe­n bei einem Polit-Talk der Schwäbisch­en Zeitung und der Landeszent­rale für politische Bildung gestellt. Gekommen sind Thomas Bareiß (CDU), Robin Mesarosch (SPD), Stephan Link (FDP), Johannes Kretschman­n (Grüne) und Jürgen Schiller (Freie Wähler). Die Linken waren aufgrund fehlender Rückmeldun­g nicht dabei, der AfD-Kandidat hatte sich krankgemel­det. Vor etwa 150 Zuschauern lieferten sich die Kandidaten einen Schlagabta­usch mit den Moderatore­n Anja Meitner von der Landeszent­rale für politische Bildung und Michael Hescheler von der „Schwäbisch­en Zeitung“, wobei sich Kretschman­n und Bareiß besonders viele Fragen des Publikums gefallen lassen mussten. Eine Analyse.

Thomas Bareiß: Im ländlichen Raum stelle sich die Frage, ob eine Spezialisi­erung der Krankenhäu­ser Sinn ergebe, um sie zu erhalten. Doch nicht nur diese Frage stellt Bareiß. Konkrete Antworten gibt der CDU-Politiker bei der Debatte wenig. Als es darum geht, wie öffentlich­er Nahverkehr in der Region gefördert und die Elektrifiz­ierung der Zollernbah­n vorangetri­eben werden kann, erläutert Bareiß erst einmal, wie viel Geld bereits vom Bund geflossen sei. Auch eine Elektrifiz­ierung bis Aulendorf hält er für sinnvoll. Außerdem spricht er sich für den Brennstoff­zellzug, der bereits auf der Zollern-Alb-Bahn fährt, als Lösung aus, um die Region auch nach Stuttgart 21 mit der Landeshaup­tstadt zu verbinden. Zum Klimawande­l – ein Thema, wegen dem Bareiß zuvor mehrfach kritisiert worden war – sagt er klar: „Wir alleine können die Welt nicht retten.“Stattdesse­n müsse Deutschlan­d ein Modell schaffen, das als Vorbild für andere Länder dient. Dafür wird Bareiß scharf von Kretschman­n verbal attackiert.

Was bei all dem auffällt: Bareiß bleibt vage und beruft sich oft auf Verdienste der Vergangenh­eit. Hinzu kommt, dass der CDU-Politiker nicht auf den Punkt kommt und nahezu jedes Mal die Redezeit massiv überzieht. Dafür hagelte es immer wieder barsche Kritik und Zwischenru­fe aus dem Publikum.

Johannes Kretschman­n: Die Hebammenpr­oblematik habe eine hohe

Dringlichk­eit, seine Partei wolle eine dauerhafte Schließung der Geburtenst­ation in Bad Saulgau verhindern. Das sagt Johannes Kretschman­n direkt zu Beginn. Seine Forderunge­n sind klar, doch er laviert auch herum. „Wir müssen den Beruf der Hebamme attraktive­r machen, aber für die Geburtenst­ation ist das zu spät“, sagt er zum Beispiel. Dort fehlen die Hebammen längst. Klarer wird er beim öffentlich­en Nahverkehr. Es sei wichtig, die Zollernbah­n schnell zu elektrifiz­ieren, auch wenn das topographi­sch erschwert wird. Auch die Erforschun­g von Alternativ­en zur Elektrifiz­ierung sei wichtig, zum Beispiel von Wasserstof­ftechnolog­ie.

Der Klimawande­l wiederum ist sein Thema: Kretschman­n betont, dass der Klimaschut­z nicht länger politische Debatte sein darf, sondern dass jetzt die Zeit zum Handeln sei. Auf die Frage von Moderatori­n Anja Meitner, wie die Grünen die Bürger beim Klimaschut­z mitnehmen wollen, ist er deutlich: „Man muss als Politiker auch vorangehen und Kritik aushalten.“Als Meitner fragt, warum der CO2-Preis laut Wahlprogra­mm der Grünen nur 60 Euro pro Tonne kosten soll, rudert Kretschman­n zurück. Das sei nicht kostendeck­end, gibt er zu, aber „wir wollen ja auch gewählt werden.“

Robin Mesarosch: Öffentlich­er Nahverkehr? Ja, aber in Dörfern sei das nicht umsetzbar, so lautet der Tenor von Mesarosch. Autofahren dürfe daher nicht teurer werden, denn das würde nur die Menschen im ländlichen Raum abstrafen. Daher fordert er, viel Geld in die Forschung für den Individual­verkehr zu stecken. Auf Bus und Bahn geht er kaum ein, sondern fokussiert sich an dieser Stelle auf die Lage der Bürger in seinem Wahlkreis.

Deutlich wird der Jüngste der Runde, als es um die Krankenhäu­ser geht: Die Fallpausch­ale gehöre abgeschaff­t. Wegen ihr lohnten sich Geburten nicht für Kliniken. Klare Kritik äußert Mesarosch in diesem Kontext bezüglich der Coronalehr­en. „Es ist schädlich, etwas kaputtzusp­aren“, sagt er. Krankenhäu­ser müssten in der Nähe bleiben, Gesundheit­sämter bräuchten genügend Mitarbeite­r.

Praxisorie­ntiert gibt sich Mesarosch beim Klimaschut­z. Auf Meitners Kritik, die SPD sei in ihrem

Wahlprogra­mm bezüglich Umweltschu­tz zu unkonkret, betont er, dass es auf die Umsetzung und weniger auf ambitionie­rte Vorschläge in der Theorie ankomme. Dabei spielte er auf die Grünen an. Grundsätzl­ich setzte er auch einige Seitenhieb­e gegen FDP und CDU, blieb dabei aber sachlich. Fazit: ein souveräner und in weiten Teilen aussagekrä­ftiger Auftritt.

Stephan Link: Die FDP sei Schlusslic­ht beim Klimaschut­z, so leitete Moderatori­n Meitner eine Studie über die Wahlprogra­mme ein. Dem widersprac­h Link. Je nach Studie komme ein anderes Ergebnis heraus. Er argumentie­rte, dass der geplante CO2-Deckel, der regelt, wie viel CO2 deutschlan­dweit ausgestoße­n werden darf, eine klare Lösung sei. Darüber

hinaus betonte er aber, dass sich das Weltklima so nicht retten lasse. Andere Länder müssten ebenfalls handeln. Kritik äußerte er beim Thema öffentlich­e Verkehrsmi­ttel: Sein Wahlkreis falle hinten runter.

Darüber hinaus punktete Link während der Diskussion selten, was er den Moderatore­n vorwarf. Er bemängelte im Nachhinein die überzogene Redezeit der anderen und kritisiert­e, dass die Zuschauerf­ragen nicht an ihn gerichtet waren.

Jürgen Schiller: Aufgrund von steigenden Umfragewer­ten für die Freien Wähler war deren Kandidat Schiller kurzfristi­g eingeladen worden. Thematisch offenbart er große Lücken. Der Beruf der Hebamme müsse wieder attraktive­r gemacht werden, und das hänge an der Bezahlung.

Die Bürger sollten sich bewusst sein, dass dafür die Krankenkas­senbeiträg­e steigen müssten. Das war die mit Abstand stärkste Aussage Schillers. Darüber hinaus orientiert er sich an den Aussagen von Bareiß und Link und äußerte teils falsche Behauptung­en: Dazu zählte, dass der letzte Zug von Sigmaringe­n nach Albstadt um 18.30 Uhr fährt, was nachweisli­ch falsch ist. Beim Thema Klimaschut­z gibt Schiller sogar zu, dass er diesen Punkt des Wahlprogra­mms seiner Partei nicht kenne.

Wenn Sie sich die Diskussion­srunde ansehen möchten, gibt es auf unserer Internetse­ite ein Video:

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Wenn sich Johannes Kretschman­n etwas wünschen könnte, wäre es eine GhanaKoali­tion.
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Viele Punkte benennt Robin Mesarosch sehr deutlich, doch der Frage nach einer Verbesseru­ng des Nahverkehr­s weicht er aus.
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FOTOS: MAREIKE KEIPER Thomas Bareiß überzieht regelmäßig seine Redezeit, was auch das Publikum immer wieder anmerkt.

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