Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Damit kein Meister vom Himmel fällt
Eichhörnchen sind gut in Physik – Wie die Baum-Akrobaten ihre leicht aussehenden, aber riskanten Sprünge durchs Geäst lernen
dünnen Plastikrohr hinauf, die nur an einem Ende befestigt waren. Unter dem Gewicht von mit 560 bis 985 Gramm der zwölf Versuchstiere bog sich dieses Stängchen am nicht befestigten Ende ähnlich kräftig wie ein Ästchen an einem Baum nach unten.
Für die Fuchshörnchen war es also kein Problem, die halbe Erdnuss zu holen, die sie am Ende des künstlichen Ästchens in einer Schale erspäht hatten. In der Theorie sollte diese Übung ein wenig schwieriger werden, wenn das Schälchen mit dem verlockenden Futter einen halben Meter vom Ende des künstlichen Ästchens entfernt neben einer dünnen Stange lockt, die in der Stahlwand befestigt ist. Auf den Aufnahmen von Hochgeschwindigkeitskameras aber sahen die Forscher rasch, dass die Hörnchen jeweils ein ganzes Stück vor dem Ende des Kunst-Ästchens zu einem Sprung ansetzten, der sie deutlich weiter als einen halben Meter zum Futterschälchen trug. Offensichtlich bevorzugen die Tiere also eine möglichst starre Absprungstelle und nehmen die größere Entfernung zum Ziel gern in Kauf.
In weiteren Experimenten boten die Forscher den Fuchshörnchen daher gleich eine feste Plattform für den Absprung an. Nur befestigten sie die Stange mit der schmackhaften Erdnuss bis zu eineinhalb Metern entfernt. Obendrein lag das Ziel manchmal auch noch 20 Zentimeter höher oder tiefer als der Absprungpunkt. Auch diese Übung meisterten die Fuchshörnchen hervorragend, auch wenn sie manchmal die Stange ein wenig zu hoch oder zu tief erreichten.
Solche Fehler kann ein geschicktes Hörnchen aber ausbügeln, indem es mit den Vorder- oder Hinterfüßen das Stängchen greift und anschließend mit einem Über- oder Unterschwung um das Ziel herumwirbelt und so seine Bewegung abbremst. Die Tiere lernten ihre Lektion rasch:
Je öfter sie sprangen, umso genauer erreichten sie ihr Ziel und schafften manchmal sogar eine Punktlandung. Kein einziges Mal aber stürzte ein Fuchshörnchen ab.
Stattdessen verblüfften die Tiere Nathaniel Hunt und sein Team bei den größten Abständen zwischen Absprungpunkt und Landestange mit einer akrobatischen Einlage. Statt direkt 150 Zentimeter weit zu springen und damit die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu testen, nutzten die Hörnchen eine Art Billard-Effekt. Statt direkt zur Stange zu springen, stießen sie sich in Richtung auf die Stahlwand nach oben ab, drehten ihren Körper während des Fluges, um sich mit den Füßen von der Wand abzustoßen und so mit zusätzlichem Schwung zur Stange weiterzufliegen. Wenn sie ihr Ziel nicht perfekt erreichten, war das überhaupt kein Problem. Mit den Vorderpfoten korrigierten sie ihre Flugbahn und griffen die Stange dann halt mit den Hinterpfoten. Mit einer perfekten Körperbeherrschung erreichen Eichhörnchen also auch über Bande das Schälchen mit der leckeren Erdnuss.