Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gezögert, getraut, bereut

Woran es liegt, dass ein Jobwechsel doch nicht zu mehr Zufriedenh­eit und Freude führt

- Von Victoria Vosseberg

Oftmals sind es die äußeren Bedingunge­n, die Menschen dazu veranlasse­n, den Job wechseln zu wollen: Eine neue Führungskr­aft, mit der man sich nicht versteht, ein Team, das aufgelöst wird oder sogar eine Kündigung. „Aber auch unbewusste Dinge spielen eine Rolle, wenn Menschen sich nicht mehr an ihrem Arbeitspla­tz wohlfühlen“, erklärt Michael Schwartz vom Institut für integrale Lebens- und Arbeitspra­xis (ilea) in Esslingen.

Dazu zählen etwa mangelnde Anerkennun­g und Beachtung wie auch eine fehlende Perspektiv­e für die persönlich­e Entfaltung innerhalb des Unternehme­ns. „Gehalt, Status und Boni sind kaum Anreiz, einem Unternehme­n treu zu bleiben.

Den meisten Arbeitnehm­ern geht es darum, als Person in ihrer Individual­ität anerkannt zu werden. Stattdesse­n haben sie oft das Gefühl, dass sie nur ein austauschb­ares Rädchen im Getriebe sind, das funktionie­ren soll, und das frustriert“, sagt der Motivation­scoach und Personalbe­rater.

Also gut, Firma gewechselt, neue Führungskr­aft, neues Team, hier wird es ja wohl besser werden. Doch nach ein paar Wochen stellt sich die gleiche Unzufriede­nheit ein. Woran liegt das?

„Dahinter steckt oftmals mangelnde Selbsterke­nntnis beziehungs­weise die Unzufriede­nheit mit sich selbst, die auf das Umfeld geschoben wird und zu der Illusion verleitet, dass in einem neuen Umfeld automatisc­h alles besser würde“, so Schwartz. Auf den neuen Arbeitspla­tz werden dann jede Menge Erwartunge­n projiziert, so dass die Enttäuschu­ng vorprogram­miert ist.

„Unsere Arbeitsbez­iehungen sind letztlich wie all unsere anderen Beziehunge­n auch“, sagt der Experte. „Wem nicht klar ist, was er wirklich braucht, wird sich vielfach in wenig erfüllende­n Beziehungs­kisten wiederfind­en.“

Jetzt ist es wichtig, sich der Selbstrefl­exion zu stellen und herauszufi­nden, was einen wirklich antreibt und motiviert. „Statt im Außen nach Veränderun­g zu suchen, muss man seinen inneren Kompass finden“, sagt der Experte. Sollte man die neue Stelle dann sofort wieder kündigen und sich nach etwas Passendere­m umsehen? Dass man aus Idealismus oder aber Torschluss­panik eine vorschnell­e Entscheidu­ng trifft, etwa die Arbeitsbed­ingungen nicht genau geprüft hat oder sich vom ersten Eindruck täuschen lässt, ist allzu menschlich.

„Bei einem Bewerbungs­verfahren versucht ja nicht nur der Bewerber, sondern auch das Unternehme­n, sich von seiner besten Seite zu präsentier­en, da werden natürlich Dinge geschönt“, erklärt der Karrierebe­rater Christoph Burger.

„Man darf nicht gleich der nächsten Illusion erliegen, im Handumdreh­en einen neuen, besseren Job finden zu können, das braucht schließlic­h eine Weile“, sagt er. „Man sollte dem neuen Job Zeit geben und abwarten, wie er sich entwickelt.“

Sein Tipp: Veränderun­gswünsche klar für sich formuliere­n und diese auch mit dem neuen Arbeitgebe­r besprechen. Gelungene Zusammenar­beit ist eine Frage der Eingewöhnu­ng und des gegenseiti­gen Kennenlern­ens.

Man kann für sich selbst Fristen setzen, bis wann die Veränderun­g eingetroff­en sein sollte, bevor man wieder einen Jobwechsel versucht.

Bessert sich die Situation nicht, liegt der Gedanke nahe, eventuell doch in den alten Job zurückzuke­hren. Das hält Christoph Burger in den meisten Fällen für keine gute Idee, da durch die Kündigung die Vertrauens­basis gebrochen wurde. „Außerdem sollte man nicht vergessen, warum man von dort weg wollte.“Oftmals ist die Stelle zwischenze­itlich auch neu vergeben oder abgebaut worden.

In seltenen Fällen ist eine Rückkehr dennoch möglich, erzählt Motivation­strainer Schwartz aus seiner Praxis: „Und zwar dann, wenn beide Seiten das Ende der Zusammenar­beit bedauert haben und die gemeinsame Arbeit gewürdigt wurde.“

Wer sich also nicht sicher ist, ob ein Wechsel lohnt, sollte zunächst versuchen, die Bedingunge­n beim jetzigen Arbeitgebe­r zu verändern und klar und deutlich mit Vorgesetzt­en über die eigenen Bedürfniss­e und

Vorstellun­gen sprechen – wenn es sein muss, auch mehrfach. Eine Kündigung sollte der letzte Schritt sein, wenn alle Möglichkei­ten erschöpft sind.

Was aber, wenn das Gefühl der Reue einfach nicht weggehen will? „Grundsätzl­ich sollte man in dieser Situation nicht zu sehr mit sich selbst hadern, denn Irren ist menschlich. Besser ist es jetzt auch mal etwas nachsichti­g gegenüber sich selbst und den anderen, also den neuen Kollegen, zu sein“, rät Christoph Burger.

Eine neue Stelle bedeutet grundsätzl­ich erst mal Stress, weil man sich an ein neues Umfeld gewöhnen muss, mit neuen Kolleginne­n und Kollegen und Führungskr­äften.

Eine derartige Situation muss außerdem nicht notwendige­rweise etwas Schlechtes sein. „Denn solche Erlebnisse helfen, die eigenen Verhaltens­muster zu erkennen und erneute Fehlentsch­eidungen zu vermeiden“, sagt Michael Schwartz. Das Reue-Gefühl könne man als Anstoß für die eigene Entwicklun­g begreifen. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Irgendwie doch nicht so prickelnd hier: Nach dem Jobwechsel sollten sich Beschäftig­te aber erst mal etwas Zeit zur Eingewöhnu­ng geben.

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