Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Fernduell ums Klima
FDP und Grüne streichen auf Parteitagen ihre unterschiedlichen Positionen heraus
Eigentlich keiner. Olaf Scholz versprach eine Koalition, die zwölf Euro Mindestlohn festlegt. Immerhin. Annalena Baerbock machte deutlich, dass sie im sozialen Bereich mit Scholz im Gleichschritt geht und in der Klimafrage schneller gehen will. Armin Laschet hat das gewollt Kämpferische abgelegt. Das wirkte besonnen und ernst, allerdings nicht sehr mitreißend. Insgesamt blieben aber alle drei in ihren Rollen: Scholz profilierte sich mit sozialer Gerechtigkeit, Baerbock mit Klimaschutz und Laschet mit Wirtschaftswachstum und Innerer Sicherheit.
Wer stand im Mittelpunkt?
Eindeutig Armin Laschet, der gegen eine in vielen Fragen einige rot-grüne Allianz kämpfen musste und unter anderem in die Rolle kam, Hartz IV zu verteidigen, das einst von SPD und Grünen beschlossen wurde. Selbst als sich Baerbock beim Thema Klima auch auf Scholz einschoss, reichte der ihre Fragen einfach an Laschet weiter.
Was war der persönlichste Moment?
Beim Thema soziale Gerechtigkeit betonten alle ihre Erfahrungen mit dem Thema Armut: Laschet erzählte von Menschen, die in sein Abgeordnetenbüro gekommen sind, um ihm Rechnungen zu zeigen, die sie nicht bezahlen können. Zudem berichtete er von seiner wenig privilegierten Kindheit als Sohn eines Bergmanns. Scholz berichtete über seine Tätigkeit als Arbeitnehmeranwalt. Annalena Baerbock konnte am nachdrücklichsten erklären, warum es so wichtig ist, Kinderarmut zu bekämpfen und wusste immerhin, wieviel Milch heute im Supermarkt kostet.
Was war die Mogelei des Abends? Beim Thema Klima versuchte Laschet, seine Partei als Pionierin zu verkaufen. CDU-Umweltminister Klaus Töpfer habe das Thema schon in den 1990er Jahren vorangetrieben. Woraufhin Moderatorin Zervakis darauf hinwies, dass Töpfer in seiner Partei Außenseiter war. In den vergangenen Jahren war es vor allem die Union, die den Ausbau erneuerbarer Energien bremste. Laschet hingegen machte Umweltschützer für das verschleppte Klimaproblem verantwortlich, weil die Atomkraftwerke bekämpft hätten.
Was war der peinlichste Moment?
Die Aussage einer befragten Bürgerin, die nicht in einen Elternabend durfte, weil sie nicht geimpft, genesen oder getestet war. „Ich bin das vierte G – gesund.“
Wie war die Moderation?
Linda Zervakis und Claudia von Brauchitsch stellten solide Fragen, von denen wenige neu waren.
(dpa) - FDP und Grüne haben sich eine Woche vor der Bundestagswahl mit Parteitagen ein Fernduell um den richtigen Kurs in der Klimapolitik geliefert. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock forderte in Berlin vor Delegierten entschiedenere Maßnahmen. „Wenn jetzt nicht alle Weichen auf Klimaschutz gestellt werden, dann landen wir in einer 2,7-Grad-Welt“, sagte Baerbock, die auch um Stimmen Unentschlossener warb. FDP-Chef Christian Lindner warnte vor einer Politik, die auf Verbote und Verzicht setzt statt auf modernere Technologien.
Beide Parteien könnten nach letzten Umfragen Juniorpartner in einer Regierung sein, die von der SPD unter Olaf Scholz oder der Union unter Armin Laschet geführt werden könnte. Die FDP will sich dabei eine möglichst starke Verhandlungsposition verschaffen und die Grünen noch überholen, mindestens aber den Abstand verringern.
Lindner kritisierte scharf Pläne der Grünen und nannte Lastenfahrräder als Beispiel. „Klimaschutz by Bullerbü wird aber niemals ein Exportschlager für die Welt sein“, sagte er und bezog sich damit auf das dörfliche Idyll in den Kinderbüchern Astrid Lindgrens. „German engineered Klimaschutz hingegen kann bei uns Jobs schaffen und woanders die Erderwärmung bekämpfen.“Die Partei beschloss einen Wahlaufruf, der Ziele und Kurs der FDP in möglichen Koalitionsverhandlungen bestimmt.
Der Grünen-Co-Parteichef Robert Habeck nutzte seine Rede zu einer Generalabrechnung mit der deutschen Politik und dem Wahlkampf.
„Wir sind steckengeblieben in dämlichen, in dummen Debatten, die von den politischen Mitbewerbern immer wieder hochgezogen wurden und die eigentliche Diskussion verstellt haben“, sagte er. Die eigentlichen Herausforderungen der Gegenwart seien in den vergangenen Monaten nicht diskutiert worden. Das Bundesverfassungsgericht habe zu Beginn des Wahlkampfes in einem Urteil zum Klimaschutzgesetz eigentlich die Voraussetzung für einen Wettbewerb um die besten Ideen geschaffen. Denn die Richter hätten damals gesagt: Wer das Klima schützt, schützt die Freiheit. „Wir waren also an einem Punkt, wo der Wahlkampf die Chance hatte, eine neue Zeit zu prägen, eine neue Diskussion zu prägen. Stattdessen wurden Popänze aufgebaut.“
Unterdessen hat die Union in einer Insa-Umfrage leicht zugelegt, liegt aber noch immer fünf Prozentpunkte hinter der SPD. Die Sozialdemokraten
mit Scholz liegen im „Sonntagstrend“für die „Bild am Sonntag“unverändert bei 26 Prozent. Die Union mit Laschet kommt auf 21 Prozent, ein Prozentpunkt mehr als in der Vorwoche. Die Grünen folgen mit deutlichem Abstand, die Partei verharrt bei 15 Prozent. Die FDP büßt demnach einen Punkt ein und liegt bei 12 Prozent. Die AfD steht unverändert bei 11 und die Linke bei 6 Prozent. Auch bei anderen Umfrageinstituten hat die SPD weiter die Nase vorn.
Die Co-Chefin der Linken und Spitzenkandidatin, Janine Wissler, forderte SPD und Grüne auf, offen für eine linke Koalition nach der Bundestagswahl zu sein. „SPD und Grüne müssen überlegen, wie ernst ihnen ihr eigenes Wahlprogramm ist“, sagte Wissler dem Nachrichtenportal watson. Scholz und Baerbock müssten sich überlegen, „ob sie lieber Kompromisse nach rechts machen als nach links“.