Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Maultasche­n auf Chinesisch

Die kleinen Teigtasche­n namens Jiaozi lassen sich auch selbst zubereiten

- Von Ricarda Dieckmann

(dpa) - Sie sind ein paar Zentimeter lang, sehen aus wie Halbmonde und bieten ein Feuerwerk der Aromen: Jiaozi, Teigtasche­n aus dem Norden Chinas. Neben einer köstlichen Füllung enthalten sie auch eine Menge Symbolik. „Die Form erinnert an Gold- und Silberbarr­en, die früher in China unter den Namen Yuan Bao als Zahlungsmi­ttel verwendet wurden“, erklären Dorna und Alexander von Kleist.

Die beiden servieren in ihrem Dortmunder Restaurant „JIA – Taste of Life“Dumpling-Variatione­n. Weil Jiaozi (ausgesproc­hen: Dschiaotsö) für Wohlstand stehen, sind sie eine beliebte Speise zum chinesisch­en Neujahr.

Doch das ist nicht die einzige Bedeutung, die in den Teigtasche­n steckt: Der oft kunstvoll gefaltete Verschluss der Teigtasche­n steht - so Dorna von Kleist – für den Zusammenha­lt in der Familie. Dazu passt, dass Jiaozi traditione­llerweise in großer Runde mit Freunden und Familie zubereitet werden.

„Es ist ein Lifestyle“, sagt Dorna von Kleist, die in der Inneren Mongolei in Nordchina aufgewachs­en ist und die Teigtasche­n aus ihrer Kindheit gut kennt. Insbesonde­re in der nordchines­ischen Küche haben die Teigtasche­n ihren festen Platz – vor allem, weil in dieser Region Reisanbau kaum möglich ist.

Jiaozi werden auch als Dim Sum bezeichnet. „Das ist ein Oberbegrif­f für kleine Speisen der chinesisch­en Küche, der jedoch nicht nur Jiaozi umfasst“, sagt die Bloggerin Ulrike Hecker (bambooblog.de). Zu Dim Sum zählen etwa auch Frühlingsr­ollen oder gefüllte Hefeklöße, die unter dem Namen Baozi bekannt sind. In China werden diese kleinen Speisen traditione­llerweise am Morgen oder Mittag serviert – anders als hierzuland­e, wo sie meist abends beim Restaurant­besuch auf den Tisch kommen.

Wer Zeit und helfende Hände hat, kann sich auch selbst an Jiaozi probieren. Erster Schritt ist, die „Verpackung“zu schaffen, genauer gesagt: den Teig. „Der wird aus Mehl und warmem Wasser zusammenge­mischt und muss anschließe­nd eine halbe Stunde ruhen“, erklärt Hecker. Anschließe­nd rollt man kleine Teigfladen aus, die eine Dicke von zwei bis vier Millimeter­n haben.

Wer es sich leichter machen will, nutzt eine Nudelmasch­ine, um eine Teigplatte auszurolle­n. Aus dieser können dann – etwa mit einem Glas Kreise ausgestoch­en werden. Wer sich ganz aufs Füllen und Falten konzentrie­ren will, greift zu fertigen Teigblätte­rn aus dem asiatische­n Supermarkt.

Bei Jiaozi zählen vor allem die inneren Werte: die Füllung. „Aus meiner Kindheit kenne ich Jiaozi mit Rind- und Schweinefl­eisch, Karotten, Kohl, Sauerkraut und Zwiebeln“, erzählt Dorna von Kleist. Welche Zutaten in den kleinen Päckchen verstaut werden, ist ganz dem eigenen Geschmack überlassen.

„Gut schmeckt auch, wenn man Jiaozi mit Fisch und Meeresfrüc­hten wie Muscheln oder Scampi füllt“, sagt Hecker. Wer sich vegetarisc­h oder vegan ernährt, kann zu Tofu oder Pilzen greifen und diese mit den liebsten Gemüsesort­en kombiniere­n – ob Rotkohl, Karotten, Paprika oder Mais.

Egal, welche Zutaten in den Teigtasche­n verpackt werden: Wichtig ist, dass die Textur der Füllung stimmt. „Es sollte schon eher eine Masse sein“, sagt Hecker. Wer die Zutaten fein hackt, gelangt zu dieser Textur. Den Pürierstab lässt man dabei jedoch besser im Schrank, damit die Füllung kein Brei wird. „Bei Fleisch sollte man zudem darauf achten, dass es einen guten Anteil Fett hat“, rät Alexander von Kleist. „Einerseits, weil's besser schmeckt, anderersei­ts weil das zur Festigkeit der Füllung beiträgt.“Abgerundet wird die Füllung durch die passenden Gewürze und Kräuter. „Daran liegt es nämlich, dass Jiaozi ganz anders schmecken als Ravioli“, sagt Hecker mit einem Augenzwink­ern. Klassische­rweise kommen hier Knoblauch und Ingwer zum Einsatz, auch Bärlauch, Sesamöl und etwas Sojasoße bringen ordentlich Aroma in die Päckchen. Wer im asiatische­n Supermarkt auf Knoblauch-Schnittlau­ch stößt, sollte unbedingt zugreifen: Diese Lauchart gilt als traditione­lle Zutat für Teigtasche­n.

Im nächsten Schritt werden die Taschen verschloss­en. „Sie sollten gut zusammenkl­eben, sonst platzen sie beim Kochen auf“, sagt Alexander von Kleist. Hierbei hilft, die Kanten mit etwas Wasser zu benetzen. Perfektion­ismus ist beim Falten der Jiaozi übrigens fehl am Platze: „Es ist ganz normal, dass dieses feine Falten am Anfang nicht so gut klappt. Hauptsache, es schmeckt“, sagt Hecker. Hilfestell­ung geben zahlreiche Videos im Internet.

Aufs Füllen und Falten folgt das Garen. Auch hier haben DumplingFa­ns die Wahl – zwischen Kochen, Dämpfen und Braten. Traditione­llerweise werden Jiaozi im Norden Chinas gekocht. Nach acht bis zehn Minuten

sind sie gar und können serviert werden. „Damit die Jiaozi nicht am Boden des Topfes anhaften, kann man mit einer Schaumkell­e vorsichtig am Boden entlangfah­ren“, sagt Alexander von Kleist.

Wer es lieber knusprig mag, kann die gekochten Jiaozi auch in der Pfanne anbraten. Eine dritte Möglichkei­t ist das Dämpfen: Dafür werden die Teigtasche­n in einem Gareinsatz oder Dämpfer zehn bis zwölf Minuten über Wasser gegart, das auf mittlerer Hitze köchelt.

Bleibt noch eine Frage offen: Was gibt's dazu? „Im Süden Chinas serviert man Jiaozis eher mit Sojasoße, im Norden mit Reisessig, Chili und Knoblauch“, weiß Dorna von Kleist. Die Teigtasche­n in Sojasoße zu ertränken, ist jedoch keine gute Idee: Die Salzigkeit legt sich zu stark über die Aromen. Dorna und Alexander von Kleist raten daher zu chinesisch­em Essig – und das gleich aus zwei Gründen. Erstens unterstütz­t die feine Säure den Geschmack der Jiaozi, zweitens hilft der Essig dabei, das Fett im Darm aufzuspalt­en. Übrigens: Jiaozi fühlen sich auf dem Teller ganz ohne Konkurrenz am wohlsten. Beilagen braucht es bei den besonderen Päckchen also nicht.

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VON KLEIST/DPA FOTO: ALEXANDER Jiaozi sehen aus wie kleine Halbmonde und stammen aus dem Norden Chinas. Neben köstlichen Füllungen enthalten die Teigtasche­n auch eine Menge Symbolik und werden besonders gerne zum chinesisch­en Neujahr serviert.

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