Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Welchen Minister hätten’s denn gern?
Ein satirischer Ausblick auf die Köpfe in vier möglichen neuen Regierungsbündnissen
– So eng und unübersichtlich war es selten: Viele Wählerinnen und Wähler sind laut einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen noch nicht sicher, wo sie ihr Kreuzchen machen. Wer nach dem 26. September mit wem regieren wird, scheint völlig offen. Damit sind zahlreiche Regierungsbündnisse möglich. Wer könnte in welcher Konstellation Minister oder Ministerin werden? Wir stellen vier nicht ganz ernst gemeinte Schattenkabinette vor.
Jamaika-Koalition (Union, FDP, Grüne): Wir schreiben den 6. Januar 2022 und Christian Lindner kann verkünden, „es ist besser zu machen, als zu lamentieren.“Unter Kanzler Söder – Armin Laschet musste nach katastrophalen 21 Prozent und Platz zwei bei der Bundestagswahl seine Ambitionen begraben – haben es mehrere FDP-Minister nach Berlin geschafft. Und auch sonst ist viel Bewegung im Kabinett: Alexander Sebastian Léonce von der Wenge Graf Lambsdorff, ist nicht nur adelig, sondern auch ausgebildeter Diplomat und als Vizefraktionschef seiner Liberalen für Außenpolitik zuständig. Ohnehin gilt für den Botschaftersohn, Familie verpflichtet: Neben seinem Vater finden sich in der Ahnenreihe ein weiterer Botschafter und ein Wirtschaftsminister. Also der perfekte Außenminister. Weil die FDP am Wahltag den Grünen mit knapp drei Prozent Vorsprung Staub zu Schlucken gab, heißt der neue Finanzminister (und Vizekanzler) Christian Lindner. Was gibt es über „Mr. FDP himself“noch zu erzählen? Dass Probleme nur dornige Chancen sind, dürfte einem mit den CoronaNachwirkungen vollauf beschäftigten Finanzminister beruhigen. Für die Grünen gibt’s den Posten der Umwelt-, Klima-, Landwirtschaftsund Bauminister*in: Robert Habeck und Annelena Baerbock werden sich dieses Superministerium jeweils paritätisch teilen. Da Robert, sagte Annalena einst laut „FAZ“, vom „Hühner, Schweine, Kühe-Melken“, komme, darf er die ersten zwei Jahre ran. Mit Azubine Annalena an seiner Seite. Mit Armin Laschet und Friedrich Merz mussten zwei aus NordrheinWestfalen ihre bundespolitischen Ambitionen beerdigen. Gut, dass es
Carsten Linnemann gibt. Der in Paderborn geborene studierte Volkswirt ist Vorsitzender der Mittelstandsund Wirtschaftsunion und im Gegensatz zum Juristen Merz tatsächlich Wirtschaftsexperte – deshalb wird er Wirtschaftsminister.
Ampel-Koalition (SPD, Grüne, FDP): Einmal kann man nein sagen, beim zweiten Mal wird es schwierig. Wie oft FDP-Chef Christian Lindner sich dafür verflucht hat, vier Jahre zuvor das Jamaika-Angebot von Angela Merkel abgelehnt zu haben, weiß keiner. Seine Mitarbeiter erzählen allerdings hinter vorgehaltener Hand, dass der Chef jetzt oft nachts bei schummrigem Licht an seinem Schreibtisch sitzt, wo sich die Akten stapeln, und grübelt. Es muss doch mehr geben als die Legalisierung von Cannabis, die FDP, Grüne und auch die Sozialdemokraten verbindet. Wie dem Wähler erklären, dass sich die Liberalen mit Rot
Grün vermählt haben? Eine harte Nuss.
Doch Lindner wäre nicht Lindner, hätte er nicht eine wohlklingende Antwort parat: Um das Schlimmste von Deutschland abzuwenden, habe er sich als verantwortungsvoller
Parteichef sozusagen geopfert und den anstrengenden Posten des Finanzministers auf sich genommen, das deutsche
Volk möge es ihm bitte danken. Denn es ist schon bitter. Statt Armin
Laschet, mit dem die FDP in Nordrhein-Westfalen doch so gut konnte, sitzt jetzt Olaf Scholz als Kanzler am Kabinettstisch und erklärt allen anderen, wie Regieren an sich so funktioniert. Das ist aber auch gut so, denn einige am Kabinettstisch haben ja noch nicht einmal ein Schnupperpraktikum in der Exekutive gemacht. Annalena Baerbock
ließ Robert Habeck dieses Mal im Auswärtigen Amt den Vortritt, weil sie es per Bahn, Bus und Schiff einfach nicht rechtzeitig geschafft hätte, ihren Verpflichtungen auf der diplomatischen Bühne nachzukommen. Sie kümmert sich jetzt um das Megathema Digitalisierung, da kann sie auch wirklich schön darüber sprechen. Ach ja: Ums Klima, innerhalb und außerhalb der Koalition, kümmern sich alle zusammen. Jeder macht in seinem Ministerium, was er will. Das ist der Kitt, der diese Ampel zusammenhält.
Rot-Grün-Rot: Es ist mittlerweile Sommer und nach beschwerlichen Verhandlungen steht pünktlich zum 25. August die erste rot-grün-rote Bundesregierung. Dass an diesem Tag Erich Honecker seinen 90. Geburtstag begangen hätte, macht den
Termin vor allem für die künftige Sozialund Integrationsministerin Sahra Wagenknecht zu einer runden Sache. Die neue Bundeskanzlerin Saskia Esken – Olaf Scholz hatte sich nach der 23. erfolglosen Verhandlungsrunde nach Hamburg zurückgezogen, um dort künftig als Investment-Banker zu arbeiten – erklärt erfreut, dass es ihr nun doch geglückt sei, den eigentlich unwilligen Kevin Kühnert ins Kabinett einzubinden. Kühnert werde Wirtschaftsminister, ihm assistiere Janine Wissler. Für die vormalige Spitzenkandidatin der Linken werde eigens der neue Posten der Enteignungsstaatsekretärin geschaffen. Aus Solidarität mit Scholz – Baerbock: „Wir haben bereits in den Triellen stets gemeinsame Sache gemacht“– verzichtet sie auf den Posten der Umweltministerin und erklärt künftig als Lektorin arbeiten zu wollen. Den Job übernimmt Robert Habeck, der nebenbei auch noch die Ressorts Wirtschaft und Landwirtschaft verantwortet. Außenminister*in wird vorerst niemand: Wagenknecht und Wissler hatten vom eigentlich gesetzten Cem Özdemir verlangt, dass er zunächst ein Praktikum in Venezuela beim Neo-Sozialisten Nicolas Maduro macht. Zudem müsse seine erste Dienstreise nach Moskau führen.
Große Koaltion (SPD, Union): Am Ende wird alles viel enger, als die meisten vermutet haben. Sowohl Olaf Scholz (SPD) wie Armin Laschet (CDU) könnten es durch geschicktes Taktieren schaffen, neuer Bundeskanzler zu werden. Beide brauchen aber die Grünen und die FDP. Und damit fangen die Probleme richtig an. Sollten die Liberalen Richtung Sozialdemokraten blinken, hat ihr smarter Parteichef Christian Lindner ein großes Kommunikationsproblem. Viele seiner Wähler wie Abgeordneten haben keine wirkliche Lust, Anhängsel von zwei Parteien zu sein, die sie links von der FDP orten. Kurzum: Es klappt nicht. Laschet geht hingegen pragmatisch an die Dinge – schließlich nähert sich das Weihnachtsfest – und verspricht den Grünen so viel, dass sie sich guten Gewissens nicht weiter sperren können. Baden-Württemberg ist Vorbild für diese schwarz-grüne oder grün-schwarze Strategie. Die Grünen-Führung will deshalb plötzlich Jamaika, bekämen sie doch zwei Ministerien mehr als unter Scholz. Doch die Basis verhindert den Schwenk gen bürgerliche Koalition.
Also steckt die Regierungsbildung wieder fest, bis jemand bemerkt, dass unter SPD-Führung eine Koalition mit dem Junior-Partner Union eine stabile Mehrheit hätte. Da die Union der eigenen Geschichtserzählung folgt, dass sie nicht Opposition könne, schlagen die Laschet-Gegner in den eigenen Reihen ein und lassen den NochNRW-Ministerpräsidenten fallen. Bundeskanzler Olaf Scholz freut sich hingegen schlumpfig über den telegenen und gleichsam kompetenten Außenminister Norbert Röttgen und über Andreas Jung. Weiß Scholz doch, dass sein neuer Umweltminister so manchen Konservativen in der CDU zu liberal ist und außerdem ist der Regierungschef auf diese Weise Kevin Kühnert los, der aus Protest von seinen Parteiämtern zurücktritt und sich wieder seinem Studium widmen will.