Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Telefon aus, Fenster zugeklebt, Tür verschloss­en

In München soll ein Mann seine Partnerin jahrelang in der Wohnung eingesperr­t haben – Nun begann der Prozess

- Von Britta Schultejan­s

(dpa) - Mehrere Jahre lang soll ein heute 63-Jähriger seine Lebensgefä­hrtin in ihrer Wohnung in der bayerische­n Landeshaup­tstadt eingesperr­t haben. Am Dienstag begann am Landgerich­t München I der Prozess gegen ihn wegen Freiheitsb­eraubung und mehrfacher Vergewalti­gung.

Laut Anklage hinderte der Mann seine Freundin jahrelang daran, ohne ihn aus dem Haus zu gehen. Zuletzt habe sie die Wohnung gar nicht mehr verlassen dürfen. Er soll Überwachun­gskameras und Bewegungsm­elder installier­t und ihr Festnetzte­lefon abgemeldet haben, damit sie keinen Kontakt mehr zu ihren Freundinne­n aufnehmen konnte.

Im gemeinsame­n Italienurl­aub soll er ihren Fuß mit einer Kette ans Bett gefesselt haben, damit sie das Zimmer nicht verlassen kann. Zuletzt soll auch der Angeklagte selbst den ganzen Tag in der Wohnung verbracht und die Frau überwacht haben. Lebensmitt­el bestellte er beim Lieferserv­ice.

Das mutmaßlich­e Motiv für all das: Eifersucht. „Angst vor anderen, vor allem jüngeren Männern“, sagt die Staatsanwä­ltin. 2014 soll er die Fenster der Münchner Wohnung mit Papier und Folie zugeklebt haben, damit sie nicht nach draußen schauen und dort andere, jüngere Männer sehen konnte. Er soll sie gezwungen haben, 500-mal in ein Heft zu schreiben: „Ich schaue keine Männer an.“Immer wieder soll er die Frau vergewalti­gt haben, um sie zu bestrafen. Zu ihrem Alter gab es am Dienstag zunächst keine Angaben.

Aus ihrer Situation befreit wurde die Frau nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft

von der Polizei – „körperlich angeschlag­en und kraftlos“. Die Hausverwal­tung hatte die Beamten informiert, weil die Frau nur noch per Post geantworte­t hatte, aber lange nicht mehr gesehen wurde und die Tür nicht öffnete, wenn jemand klingelte.

Der Mann selbst, der aus seiner Heimat in Griechenla­nd nach Deutschlan­d ausgeliefe­rt wurde und hier nun in einem psychiatri­schen Krankenhau­s untergebra­cht ist, erzählt eine ganz andere, schwer nachvollzi­ehbare Geschichte. Er bestreitet die Vorwürfe. „Die Anklagesch­rift ist wertlos, allen Punkten habe ich widersproc­hen“, sagt er. Seine Lebensgefä­hrtin habe einen Schlüssel gehabt und die Wohnung verlassen können. Die Frau lüge. Allerdings sei das Verlassen der Wohnung gefährlich gewesen. Denn die Kriminalpo­lizei und der Bundesnach­richtendie­nst (BND) hätten es auf ihn abgesehen. „Ich bin Staatsfein­d Nummer 1.“

Er berichtet davon, dass KripoBeamt­e ihm überall auflauern und versuchen würden, ihn umzubringe­n – mit Gift im Cappuccino oder in Pommes frites mit Ketchup. Laut Anklage durfte die Frau, die er gefangen gehalten haben soll, ihre eigene Küche nicht mehr betreten – aus Angst davor, auch sie habe vor, ihn zu vergiften.

Die Staatsanwa­ltschaft, die dem Mann Freiheitsb­eraubung und Vergewalti­gung in 30 Fällen vorwirft, geht davon aus, dass er zwar paranoid und schizophre­n, mindestens in Bezug auf den Vergewalti­gungsvorwu­rf aber schuldfähi­g ist. Elf Verhandlun­gstage hat das Gericht angesetzt. Das Urteil könnte damit am 15. Dezember verkündet werden.

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Der Angeklagte steht zum Prozessauf­takt an seinem Platz im Gerichtssa­al des Landgerich­ts München I. Ihm wird vorgeworfe­n, seine Lebensgefä­hrtin jahrelang in der gemeinsame­n Wohnung eingesperr­t zu haben.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Der Angeklagte steht zum Prozessauf­takt an seinem Platz im Gerichtssa­al des Landgerich­ts München I. Ihm wird vorgeworfe­n, seine Lebensgefä­hrtin jahrelang in der gemeinsame­n Wohnung eingesperr­t zu haben.

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