Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Fünfeinhal­b Jahre Haft für Messerstec­her von Bad Buchau

Das Landgerich­t Ravensburg verurteilt 40-Jährigen wegen versuchten Totschlags

- Von Annette Schwarz

- Versuchter Mord – oder gefährlich­e Körperverl­etzung? Weiter hätten Staatsanwa­lt und Verteidige­r bei ihrer Bewertung der Bad Buchauer Messeratta­cke nicht auseinande­rliegen können. Genau ein Jahr nach der Tat stand am Mittwoch das Urteil fest: Das Schwurgeri­cht am Landgerich­t Ravensburg unter Vorsitz von Richter Veiko Böhm verurteilt­e den 40jährigen Buchauer, der im Streit seinen 20-jährigen Kontrahent­en mit einem Messerstic­h am Kopf verletzt hatte, letztlich wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit vorsätzlic­her Körperverl­etzung und Beleidigun­g. Das Strafmaß: fünfeinhal­b Jahre Freiheitss­trafe.

Fünf Verhandlun­gstage mit gut einem Dutzend Zeugen, die Licht ins Dunkel der Geschehnis­se vom 22. September 2020 bringen sollten, waren es schließlic­h. Schwer alkoholund drogenabhä­ngig begann der Tag für den heute 40-Jährigen meist mit einer halben Flasche Wodka und seiner täglichen Dosis Heroin.

Am Tattag wurde er gegen 16 Uhr vor einem Supermarkt in der Stadtmitte in eine erste Auseinande­rsetzung

verwickelt. Zusammen mit einem Bekannten hatte er einen 70Jährigen malträtier­t. Ein junger Mann beobachtet die Szene, kommt dem Älteren zu Hilfe, daraufhin fliegen die Fäuste. Weil weitere Zeugen die Polizei alarmieren, muss sich der Angeklagte „vom Acker machen“, so Richter Böhm – schließlic­h verbüßte er zu diesem Zeitpunkt eine Bewährungs­strafe und befand sich in einem Berufungsv­erfahren.

Etwa eine halbe Stunde nach dem Polizeiein­satz, gegen 17.30 Uhr, taucht der junge Mann von der Supermarkt-Schlägerei vor der Haustür

des 40-Jährigen auf, es kommt zum Streit. Als der Ältere von einem der jungen Männer zu Boden gestoßen wird, steht er auf, zieht ein Messer hervor, das er zuvor hinter seinem Rücken verborgen hat, und attackiert den jungen Mann. Der 20-Jährige erleidet eine 15 bis 18 Zentimeter tiefe Schnittwun­de über dem linken Ohr.

Doch hatte er den Streit mit dem Angeklagte­n bewusst gesucht? Hatten sich die vier jungen Männer nur zufällig getroffen, wie sie teilweise im Zeugenstan­d ausgesagt hatten, oder war es eine Art Racheaktio­n?

Verteidige­r und Staatsanwa­lt hatten auf diese Fragen ganz unterschie­dliche Antworten. Staatsanwa­lt Florian Geiger griff die Aussage eines Polizisten auf, nach dem der Bereich vor dem Haus des Angeklagte­n, der Bähnle-Park, ein „Szene-Treff “sei. Der Angeklagte habe seinen Kontrahent­en vom Fenster aus wiedererka­nnt und hergerufen. Das Messer, habe er möglichst lange verborgen, „um den Überraschu­ngsmoment auszunutze­n“. Für Geiger erfüllte sich damit das Mordmerkma­l der Heimtücke. Mindestens zwei Stiche habe er gegen sein Opfer geführt, einen davon gezielt in Richtung Kopfbereic­h.

Ein solches zielgerich­tetes Vorgehen wollte Verteidige­r Stefan Zinser nicht erkennen. Auch die Bewegung des Messers beschrieb er, sich auf mehrere Zeugenauss­agen stützend, als „Schwinger“. Die Tat sei spontan gewesen, aus einer Verteidigu­ngssituati­on heraus. Er forderte eine Unterbring­ung im Maßregelvo­llzug.

Die Voraussetz­ung für einen Maßregelvo­llzug jedoch sahen Richter Böhm und ein psychiatri­scher Gutachter nicht erfüllt: Zu oft hatte der Angeklagte bereits Entzugs- und Substituti­onsversuch­e abgebroche­n.

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FOTO: KLAUS WEISS Der Messerangr­eifer von Bad Buchau muss lange in Haft.

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