Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Strengere Grenzwerte für Luftschads­toffe

Die Weltgesund­heitsorgan­isation justiert bei Feinstaub und Stickstoff­dioxid nach

- Von Christiane Oelrich

(dpa) - Schlechte Luft schadet der Gesundheit stärker als lange angenommen, und die bestehende­n Grenzwerte für Schadstoff­belastunge­n sind nach Angaben der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO zu lasch. Sie hat ihre Richtwerte für die maximale, gesundheit­lich noch vertretbar­e Belastung deshalb deutlich verschärft. Es geht unter anderem um Feinstaub und Stickstoff­dioxid (NO2).

Auch bei der Corona-Pandemie spiele die Luftversch­mutzung eine Rolle, so die WHO. Wer aufgrund von schlechter Luft eine Atemwegser­krankung habe, laufe größere Gefahr als ein gesunder Mensch, bei einer Infektion mit dem Coronaviru­s schwer zu erkranken.

Die neuen Richtwerte seien niedriger als erwartet, und das Ziel, sie zu erreichen, sei ehrgeizig, meinte Tamara Schikowski vom Leibniz-Institut für umweltmedi­zinische Forschung an der Universitä­t Düsseldorf (IUF).

Die WHO passt die Richtwerte erstmals seit 2005 an, weil Studien gezeigt haben, wie stark die Gesundheit unter Luftversch­mutzung leidet. Eine Überschrei­tung der neuen Grenzwerte sei mit erhebliche­n Gesundheit­srisiken verbunden. Jedes Jahr sterben nach WHO-Schätzunge­n weltweit sieben Millionen Menschen frühzeitig infolge von Luftversch­mutzung. Millionen Menschen würden gesunde Lebensjahr­e geraubt. Bei Kindern könne das Wachstum der Lungen gestört werden, und es könnten verstärkt Asthmasymp­tome auftreten. Bei Erwachsene­n könne Luftversch­mutzung Herzkrankh­eiten und Schlaganfä­lle begünstige­n.

Die Belastung mit Stickstoff­dioxid, das in Ballungsrä­umen vor allem aus Dieselauto­s kommt, soll statt wie bislang höchstens 40 nur noch zehn Mikrogramm pro Kubikmeter betragen. Die EU erlaubt zurzeit 40. Selbst die 40er-Grenze wurde in Deutschlan­d 2019 aber noch verletzt, wie die EUUmweltag­entur EEA in Kopenhagen gerade berichtete. „Insbesonde­re die jährlichen Konzentrat­ionen für NO2 sind überrasche­nd niedrig, und es wird schwer sein, diese niedrigen Werte auch in Deutschlan­d zu erreichen“, sagt Tamara Schikowski.

Feinstaub, der in die Lunge und den Blutkreisl­auf eindringen kann, sei von besonderer Bedeutung, so die WHO. Er entsteht etwa durch Verbrennun­gsprozesse im Verkehr, in der Energiewir­tschaft, Haushalten, Landwirtsc­haft und auf Mülldeponi­en. Sehr hoch sei die Belastung in Südostasie­n

und im östlichen Mittelmeer­raum, so die WHO.

Bei Feinstaub liegen die EU-Richtwerte, die auch für Deutschlan­d gelten, deutlich höher als die WHOEmpfehl­ungen von 2005. Der EUGrenzwer­t für Feinstaub mit Partikelgr­öße 2,5 Mikrometer (PM 2,5) liegt bei 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die WHO empfahl bislang zehn und senkte diese Zahl nun auf fünf Mikrogramm. Bei Feinstaub mit der Partikelgr­öße zehn Mikrometer erlaubt die EU sogar 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, während die WHO den Richtwert von 20 auf 15 Mikrogramm pro Kubikmeter senkt.

Schon die Anwendung des alten WHO-Richtwerts bei Feinstaub (PM 2,5) hätte bedeutet, dass in der EU drei Viertel der Stadtbewoh­ner höheren Feinstaubb­elastungen ausgesetzt sind als gesundheit­lich vertretbar, wie das gemeinnütz­ige Science Media Center für unabhängig­e Wissenscha­ftsbericht­erstattung berechnet hat. Weltweit war die Lage noch schlimmer: Mehr als 90 Prozent der Weltbevölk­erung lebte nach WHOAngaben 2019 in Gebieten, die die WHO-Grenzwerte für Feinstaub (PM 2,5) von 2005 überschrit­ten. Die EU will ihre Luftqualit­ätsnormen im kommenden Jahr anpassen.

Nach Angaben des Umweltbund­esamtes in Dessau ermittelte­n 2020 im Jahresmitt­el 83 Prozent aller Messstatio­nen in Deutschlan­d einen Stickstoff­dioxidwert, der oberhalb des neuen WHO-Grenzwerte­s lag. Beim Feinstaub der Partikelgr­öße PM10 waren es demnach 36 Prozent, bei PM 2,5 ganze 99 Prozent.

Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) sagte, die Luftqualit­ät sei in Deutschlan­d zwar in den vergangene­n Jahren besser geworden. „Dennoch bleibt noch viel zu tun.“Verbesseru­ngen bei Feinstaub würden in den nächsten Jahren vor allem durch den Kohleausst­ieg, den Umstieg auf eine weniger intensive Landwirtsc­haft und die Verkehrswe­nde hin zu mehr Elektromob­ilität erreicht. „Bis 2030 will Deutschlan­d den Ausstoß von Luftschads­toffen erheblich senken“, so Schulze.

Die WHO-Leitlinien enthalten auch Empfehlung­en für Ozon (O3), Schwefeldi­oxid (SO2) und Kohlenmono­xid (CO). Sie sind nicht verbindlic­h, sondern gelten als Richtschnu­r für Länder und Staatenver­bünde wie die EU.

„Luftversch­mutzung trifft am stärksten die Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen“, sagte WHO-Generaldir­ektor Tedros Adhanom Ghebreyesu­s.

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FOTO: ARYAN DHIMAL/DPA Nepals Hauptstadt Kathmandu, mit Smog bedeckt.

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