Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Kinder in Ahlen entdecken eine seltene Riesenraupe
Mitten in ihrem Hof fand Familie Bertler die Brut eines Totenkopfschwärmers
- So etwas habe sie auch noch nie gesehen, sagt Nadine Bertler. Mitten im Hof vor der Garage fanden ihre Kinder eine riesige gelbe Raupe mit blauen Streifen und Punkten.
Rasch fand die Familie aus Ahlen bei Uttenweiler heraus, dass es sich um die Brut eines Totenkopfschwärmers handelt. Kein ganz alltäglicher Gast in Oberschwaben. Eigentlich lebe die Art nämlich im tropischen Afrika und südlichen Europa, teilt Nicole Jüngling vom Naturschutzbund (NABU) Biberach mit. Funde in der Region seien dagegen bislang eher selten. „Aber immer wieder mal gibt es Sichtungen“, sagt Jüngling. Als Wanderfalter könne der Totenkopfschwärmer
gelegentlich über die Alpen bis nach Mitteleuropa vordringen.
Bertler und ihre Kinder Felicia, Finja, Fabio und Florina seien fasziniert von dem ungewöhnlichen Tier gewesen. „Wir haben es dann in eine Hecke gelegt“, erzählt die Mutter.
„Findet man die Raupe abseits von Futterpflanzen, sollte man sie idealerweise wieder an solchen aussetzen“, sagt Nicole Jüngling. Fressen würden die Tiere nämlich Liguster, Oleander und Flieder. Vorzugsweise ernähren sie sich aber von Kartoffelpflanzen und anderen Nachtschattengewächsen wie Tomaten, in denen sie auch ihre Eier ablegen. Sorgen machen müssen sich Landwirtinnen und Landwirte deshalb aber nicht. Noch vor Jahren trat die Art zwar gelegentlich in der DDR so massenhaft in Kartoffelfeldern auf, dass sie als Schädling bekämpft wurde. Der Einsatz von Insektiziden habe jedoch zu einem starken Rückgang der Population geführt.
Aktuell trete der Totenkopfschwärmer hierzulande nur in geringer Anzahl auf und gelte deshalb nicht als Agrarschädling, sagt auch Jüngling. Nach jetzigem Wissensstand sei die Raupe – trotz ihrer beeindruckenden Größe von bis zu 15 Zentimetern – zudem harmlos für die heimische Tier- und Pflanzenwelt.
Und für den Menschen stellt sie laut dem NABU ebenfalls keine Gefahr dar. Auch nicht im ausgewachsenen Zustand, wie früher viele wegen ihres Aussehens glaubten.
Nachdem sie sich verpuppt hat, wird aus der Raupe ein imposanter Falter mit einer markanten „Zeichnung“auf dem Rumpf, die an den namengebenden Totenkopf erinnert. Deshalb galt die Art lange als Symbol des Bösen. Dazu trug nicht zuletzt der US-amerikanische Schriftsteller Thomas Harris bei, der den Totenkopfschwärmer in seinem Roman „Das Schweigen der Lämmer“auftreten ließ. Eine wirkliches Ärgernis seien die nachtaktiven Schwärmer allerdings nur für Bienen. In deren Stöcke dringen sie nämlich ein und ernähren sich vom Honig, sagt Nicole Jüngling. Stiche halten sie dabei in der Regel gut aus und werden von den Bienen auch nicht immer als Feind erkannt. Einer Theorie zufolge liegt das daran, dass der Totenkopfschwärmer
die gelben Insekten beruhigt, indem er beim Eindringen in den Stock laut piepst. Den markanten Laut nutzt er zudem bei der Balz und wenn er sich gestört fühlt.
Nadine Bertler und ihre Kinder konnten das nicht mehr beobachten. Dabei hätten sie gern erlebt, wie aus der Raupe ein Falter wird. „Aber als wir nach dem Fund um die Mittagszeit abends noch einmal nach ihr geschaut haben, war sie weg“, berichtet Bertler. Nicole Jüngling zufolge wird sie vermutlich auch niemand je als Falter zu Gesicht bekommen. „Die Tiere überstehen unsere Winter in der Regel nicht, die Puppen sterben bei Frost ab“, erklärt sie. Mit steigenden Durchschnittstemperaturen in Deutschland könnte sich das allerdings möglicherweise ändern – und aus dem bislang seltenen ein häufigerer Gast in der Region werden.