Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kinder in Ahlen entdecken eine seltene Riesenraup­e

Mitten in ihrem Hof fand Familie Bertler die Brut eines Totenkopfs­chwärmers

- Von Christina Mikalo

- So etwas habe sie auch noch nie gesehen, sagt Nadine Bertler. Mitten im Hof vor der Garage fanden ihre Kinder eine riesige gelbe Raupe mit blauen Streifen und Punkten.

Rasch fand die Familie aus Ahlen bei Uttenweile­r heraus, dass es sich um die Brut eines Totenkopfs­chwärmers handelt. Kein ganz alltäglich­er Gast in Oberschwab­en. Eigentlich lebe die Art nämlich im tropischen Afrika und südlichen Europa, teilt Nicole Jüngling vom Naturschut­zbund (NABU) Biberach mit. Funde in der Region seien dagegen bislang eher selten. „Aber immer wieder mal gibt es Sichtungen“, sagt Jüngling. Als Wanderfalt­er könne der Totenkopfs­chwärmer

gelegentli­ch über die Alpen bis nach Mitteleuro­pa vordringen.

Bertler und ihre Kinder Felicia, Finja, Fabio und Florina seien fasziniert von dem ungewöhnli­chen Tier gewesen. „Wir haben es dann in eine Hecke gelegt“, erzählt die Mutter.

„Findet man die Raupe abseits von Futterpfla­nzen, sollte man sie idealerwei­se wieder an solchen aussetzen“, sagt Nicole Jüngling. Fressen würden die Tiere nämlich Liguster, Oleander und Flieder. Vorzugswei­se ernähren sie sich aber von Kartoffelp­flanzen und anderen Nachtschat­tengewächs­en wie Tomaten, in denen sie auch ihre Eier ablegen. Sorgen machen müssen sich Landwirtin­nen und Landwirte deshalb aber nicht. Noch vor Jahren trat die Art zwar gelegentli­ch in der DDR so massenhaft in Kartoffelf­eldern auf, dass sie als Schädling bekämpft wurde. Der Einsatz von Insektizid­en habe jedoch zu einem starken Rückgang der Population geführt.

Aktuell trete der Totenkopfs­chwärmer hierzuland­e nur in geringer Anzahl auf und gelte deshalb nicht als Agrarschäd­ling, sagt auch Jüngling. Nach jetzigem Wissenssta­nd sei die Raupe – trotz ihrer beeindruck­enden Größe von bis zu 15 Zentimeter­n – zudem harmlos für die heimische Tier- und Pflanzenwe­lt.

Und für den Menschen stellt sie laut dem NABU ebenfalls keine Gefahr dar. Auch nicht im ausgewachs­enen Zustand, wie früher viele wegen ihres Aussehens glaubten.

Nachdem sie sich verpuppt hat, wird aus der Raupe ein imposanter Falter mit einer markanten „Zeichnung“auf dem Rumpf, die an den namengeben­den Totenkopf erinnert. Deshalb galt die Art lange als Symbol des Bösen. Dazu trug nicht zuletzt der US-amerikanis­che Schriftste­ller Thomas Harris bei, der den Totenkopfs­chwärmer in seinem Roman „Das Schweigen der Lämmer“auftreten ließ. Eine wirkliches Ärgernis seien die nachtaktiv­en Schwärmer allerdings nur für Bienen. In deren Stöcke dringen sie nämlich ein und ernähren sich vom Honig, sagt Nicole Jüngling. Stiche halten sie dabei in der Regel gut aus und werden von den Bienen auch nicht immer als Feind erkannt. Einer Theorie zufolge liegt das daran, dass der Totenkopfs­chwärmer

die gelben Insekten beruhigt, indem er beim Eindringen in den Stock laut piepst. Den markanten Laut nutzt er zudem bei der Balz und wenn er sich gestört fühlt.

Nadine Bertler und ihre Kinder konnten das nicht mehr beobachten. Dabei hätten sie gern erlebt, wie aus der Raupe ein Falter wird. „Aber als wir nach dem Fund um die Mittagszei­t abends noch einmal nach ihr geschaut haben, war sie weg“, berichtet Bertler. Nicole Jüngling zufolge wird sie vermutlich auch niemand je als Falter zu Gesicht bekommen. „Die Tiere überstehen unsere Winter in der Regel nicht, die Puppen sterben bei Frost ab“, erklärt sie. Mit steigenden Durchschni­ttstempera­turen in Deutschlan­d könnte sich das allerdings möglicherw­eise ändern – und aus dem bislang seltenen ein häufigerer Gast in der Region werden.

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FOTO: PRIVAT Bis zu 15 Zentimeter werden die Raupen des Totenkopfs­chwärmers lang.

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