Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Elektrisierende Aufholjagd
Batteriezellen für die E-Mobilität kommen vor allem aus Asien – Nun kämpfen deutsche Konzerne um Anschluss
- Sie sind vergleichsweise flach, wiegen rund eine halbe Tonne und sind prall gefüllt mit Chemie und Steuerungselektronik: Batteriepacks, die Elektroautos auf Hochtouren bringen. Das Problem für deutsche Autobauer: Die Batteriezellen, in denen die Energie steckt, kommen fast ausschließlich aus Asien. China, Südkorea und Japan liefern rund 95 Prozent dieser chemischen Kraftwerke im Miniaturformat.
Autobauer wie Volkswagen, BMW und Mercedes haben sich bisher darauf beschränkt, diese Zellen für ihre jeweiligen Autos zu passenden Akkupaketen mit Kühlung und Steuerungselektronik zusammenzubauen. Doch das soll sich ändern. „In den vergangenen Jahren haben wir uns nicht so sehr auf die Zellen und deren Innenleben fokussiert“, sagte Daniel Steffen Setz von Mercedes beim CarBattery-Day in Braunschweig vergangene Woche selbstkritisch. „Die sind aber tatsächlich die DNA der Batterien und deswegen auch die DNA unserer Autos“. Mercedes will komplett elektrisch werden. Und am liebsten mit eigener Batteriezellentechnologie zu diesem Ziel hin beschleunigen.
Nicht zufällig aber haben Autoforscher Ferdinand Dudenhöffer und sein Team vom Center Automotive Research (Car) gerade Braunschweig als Tagungsort für die Batteriekonferenz ausgewählt: In der Nachbarschaft befindet sich in Salzgitter das erst vor wenigen Tagen vom Volkswagen-Konzern eröffnete Entwicklungszentrum für Zellforschung. Bei der Batterie stecke Deutschland noch in den Anfängen, sagte VW-Technikvorstand Thomas Schmall anlässlich der Eröffnung. „Jetzt treiben wir die Vorbereitungen für unsere eigene Zellfertigung mit aller Kraft voran.“
70 Millionen Euro hat Volkswagen in die Labore investiert, 250 Forschungsund Arbeitsplätze sind entstanden. In direkter Nachbarschaft graben sich Bagger durch den Boden. Hier sollen in einer modernen Fabrik in vier Jahren Batteriezellen aus der eigenen Fertigung massenweise vom Band laufen, Investitionskosten: rund eine Milliarde Euro. Auch bei Daimler und Mercedes will man in Zukunft die Zelltechnik verfeinern und voranbringen, im eigenen Unternehmen ebenso, wie durch Partnerschaften, heißt es aus dem Mercedes-Werk in Untertürkheim.
Dabei konzentriert sich die Forschung der Autohersteller darauf, die bisherige Chemie- und Technologie von Lithium-Ionen-Akkus zu verbessern und die Kosten ihrer Produktion zu senken. Zum anderen verspricht sich die Branche einen Durchbruch durch Feststoffbatterien in Serie.
Dabei wird der flüssige Elektrolyt zwischen den Polen der Batterie durch metallisches Lithium ersetzt.
Damit können die Zellen kein Feuer mehr fangen und haben bei gleicher Energiedichte ein deutlich geringeres Gewicht. „Das ist eine Wunderzelle, auf die man baut“, sagt Ferdinand Dudenhöffer. Bei Volkswagen sprechen verantwortliche Ingenieure sogar vom „Heiligen Gral der Batterietechnologie“. In einigen Jahren, so hoffen die Autohersteller, soll die neue Technik serienreif sein. Bislang gibt es sie nur testweise in Pilotprojekten.
Lange Zeit hatten die deutschen Hersteller die Batteriezellentechnik stiefmütterlich behandelt. Zu teuer und aufwendig seien Forschung und Produktion, hieß es lange. Man bezog die vermeintliche Standardtechnologie einfach aus fernen Ländern Asiens. Nur sind Batterien und deren Zellen im Elektroauto quasi das, was früher der Motor eines Verbrenners war. Und diesen Milliardenmarkt der Zukunft will man nun doch nicht einfach der Konkurrenz in Fernost überlassen. Stattdessen sollen die Forschungseinheiten der Konzerne selbst für technologische Durchbrüche sorgen – die man dann auch an andere verkaufen kann.
Auch beim Batteriepionier Varta bringt man sich für den sogenannten Hochlauf der Elektromobilität in Stellung. „V4Drive“heißt in Ellwangen auf der Ostalb das Zauberwort, die eher technische Dimension firmiert unter 21700. Es sind Batteriezylinder, wie man sie in ähnlicher Form aus dem Hause Varta kennt. Maße: 2,1 mal 7,0 cm. Zusammengefügt zu Powerpacks sollen die 21700er-Zellen künftig helfen, etwa luxuriöse
Sportwagen auf Reisegeschwindigkeit zu beschleunigen.
Die europäische Politik hat das Thema Batteriezellen schon seit Längerem im Blick. 2017 gründete die EU die Batterieallianz EBA, um die Zellenproduktion in Europa zu fördern und aufzubauen. 14 Mitgliedstaaten wirken hier mit der Europäischen Investitionsbank und rund 500 Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammen. So sollen in den nächsten Jahren Kapazitäten für Batteriezellen für jährlich bis zu acht Millionen Autos produziert werden. Die deutschen Hersteller schließen sich dem Aufbruch in die elektromobile Zukunft mittlerweile an – auch durch Kooperationen mit chinesischen und anderen Partnern. Offenbar haben sie erkannt, dass es von Vorteil ist, wenn man seine Autos durch eigene Technik auch beschleunigen kann.