Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Preise für Wohnimmobilien steigen stark an
(dpa) - Der Erwerb der eigenen vier Wände in Deutschland wird immer teurer und ein Ende des Preisanstiegs ist angesichts anhaltend hoher Nachfrage vorerst nicht in Sicht. Nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes mussten Käufer von Eigentumswohnungen und Häusern im zweiten Quartal bundesweit im Schnitt 10,9 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor. Es war der stärkste Anstieg seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000, wie die Wiesbadener Behörde am Freitag mitteilte.
Im ersten Vierteljahr des laufenden Jahres hatten sich die Kaufpreise für Ein- und Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen nach den jüngsten Berechnungen der Statistiker durchschnittlich noch um 8,9 Prozent erhöht. „Die Kombination aus niedrigen Zinsen, ungebrochen hoher Nachfrage und vor allem in den Ballungsräumen geringem Angebot lässt die Preise weiter steigen“, hatte eine im Mai veröffentlichte Studie der Sparda-Banken festgestellt. Zugleich seien die Baukosten auch wegen hoher Anforderungen an Sicherheit und anderer Aspekte wie beispielsweise die Energieeffizienz gestiegen. Experten des Hamburger Gewos-Instituts für Stadt-, Regionalund Wohnforschung waren jüngst mit Blick auf die Zahlen von 2020 zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die „Preisdynamik im Bereich des selbst genutzten Wohneigentums im Zuge der Corona-Pandemie“noch einmal verstärkt habe.
- Silberne Flügelhörner, kupferfarbene Tuben, goldene Posaunen funkeln im Schein der Deckenleuchten, deren Licht sich über Hunderte Instrumente hier im Musikhaus Lange ergießt. Marc Lange ist umringt von den Dingen, die das Leben seiner Familie seit 1937 prägen. Der 44-Jährige führt in dritter Generation das kleine Ravensburger Unternehmen. Nie sei es schwieriger gewesen, sagt er. „Corona hat uns hart getroffen, aktuell befinden wir uns noch in Kurzarbeit.“Lange und sein Team verkaufen Musikinstrumente, bauen Blechblasinstrumente – und reparieren sie, wenn es nötig ist. Zudem können Fans beim Musikhaus Eintrittskarten für Konzerte kaufen – und Konzertveranstalter bekommen in der Markstraße der oberschwäbischen Stadt Verstärker, Bühnenausstattung und Lichtanlagen.
Normalerweise – ohne Corona, Zutrittsbeschränkungen und Impfausweis – gehört das Musikhaus Lange für alle, die in Oberschwaben etwas mit Musik zu tun haben, zu den wichtigen Anlaufstellen. Blasmusiker aus den oberschwäbischen Musikvereinen kaufen dort ihre Instrumente, Kneipenbesitzer leihen sich für Konzerte Verstärker, Veranstaltungstechniker beziehen Ersatzteile, Musikschulen bestellen Unterrichtsmaterial. In diesen Tagen wuseln allerdings mehr Mitarbeiter als Kunden durch die Gänge des alten Hauses in der Ravensburger Marktstraße. „2021 war noch verheerender als 2020“, sagt Lange – das Hauptgeschäft ist der Verkauf und der sei „total eingebrochen“.
Die Situation des Ravensburger Musikhaus ist typisch für die vieler Musikfachgeschäfte. Der Fachhandel sei nach Angaben des Gesamtverbands Deutscher Musikfachgeschäfte (GDM) sehr unterschiedlich durch die Pandemie gekommen – abhängig von Größe, Sortiment und Spezialisierung. „Im ersten Jahr der Pandemie wurde sehr viel in die eigenen vier Wände investiert, insofern war die Nachfrage nach hochwertigen Instrumenten und dem entsprechenden Zubehör hoch. Der Lockdown im Herbst und Winter war dann ein herber Rückschlag“, sagt GDM-Geschäftsführerin Birgit Böcher.
Die Lage, in der der Ravensburger Marc Lange steckt, macht aber noch etwas deutlich. Sie zeigt, wie schlecht es dem gesamten Ökosystem Musik geht. Dazu gehören aktive Musiker, Bands, Orchester und Musikvereine genauso wie Clubs und Konzertveranstalter, Lichttechniker, Instrumentenbauer und Musikkneipen. Und eben Geschäfte wie das Musikhaus Lange, die Musikschaffende mit allem Nötigen ausrüsten. Es ist ein Bereich, der entscheidend zur kulturellen Vielfalt beiträgt, der im Gegensatz zu seiner Bedeutung bei politischen Entscheidern aber oft unter dem Radar läuft – und der auch ein wichtiger ökonomischer Faktor in Deutschland ist. 2019 setzte die Musikwirtschaft laut einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums neun Milliarden Euro um – für 2020 werden aktuell bis zu 5,3 Milliarden Euro weniger prognostiziert.
Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) hat nun erstmals versucht, den Beitrag der Musikwirtschaft systematisch zu erfassen. Die Studie namens „Der Wert von Musik“soll laut WRS-Geschäftsführer Walter Rogg darstellen, „welch bedeutender ökonomischer Faktor das Musikökosystem für die Region ist.“Überraschendes Ergebnis: Das Musikökosystem in Stuttgart umfasst Kreative und Spielstätten, Musikverlage und Instrumentenbauer, Hörfunk, Musikhäuser und Hersteller von Audiogeräten und hat 2019 eine Bruttowertschöpfung von rund 99 Millionen Euro produziert. Dieser Wert setzt sich aus dem Gesamtwert der in der Produktion erzeugten Waren und Dienstleistungen, vermindert um den Wert der angefallenen Kosten, zusammen. Zur Einordnung: Die Gesamtbruttowertschöpfung der Stadt für dieses Jahr betrug 52,2 Milliarden Euro. 3000 Personen arbeiten dort in der Musikwirtschaft.
Größtes Problem: Auch in Nicht-Corona-Zeiten fehlt es in Stuttgart an geeigneten Spielstätten und Veranstaltungsräumen.
Walter Ercolino ist in der badenwürttembergischen Landeshauptstadt Ansprechpartner für die Musikschaffenden. Er leitet das Pop-Büro in Stuttgart und ist Mitinitiator der Studie. „Wir haben sehr überraschende Erkenntnisse gewonnen“, sagt Ercolino. Selbst für ihn als Experten sei es äußerst interessant gewesen, wie eng die Verzahnung zwischen Kulturund Kreativwirtschaft und der Gastronomie oder dem Tourismus ist. „Die popkulturelle Infrastruktur einer Stadt oder Region ist außerdem sehr wichtig für viele Berufszweige.“Junge, gut ausgebildete Menschen würden eher dort wohnen und arbeiten, wo es entsprechende kulturelle Angebote gebe. Wer ein Konzert oder einen Club besuche, gebe Geld für Essen und Trinken, für Übernachtung und das Taxi oder den ÖPNV aus. „Induzierte Effekte“nennt er das. „Es ist nicht immer geboten, zwischen Kultur und Wirtschaft zu trennen.“
In ganz Baden-Württemberg arbeiten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit rund 7300 Menschen in der Musikwirtschaft, bundesweit sind es 63 000. Nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums erzeugte die deutsche Musikwirtschaft 2019 eine Bruttowertschöpfung von knapp 6,2 Milliarden Euro. Im Vergleich zum deutschen Fahrzeugbau, der in diesem Jahr auf 162 Milliarden Euro kommt, mag das gering erscheinen.
Allerdings, erklärt das Bundeswirtschaftsministerium, seien die Musikwirtschaft und die gesamte Kreativbranche Vorreiter für ökonomische Entwicklungen wie die Digitalisierung. Zudem arbeiteten in diesem Bereich viele Menschen als geringfügig Beschäftigte, Selbsständige oder Ehrenamtliche. Innerhalb der Musikwirtschaft spielt das Geschäft mit Konzerten – also den Veranstaltungen, bei denen Künstler vor ihren Fans auftreten – für die kulturelle Vielfalt und die sekundären Effekte eine wichtige Rolle. Fans geben schließlich nicht nur Geld auf dem Konzert aus, sie konsumieren allerorten und beleben die Stadt. Die Pandemie zeigt dies deutlich. „Für den LiveBereich ist Corona eine historische Katastrophe“, sagt Peter Tschmuck, Professor für Kulturmanagement an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien.
Dabei leiden zuallererst die Interpreten, weniger die Komponisten. Denn die könnten auf eine Vertriebsform zurückgreifen, die Corona gestärkt habe: Digitale Dienste wie die Streaming-Plattform Spotify verzeichnen mittlerweile gigantisch hohe Abrufzahlen. Laut einer Sonderauswertung des Marktforschungsinstituts GfK Entertainment wurden 2020 hierzulande mehr als 139 Milliarden Musikstreams verzeichnet – fast ein Drittel mehr als 2019. Daher seien auch Musiklabels, eine der größten Säulen der Musikwirtschaft, dank des global wachsenden Marktes auf diesen Plattformen relativ gut durch die Krise gekommen. Schlecht gehe es dagegen vor allen jenen, die ihr Geschäft nicht effektiv digitalisieren konnten. „Durch Corona leiden vor allem mittelständische Veranstalter. Nach der Krise erwarte ich da einen noch stärker stattfindenden Oligopolisierungsprozess“, sagt Tschmuck. Während es aktuell noch viele kleine und mittelständische Konzertveranstalter in Deutschland gebe, werden die Pandemie wohl nur die größten und finanziell schlagkräftigsten überstehen, erwartet Tschmuck. Ein bunter Markt wird monoton.
Das könnte auch der Clubszene drohen. Diese sei „im Stich gelassen“worden, erklärt der Wissenschaftler weiter. Sie ist nicht nur für viele Subkulturen enorm wichtig als geschützer Raum unter Gleichgesinnten, dort sind auch viele Arbeitsplätze verankert. Der Politik ist nicht bewusst, dass die Club- und Veranstaltungsbranche eben nicht nur Musiker umfasst, sagt Tschmuck. Beleuchter, Techniker, Transporteure, Gastronomen und viele mehr seien dort beschäftigt. Wie es weitergehe, wüssten viele frühestens im ersten Quartal 2022. Auch Lange vom Musikhaus setzt auf diese Monate und hofft auf bessere Geschäfte im Frühjahr. Dann könnte es wieder richtig losgehen mit den Festen, Konzerten und Festumzügen. Lange und seine Mitarbeiter möchten wieder Posaunen verkaufen, Flügeltrompeten ölen und Tuben reparieren – für die Profiund Laienmusiker in Oberschwaben.
Und wenn die wieder spielen, zahlen Menschen auch wieder Eintritt, kümmern sich Kellner und Köche um Getränke und Essen, bereiten Hoteliers Betten und fahren Taxifahrer müde Fans nach dem Konzert nach Hause. Ein erster Anfang sei das Brass-Festival in Pfullendorf im Linzgau vor wenigen Wochen gewesen, erzählt Lange: Hunderte Blasmusiker spielten auf, Tausende Menschen feierten miteinander. Und gaben den einen oder anderen Euro aus.