Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Erinnerung in Gefahr
Schulamt bittet Grundschulen, in diesem Jahr keine Fotos von Erstklässlern zu veröffentlichen
- Es gibt Dinge im Leben, die bekanntermaßen nur einmal stattfinden und die einen wichtigen Punkt in der Biografie vieler Menschen markieren. Dazu gehört das erste Mal bei einer Bundestagswahl seine Stimme abgeben zu dürfen, der erste Urlaub ohne Eltern und noch viel früher im Leben: die Einschulung. Dokumentarisch bislang immer selbstverständlich auf Fotos festgehalten – was sich dieses Jahr an den Grundschulen in der Region als etwas komplizierter gestaltet.
In einem Schreiben des Staatliches Schulamts Albstadt, das der SZ vorliegt, heißt es an Schulleiterinnen und Schulleiter von Grundschulen: „Bitte vermeiden Sie dieses Jahr, dass Fotos der Klassen 1 gemacht und veröffentlicht werden. Da sicherlich keine Abstände eingehalten werden können, müssen die Kinder Masken tragen.“
Sollten Fotos veröffentlicht werden, bei denen Kinder eng beieinander stehen und keine Masken tragen, könnte dies laut Schreiben zu einer Diskussion in der Öffentlichkeit führen, wieso die Schule bewusst gegen die bestehenden Corona-Verordnungen an Schulen verstoße. Also eine klare Ansage aus Albstadt. Aber auch ein Verbot?
„Ich kann und darf es den Schulleitern
gar nicht untersagen, die Klassenfotos zu machen. Das möchte ich auch gar nicht können. Ich rate nur davon ab, sie in diesem Jahr in gewohnter Weise zu machen“, erklärt Gernot Schultheiß, leitender Schulamtsdirektor.
Bei der Diskussion um Maskenpflicht und Abstandsregeln sei noch immer „Druck auf dem Kessel“, so Schultheiß. Man könne eben nie wissen, wie ein Bild und die dazugehörige Situation von Menschen interpretiert werde. „Um dieses Thema haben sich unterschiedliche Meinungen gebildet. Deshalb geht es bei unserem Ratschlag, keine Bilder zu machen, auch um Prävention, um Schulleiter vor eventuellen Konflikten zu schützen“, so der Schulamtsdirektor. Inzwischen steht fest, dass die Maskenpflicht an Schulen weiterhin bestehen bleibt – was aber natürlich nicht automatisch heißt, dass keine Fotos der Erstklässler gemacht werden dürfen. „Für die Kinder ist dieser Tag so wichtig und eine aufregende Geschichte“, sagt Susanne Seßler, Rektorin der Sigmaringer Bilharzschule. Und aus diesem Grund gibt es auch in diesem Jahr Bilder der dortigen ersten Klassen. Ohne Masken, nur eben nicht in klassischer Form. „Wir haben uns bei den Fotos strikt an die Corona-Verordnung und die entsprechenden Abstände gehalten“, sagt die Rektorin. Auch im Schulamt sei man sich ob des wichtigen Tages für die Kinder bewusst, so Schultheiß. Wie nun mit der Situation umgegangen werden könne, dazu gibt es im Schreiben an die Schulen auch einen Vorschlag: „Vielleicht können Sie zu einem späteren Zeitpunkt im Verlauf des Schuljahres unter Beachtung der dann gültigen Regeln Klassenfotos der Klassen 1 veröffentlichen.“Ein Vorschlag. Keine Anweisung. Die Entscheidung liegt bei den Schulleitungen. „Wenn es dann Beschwerden gibt, dann müssen die das aushalten“, sagt Schultheiß.
Aber das ja vielleicht auch nur einmal im Leben.