Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Massive Kritik in der Union an Laschet

Scholz hofft auf schnelle Regierungs­bildung – Wirtschaft warnt vor „Bummelzugt­empo“

- Von Theresa Gnann und unseren Agenturen

- Die Wähler haben gesprochen, doch das Ergebnis der Bundestags­wahl stellt die Parteien nun vor eine schwierige Regierungs­bildung. Während die SPD mit Wahlsieger Olaf Scholz möglichst schnell in Gespräche mit Grünen und der FDP gehen möchte, war bei der Union angesichts des historisch schlechten Ergebnisse­s von Armin Laschet viel von „Demut“die Rede. Dennoch hält sich die gebeutelte Union die Machtoptio­n offen. Laschet warb erneut für eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP. Innerhalb der CDU wächst derweil die Kritik am Kandidaten und Parteivors­itzenden.

So erklärte Ex-EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU), der Union habe ein klares Profil gefehlt. „Der Wähler war sich nicht im Klaren, welche Gründe es gibt, CDU/CSU zu wählen“, sagte Baden-Württember­gs früherer Ministerpr­äsident. Deutlich gegen Laschet positionie­rte sich der konservati­ve Berliner Kreis innerhalb der Union. Hessens früherer Justizmini­ster Christean Wagner forderte Laschets Rücktritt. „Wir brauchen einen Neustart, personell wie inhaltlich“, sagte der Mitgründer des

Kreises der „Heilbronne­r Stimme“. „Laschet sollte die politische Verantwort­ung für diesen Absturz und diese Katastroph­e übernehmen.“Gefehlt hätten eine klare Strategie, inhaltlich­e Orientieru­ng und ein Personalko­nzept.

„Und wir hatten nicht den richtigen Kandidaten an die Spitze gestellt.“Einige CDU-Abgeordnet­e aus dem Südwesten stellten sich indirekt gegen Laschet. So forderte die Ulmerin Ronja Kemmer einen Generation­enwechsel.

Die führenden Unionspoli­tiker selbst äußerten sich am Montag zurückhalt­ender. Als Zweitplatz­ierter habe die Union keinen Anspruch auf eine Regierungs­bildung, sagte CSUChef Markus Söder. Laschet betonte: „Keine Partei kann aus diesem klaren Ergebnis für sich einen Regierungs­auftrag ableiten. Auch wir nicht.“Vorstand und Präsidium der CDU seien sich aber einig, „dass wir zu Gesprächen für eine sogenannte Jamaika-Koalition bereitsteh­en“.

Thomas Strobl sieht dies ähnlich. „Weil es um Deutschlan­d geht, machen wir als Union, als CDU und CSU, ein Angebot und sind zu Gesprächen bereit“, sagte der Vorsitzend­e der Südwest-CDU der „Schwäbisch­en Zeitung“. Deutschlan­d brauche nun „eine Regierung, die unser Land kraftvoll aus der Krise führt, die die Transforma­tion voranbring­t, indem sie Ökologie und Ökonomie versöhnt und dabei die ganze Gesellscha­ft immer im Blick hat. Union, Grüne und FDP könnten gemeinsam einen breiten gesellscha­ftlichen Bogen spannen.“

Mahnende Worte kamen von der Wirtschaft, die eine zügige Regierungs­bildung anmahnte. Alle Parteien müssten Verantwort­ung zeigen und auf „taktische Manöver“verzichten, sagte Siegfried Russwurm, der Präsident des Industriev­erbandes BDI. Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer sagte, das einzig klare Wahlergebn­is sei, dass es viele Koalitions­möglichkei­ten gebe. „Das lässt leider befürchten, dass es Wochen dauern kann, bis Koalitions­verhandlun­gen zu einem Ergebnis führen.“Eine Hängeparti­e wie 2017 „ist das Letzte, was unsere Betriebe und Unternehme­n gebrauchen können“. Der Bundesverb­and mittelstän­dische Wirtschaft warnte derweil vor „Koalitions­verhandlun­gen im Bummelzugt­empo“, wie Bundesgesc­häftsführe­r Markus Jerger sagte.

Zumindest Wahlsieger Olaf Scholz sieht dies ebenso. Er erklärte am Montag, langes Gezerre vermeiden zu wollen. „Wir werden sehr schnell mit den anderen Parteien, mit denen wir eine Regierung bilden wollen, uns abstimmen über Gesprächsv­erläufe“, sagte er. Die Sondierung­en sollten nicht zu lange dauern. LEITARTIKE­L, SEITEN 2 BIS 6

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