Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Laschet verweigert die Realität
Armin Laschet hat die letzte Chance verpasst, mit Würde seine Kanzler-Ambitionen zu beenden. Die wenigen Stunden nach der Bekanntgabe des Endergebnisses der Bundestagswahl hätten den CDU-Vorsitzenden zum Umdenken zwingen müssen. Sachsens Ministerpräsident ging offen auf Distanz, Minister zogen persönliche Konsequenzen oder äußerten sich klar gegen ein Weiter-so, zahlreiche Unions-Mitglieder verlangten einen Rückzug des Aacheners. Auch die CSU brach den Stab über den Kanzlerkandidaten.
Es gehört schon Sturheit und Realitätsverweigerung dazu, nicht zu bemerken, dass eine große Mehrheit in der Bevölkerung dem NRW-Ministerpräsidenten den Chefsessel im Bundeskanzleramt nicht zutraut. Oder wie Widersacher Markus Söder es formulierte: Ein Wahlergebnis müsse „innerlich angenommen“werden. Söder wäre nicht Söder, wenn er die Peinlichkeit der CDUFührung nicht ausgenutzt hätte und nach deren Schweigen als erster Unionspolitiker Olaf Scholz zum Wahlsieg gratuliert hätte. Für die einen sind das Sticheleien, für die anderen der Wink mit dem Zaunpfahl. Eigentlich müsste einer der sogenannten Granden der CDU den Parteichef trotz dessen unbestrittenen Nehmerqualitäten zur Seite nehmen und ihm verdeutlichen, dass es mit ihm nicht weitergehen kann.
Doch damit ist ein Problem der Christdemokraten beschrieben. Just die mächtigen Männer wie Wolfgang Schäuble oder Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier haben ihn noch vor wenigen Monaten auf den Schild gehoben. Nun jedoch hat Laschet in enormer Geschwindigkeit an Autorität verloren. Für die CDU ist eine solche Entwicklung hochgefährlich und für Gespräche oder gar Verhandlungen mit anderen über eine Regierungsbildung keine Grundlage. Im Moment ist eine Dynamik Richtung Ampel, also Sozialdemokraten, Grüne und Liberale, zu verzeichnen. Dennoch sind die Hürden für ein solches Bündnis hoch, ein Scheitern ist nicht ausgeschlossen. Laschet dann als den Verhandlungschef der Union zu verkaufen, wird schwierig.